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Verschlafen | Februar 2014

So isses
von Martina Bracke

Max hatte diesen wichtigen Termin. Seit zwei Wochen bereitete er sich darauf vor. Ein neuer Job, das wär’s. Dafür würde er auch umziehen.
Er konnte nicht einschlafen. Schließlich überfiel ihn der Schlaf und hielt ihn fest im Griff. Der Wecker klingelte sich die Lautsprechermembran aus dem Leib. Max hörte nichts.
Als er endlich erwachte, blieb nicht mehr viel Zeit, schließlich musste er noch mit Bus und Bahn, der Weg war weit. Wenn er den Zug verpassen würde. Taxi? Zu teuer. Er hastete mit fliegendem Schlips aus dem Haus, rannte über die Straße, um den Bus zu erwischen.


Egon und Rolfi, gestandene Kleinganoven, tranken in einer der letzten Eckkneipen in Bahnhofsnähe ihr Bier mit Korn. Evelyne, die stattliche, klassische Thekenpomeranze kassierte vor jeder Runde ihre Euros, sie kannte die beiden lange genug. Und so spannen Egon und Rolfi bei ihrem vorläufig letzten Bier mit Korn, wie sie den drohenden Bankrott abwenden könnten. Ganz neudeutsch eruierten sie ihre Kompetenzen und Fertigkeiten und klopften sie auf ihre Möglichkeiten ab.
„Nee, Taschendiebstahl is’ nich’, da bin ich Grobmotoriker, dat weisste doch“, meinte Egon.
„O.k., aber es kann doch nicht so schwer sein, ´ner Omma die Handtasche wegzureißen.“
„Hab’ ich ma’ versucht, da hat mich die Alte verprügelt, hat mir drei Monate Knast gebracht.“
„Da hattest du wenigstens was Warmes im Magen.“
„Abba kein Bier und kein’ Korn.“
„Auch wahr.“
Schweigend starrten beide vor sich hin.
„Wie wär’s mit der Spasskasse in Lüdo? Die haben da immer nur zwei Leute am Start. Kann so schwer nicht sein“, schlug Rolfi vor.
„Da brauchste ´ne Pistole. Bin gegen Gewalt, weisste doch.“
„Hmmm.“
Wenn Blicke bohren könnten, hätte der alte Eichentresen langsam die ersten Dellen bekommen. Evelyne dagegen schrubbte die Theke, als wäre ihr Spültuch Schmirgelpapier. Hin und wieder sah sie zu den beiden Pappenheimern hinüber.
„Juwelier Schönböck, Petergasse. Hat immer noch keine richtige Alarmanlage.“
„Sicha?“ Egon schaute zweifelnd zu Rolfi.
„Ich schwör’s. Habe ich neulich noch von den Dreher-Brüdern gehört. Würde sich echt lohnen. Der Alte ist doch auch zu kniepig für was Anständiges.“
„Bargeld wär’ mir ja lieber.“
„Liegt aber nicht auf der Straße.“ Rolfi schien Feuer gefangen zu haben.
„Muss’n Auto her. Und Werkzeug.“
„Das besorge ich dir. Mein Neffe kennt sich mit den Karren aus und fährt wie ein Berserker. Der wollte mal Rennfahrer werden.“
Zweifel regte sich in Egons Blick, doch er sagte nichts. Auch Evelyne schaute kurz herüber, sagte aber nichts. Erst jetzt schienen sie sich zu erinnern, dass sie in der Kneipe zwar die einzigen Gäste, aber beileibe nicht allein waren. Flüsternd besprachen sich Egon und Rolfi weiter.
„Werkzeug habe ich noch bei meiner Ex im Keller, da komme ich locker dran.“ Rolfi hatte für alles eine Lösung und Egon bald keine Ausrede mehr. Auch die Frage nach dem Vertrieb der Ware konnte mit der kurzen Antwort „Reginald“ abgeschnitten werden.
Langsam klärte sich auch Egons stumpfsinniger Ausdruck.
Auf den Deal kippten sie ihren Korn auf ex, spülten mit einem Rest Bier nach, warfen der verdutzten Evelyne den letzten Euro Trinkgeld hin und verließen die Reminiszenz an lebendigere Tage mit klaren Absprachen.
Zwei Tage später stieg der Bruch. In den frühen Morgenstunden. Nach Rolfi die beste Zeit.
Rolfis Neffe parkte vorschriftsmäßig auf dem Randstreifen. Rolfi selbst schulterte sein Einbruchswerkzeug. Egon lockerte seine Muskeln.
„Auf geht’s!“
In wenigen Sekunden hebelten sie die Ladentür auf. Einen Moment hielten sie inne, lauschten auf ein Surren oder auf einen lauten Alarm. Nichts.
„Hab’ ich doch gesagt. Zu kniepig, der Alte“, triumphierte Rolfi.
Von jetzt an konnten sie sich Zeit lassen und in Ruhe den Laden durchsuchen und den altertümlichen Safe knacken.
„Dat der überhaupt noch ´ne Versicherung kriegt für das Ding.“ Kopfschüttelnd machte sich Egon an die Arbeit.
Der Safe hielt länger stand als die Ladentür, aber nach kurzer Zeit war auch das geschafft.
„Ey, dafür hat sich’s echt nicht gelohnt.“ Rolfis Neffe verzog das Gesicht. Lediglich drei Uhren hielt Egon in der Hand, dazu noch zweihundert Euro Bares.
„Halt den Ball flach, Junge. Wenn wir noch das Gold aus den Vitrinen holen, kommen wir schon ein paar Monate weit.“
„Hasse gedacht, das reicht für Rio? Kannst nich’ jeden Tag Posträuber sein.“
Der Junge zog die Schultern hoch. „Lasst uns abhauen.“
Gerade als sie aus der Ladentür traten, hörten sie die Polizeisirenen. Und sie kamen schnell näher.
Egon, der Grobmotoriker, bewegte sich als erster. „Macht hinne!“
Jetzt sprangen auch die beiden anderen in das Auto. Rolfis Neffe ließ den Motor an und die Reifen quietschen.
„Spinnst du, so’n Lärm zu machen?“
Doch ein Polizeiauto bog bereits um die Ecke. Rolfis Neffe drückte das Gaspedal durch.
Den Blick nach hinten gerichtet, entfuhr Rolfi ein fettes „Scheiße!“ und dann fiel ihm seine Ex ein, die natürlich mitgekriegt hatte, dass er sein Werkzeug holte. Er hatte was von Renovierung gemurmelt, aber sie glaubte ihm sowieso nichts. Ob sie...? Quatsch, er hatte natürlich nichts von irgend einem Juwelier gesagt.
Egon schleuderte in seinem Sitz und versuchte sich krampfhaft festzuhalten.
„Evelyne“, huschte es durch Rolfis Hirn. Und laut entfuhr ihm ein weiteres „Scheiße!“
Egon war es indes völlig egal, wer sie verpfiffen haben konnte, er krallte seine Finger ins Polster. „Wenn die Bullen uns nich’ kriegen, dann fährt uns der Kurze noch vor die Wand.“
Rolfis Neffe riss das Lenkrad schon wieder herum. Im Ausgang der Kurve gab er Gas.

Ein Auto raste mit filmreif quietschenden Reifen um die Ecke und markierte mit Gummi den Asphalt. Noch bevor jemand die Situation erfassen konnte, hinterließ Max auf der Windschutzscheibe hässliche Blutspuren.

Max verlor das Leben, das Trio seine Freiheit und Evelyne ihre letzten Kunden. Und da sollte sie den Coup verpfiffen haben?
Manchmal haste eben kein Glück, und dann kommt auch noch Pech dazu.

© mb2014, V2


Letzte Aktualisierung: 25.02.2014 - 09.04 Uhr
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