Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
Lukas blÀtterte in seinem Sammelordner.
âWie wunder-wunderschön sie istâ, flĂŒsterte er und knabberte an seinen FingernĂ€geln.
Zuzanna-Alina! DAS Top-Model!
Er hatte alle Fotos, welche er nur irgendwie aus der Yellow-Press ergattern konnte, abgeheftet.
Sanft strich er ĂŒber die Abbildungen.
Diese langen Beine. Geschickt in Szene gesetzt mit hochhackigen Schuhen und schwarzen NetzstrĂŒmpfen. Auf dem nĂ€chsten Bild sind sie in weiĂen, unschuldigen KniestrĂŒmpfen zu sehen.
Er sah sie vor sich, wie sie anmutig ĂŒber den Catwalk stolzierte, ihre zarte Figur von Roben umschmeichelt wurde.
Ihr unbewegliches Gesicht. Die stolze Mine eingefroren.
Aus Porzellan.
Das schwarze Haar streng zu einem Nackenknoten frisiert.
Schwarzblau und glÀnzend.
âWas fĂŒr eine Frau!â
Eine unnahbare Grazie.
Nicht aus Fleisch und Blut.
Unerreichbar und makellos.
Behutsam schloss er den Ordner und stellte ihn in den Schrank, als sei sein Inhalt zerbrechlich.
* * *
Lukas war neu in der GroĂstadt. Sein WG-Genosse, sie teilten sich eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit KĂŒche, hatte ihn gedrĂ€ngt, endlich mal auszugehen.
âDas ist âne angesagte Szene-Kneipeâ, erklĂ€rte er.
Lukas sah sich um. Am roten Lacktresen mit Chromreling stand ein GrĂŒppchen laut kichernder Frauen. Sie nippten an farbenfrohen Drinks.
âMöchtegern Darstellerinnen von gegenĂŒber. Schauspielschule.â
Viel war hier nicht los.
âUnd die da hinten?â Lukas zeigte auf ein MĂ€del, welches im hinteren, dunkleren Teil des Lokals an einem Einzeltisch saĂ. Sie blickte gedankenverloren ins Leere.
Sein WG-Kamerad zuckte mit den Schultern. â ân Aktmodell ist die jedenfalls nichtâ, er grinste breit, âdafĂŒr hat sie zu wenig Kurven und auch kein Holz vor der HĂŒtten.â
âDu stehst auf FĂŒllige?â
âEs geht nicht darum, auf was ich stehe. Es geht darum, dass man nur das zeichnen kann, was man sieht. Du verstehst?â
Er verstand nicht.
âRUNDUNGEN! Ausladende Formen! Schwungvolle, runde Pinselbewegungen!â Der Freund malte mit den HĂ€nden Kreise und Ovale in die Luft, bildete die Form eines Cellos nach.
âAhaâ.
âBrust, Taille, Po, BĂ€uchlein, das macht eine Frau doch aus. Oder? So eine weibliche Figur strahlt Fruchtbarkeit aus. Und genau darauf fahren wir MĂ€nner unbewusst ab.â
Nicht Lukas.
Er liebte Zusanna-Alinas Knabenfigur. Allenthalben tolerierte er, wenn sich am oberen Rand ihres Dekolletees als einzige Erhebung zarte Rippen andeuteten.
Sein Begleiter knuffte ihn in die Seite. âDie da in der Mitte. Am Tresen. ân biĂchen weniger Bauch und sie hĂ€tte die Idealfigur.â
âAls Aktmodell?â
âJau. Aber auch fĂŒrs Bett.â
âDie lacht zu lautâ, stellte Lukas fest.
Sein Freund flĂŒsterte. âWenn die mit mir auf der Matratze liegt, lacht sie nicht mehr, das kannst du mir glauben. Dann jauchzt sie.â
Lukas wandte sich ab. FĂŒr ihn war nicht vorstellbar, mit einer Frau ins Bett zu steigen, die er nicht vergötterte.
Eine Frau musste unnahbar sein. MĂŒsste sich erobern lassen. Ihre glatte, eisige OberflĂ€che mĂŒsste langsam zum Schmelzen gebracht werden.
Sein Freund hatte sich wider Erwarten zu der einsamen, vertrĂ€umten Lady an den hinteren Tisch gesetzt, flirtete ĂŒbertrieben, nestelte an ihren blonden Locken und legte eine Hand auf ihr Knie. Sie blickte verstohlen um sich. LĂ€chelte leise.
âWas fĂŒr ein unscheinbares blasses HĂ€ufchen Frau sie doch istâ, dachte Lukas, stand auf und ging.
* * *
âNicht mein Typ, aber im Bett ist die abgegangen wie âne Granate!â
Lukas hatte die gesamte Nacht kein Auge zubekommen. âIch hab âs gehört.â
Sein Freund klopfte ihm auf die Schulter. âSorry, Kollege, aber so sind die prominenten Weiber. Wenn die sich unters gemeine Volk mischen, lassen sie so richtig die Sau raus.â Er klopfte sich mit der flachen Hand auf den Mund. âAber ich kann schweigen wie ein Grab.â
âProminent?â
âAlter! Ich hab sie zuerst ja auch nicht erkannt!â
âWen nicht erkannt?â
âNa! Die dĂŒrre Blonde!â
âDas war âne bekannte Persönlichkeit?â Lukas ging in Gedanken die Yellow-Press durch.
Sein Kollege blickte sich in der KĂŒche um, als könnten dort Wanzen versteckt sein und wisperte Lukas ins Ohr. âIst dir der Name Zuzanna-Alina ein Begriff?â
FĂŒr einen Moment begann sich die KĂŒche um Lukas zu drehen.
Er sprang hoch. âAber die ist nicht blond und sieht wesentlich attraktiver aus!â
Sein WG-Genosse legte eine Autogrammkarte auf den Tisch. âLies selbst!â
âFĂŒr-FĂŒr-FĂŒr mei-mein-nenâ, die Buchstaben verschwammen vor Lukas Augen. Er wollte nicht weiterlesen.
âKlar! Auf der Card ist sie geschminkt und trĂ€gt âne PerĂŒcke, das verlangt ihr Berufâ, er ging ins Bad. âFindest du nicht auch, dass sie privat viel hĂŒbscher aussieht? NatĂŒrlicher und zugĂ€nglicher!â
Lukas ging in sein Zimmer, nahm den Sammelordner aus dem Schrank und warf ihn aus dem Fenster.