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Schmelzpunkt(e) | März 2014

Afridiabetische KrÀuter, oder so Àhnlich
von Anne Zeisig

“Und? Wie kommen Hanne und du zurecht? Jetzt, wo du deinen wohlverdienten Ruhestand hast?”, fragte Wilhelm seinen Kumpel Heinz und legte die Holzkohle zum VorglĂŒhen auf den Grill.
Um diese Zeit war morgens in der Kleingartenanlage “Zum Abstich” noch nicht viel los. Nur die Ehemaligen von der EisenhĂŒtte trafen sich bei trockenem Wetter gelegentlich zum Grillen, Klönen und FrĂŒhschoppen im Schrebergarten.
Heinz winkte ab. “Hab ‘n halbes Leben in der Hitze am Ofen geschuftet und nun hat mir der Arzt Alkohol und Fleisch verboten. Wegen meiner Gicht.”
“Da musste auf die Purine im Essen achten”, rief Kurt vom GemĂŒsebeet herĂŒber und beĂ€ugte den Kopfsalat, welchen er gerade geerntet hatte. “Vom Kaninchenfutter kannste aber essen, so viel du willst.” Er stapfte an den Beeten entlang und wusch unter dem Kran den Salat.
Heinz winkte wieder ab, trank einen Schluck Wasser und schĂŒttelte sich. “Ihr kennt mich doch. Um GrĂŒnzeug habe ich immer einen großen Bogen gemacht.”
Inzwischen hatte Kurt sich an den Tisch gesetzt und zupfte den Salat in eine SchĂŒssel.
“Deine Hanne sieht man hier ĂŒberhaupt nicht mehr. Gibt es einen Grund, warum sie so selten kommt?”
“Ich habe Heinz auch gerade gefragt, wie ‘s so mit dem Eheleben lĂ€uft im Ruhestand. “
Wilhelm und Kurt blickten Heinz erwartungsvoll an.
Der zuckte mit den Schultern. “Was soll schon sein. Man hockt sich plötzlich den ganzen Tag auf der Pelle und merkt, dass man sich nicht viel zu sagen hat.” Er blinzelte in die tiefstehende Morgensonne. “Aber neuerdings geht Hanne wenigstens zweimal in der Woche zu diesem Breitensportprogramm, wo man die Breite des eigenen Körpers schmĂ€lern kann.”
Die MĂ€nner lachten.
Heinz ergĂ€nzte: “Man kann schließlich nicht vierundzwanzig Stunden aufeinanderhocken.”

Wilhelm legte die Steaks auf. “Das waren noch Zeiten, wo wir GrĂŒnschnĂ€bel nach der Schicht bei ‘Trudis Revier’ unser wohlverdientes Bier getrunken haben.”
“Und dann erst am Samstag!”, schwĂ€rmte Kurt. “Schwofen und Knutschen bei ‘Akkordeon Anton’ in der Scheune.” Er schaute suchend ĂŒber die Beete. “Sach mal, Heinz, hast du mediterrane KrĂ€uter angepflanzt?”
Der wischte ĂŒber seine Bartstoppeln. “Wenn du Petersilie und Schnittlauch meinst, hinten links, neben dem Komposthaufen.”
“Oregano oder Basilikum haste nicht?”
Willhelm, auch Willi genannt, wendete die Steaks. “MĂŒssen das denn KrĂ€uter aus dem Mittelmeerraum sein? FrĂŒher ging ‘s doch auch ohne.”
“FrĂŒher ging Vieles ohne!”, rief Kurt und schnitt Petersilie ab, “Aber wenn man Ă€lter wird, lĂ€sst so manches nach und dann muss man eben nachhelfen!”
Willis Bauch bebte beim Lachen. “Da könntest du recht haben. Bevor sich die eigene Gattin womöglich noch in den Breitensport-Trainer verguckt, da ist KrĂ€uter essen angesagt.”
“Wie meint du das genau?”, fragte Heinz, goss den Rest aus dem Wasserglas in die Rosen und öffnete eine Flasche Bier.
“Zum Beispiel ist dem Katlowski seine Frau mit ‘m JĂŒngeren durchgebrannt.”
“Meine Hanne macht sowas nicht.” Er wischte mit der Hand ĂŒber den Tisch.
“Mensch, Heinz, das war doch nicht ernst gemeint.”
“Mediterrane KrĂ€uter wirken wie ein Afrikadiatikum!” Nun schnitt Kurt auch noch Dill ab und sĂ€uselte, “der Glaube soll ja bekanntlich Berge versetzen.”
“Was hast du gesagt?”, fragten beide im Chor.
Kurt kam nun mit seiner Ausbeute wieder zum Tisch. “Heute werden die Steaks nicht mit Ketchup gegessen, heute werde ich uns eine Soße zaubern, die es in sich hat. Ich hole die Induktionsplatte aus der Laube und du trĂ€gst die Pfanne.”
Heinz nickte.
Willi schĂŒttelte den Kopf und wendete die Steaks abermals. “Ich ess’ so eine auslĂ€ndische Sosse nur, wenn sie scharf ist!” Er hörte, wie es in der Laube schepperte, und kurz darauf kamen die Kollegen mit allerlei KĂŒchenutensilien zum Vorschein und breiteten sie auf dem Tisch aus.
Kurt klopfte Willi auf den RĂŒcken. “Die Soße ist nicht nur scharf, die macht auch scharf.”

Er stöpselte den Stecker fĂŒr die Kochplatte in die Außensteckdose.
Heinz bekam den Mund nicht mehr zu. Er stellte seine Ohren auf. “Scharf im Bett?”
Kurt nickte und bearbeitete die KrĂ€uter mit dem Wiegemesser. “Das ist fĂŒr die Ă€therischen Öle besser, als wenn du sie schneidest.”
Heinz schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. “Siehste! Hanne schneidet sie immer. Kein Wunder, dass sich da nichts mehr bei mir regt, Ă€h, ja.” Nun hielt er sich die flache Hand vor den Mund. Zu spĂ€t, es war ihm nun herausgerutscht.
“Was raus muss, muss raus, Heinz, aber ich stehe eher auf Fleisch. Saftiges Muskelfleisch vom Jungbullen!” Willis dröhnendes Lachen ließ die Pappeln erzittern. “Bis jetzt konnte sich mein MĂ€dchen jedenfalls nicht beklagen.”
“Angeber”, zischte Heinz und nahm einen großzĂŒgigen Schluck aus seiner Bierflasche. “Ich habe doch gesagt, dass ich kein Fleisch mehr essen darf.”
Kurt goss Öl in die Pfanne. “Olivenöl wĂ€re zwar besser, aber auf jeden Fall ist Pflanzenfett gesĂŒnder als tierisches, weil das die Venen verklebt. Sie werden immer enger und lassen nicht mehr genug Blut durch.” Er tippte Heinz auf die Brust. “Und wenn dein Schniedel nicht mehr genĂŒgend durchblutet wird, was passiert dann?”
Heinz zuckte mit den Schultern.
“Dann passiert nichts mehr! Da regt sich nichts.”
“ Aha. Und das hilft?”, argwöhnte Heinz.
“Wichtig ist, dass das Öl nicht zu stark erhitzt wird, nicht höher wie hundertsechzig Grad, sonst werden krebserregende Stoffe freigesetzt.” Er rĂŒhrte die KrĂ€uter ins Fett hinein.
“Einhundertsechzig Grad? Mensch, Jungs! Da haben wir aber frĂŒher am Hochofen ganz andere Temperaturen ausgehalten!” Willi gönnte sich am Grill auch einen Schluck Bier.

* * *

“Und nun noch meine leckere afrodiagonale Soße ĂŒber die Steaks.”
Heinz zierte sich, ließ sich aber ĂŒberreden.
Just in dem Moment kam Hanne um die Laubenecke.
“Heinz! Weder Fleisch noch Bier hat der Doktor gesagt!”
Dem Ertappten fiel vor Schreck die Gabel aus der Hand.
Willi und Kurt beschwichtigen sie, es sei eine Ausnahme, weil Kurts Tunke heute was Besonderes sei.
“So? Lass mal probieren.” Sie zog den Teller ihres Mannes zu sich heran und begann zu essen.
“Das ist nur was fĂŒr MĂ€nner!” Heinz stand abrupt auf, stieß gegen den Tisch, Flaschen und Besteck fielen klirrend zu Boden. Er zog seiner Frau den Teller weg, lief in den hinteren Teil des Gartens, schmiss das Essen samt Teller auf den Kompost, warf sich auf die Knie ins KrĂ€uterbeet, riss wahllos KrĂ€uter heraus und stopfte sie sich in den Mund.
“Bist du verrĂŒckt geworden?” Hanne lief zu ihm. “Benimmst dich ja wie ‘n Karnickel.”
Die Kollegen eilten auch zum Beet. “Mensch, Junge, was soll das?”
Willi zog ihn hoch. “Was ist in dich gefahren?”
Heinz riss sich aus der Umklammerung seines Kollegen, ging mit erhobenen Zeigefinger auf seine Frau los und schrie mampfend: “Dass ich im Bett besser bin als dieser breite Sporttrainer, werde ich dir beweisen!” Und lief zur Gartenpforte hinaus.
Hanne blickte in vier mÀnnliche Augenpaare, die immer so schauen wie sie gucken, wenn sie was ausgefressen haben.
“Und?”, fragte sie mit einem gewissen Wimpernaufschlag.
“Was?”
“Was und?”
“Warum stopft Heinz KrĂ€uter in sich hinein? Und wie kommt er auf die Idee, ich steige mit meinem Trainer ins Bett, wo ich doch einen weiblichen Trainer habe?”
“Du hast eine Trainerin?”, fragten Beide gleichzeitig.
Sie nickte. “Habt ihr Heinz etwa einen Floh ins Ohr gesetzt?”
“Nö, es ist nur so, Kurts Soße ist ausschließlich was fĂŒr echte MĂ€nner, oder solche, die es werden wollen”, erklĂ€rte Willi.
“Quatsch! Willi! Was erzĂ€hlst du denn da. Das war eine scharfe Soße. Nichts fĂŒr Frauen. Nicht dein Geschmack.”
Willi nickte eifrig zustimmend und konnte ein Lachen nicht unterdrĂŒcken. “Die SchĂ€rfe Afrikas ist da drin wegen der KrĂ€uter.”
Kurt trat ihn auf den Fuß. “Lass gut sein. Ist nur Petersilie, Dill und Schnittlauch drin. FĂŒr Heinz war sie aber zu scharf wegen dem Pfeffer, sind auch zu viele Purine drin, deshalb hat er das Essen weggeschĂŒttet.”
Willi nickte nun eifrig zustimmend. “So war ‘s.”
Sie stupfte ihren kleinen Finger in die Pfanne, schleckte ihn ab und verzog das Gesicht. “Ist wirklich ĂŒberwĂŒrzt.”
Gerade wollte sie die Mannsbilder zum AbrĂ€umen und AbspĂŒlen verdonnern, da klingelte ihr Handy. Es war Heinz.
“Komm sofort nach Hause”, flĂŒsterte er, “der Sekt steht schon neben dem Bett. Und in Zukunft wirst du KrĂ€uter nie mehr schneiden, sondern wiegen, dann wirken sie Afrikadiabetisch.”
Ihr fiel das Handy aus der Hand.

©anne zeisig, version ZWEI

Letzte Aktualisierung: 11.03.2014 - 19.35 Uhr
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