Das alte Buch Mamsell
Das alte Buch Mamsell
Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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Schön sein | August 2014
Bruchstücke
von Klaus Freise

Seine Nachbarn:
„Also, ich sag ihn was: Das war ein armes Schwein. Von Anfang an. Seine Mutter hat ihm ja mal eine mit der heißen Bratpfanne verpasst. Dabei sah er ja schon mit der Hasenscharte schlimm genug aus. Aber, Mann, wir sind hier in der Bronx. Glauben Sie, hier hat irgendwer Geld, umso einen Jungen zum Arzt zu schleppen? Da oben im zweiten Stock ham die gewohnt. Der Alte ist ja als Penner, auf ner Parkbank im Battery-Park verreckt. Seine Mutter hat immer nur rumgekreischt. Floyd, du Nichtsnutz. Monster, komm her. Tja, irgendwann is sie dann im Suff die Treppe runter. Da hamse ihn in ein Heim verfrachtet.“

Die Heimleitung:
„Natürlich war es nicht einfach für Floyd. Ständig tuschelten die anderen Kinder über Ihn. Er wollte zu den Mahlzeiten nicht den großen Saal betreten. Er wurde immer aggressiver, schließlich trennten wir Ihn von den anderen. Er widmete sich immer mehr der körperlichen Ertüchtigung, sehr zum Leidwesen unserer Bediensteten. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass wir trotz seiner Intelligenz keine Pflegefamilie für Floyd fanden. Unser Prof. Dr. Helvetius hat sogar eine Abhandlung über Floyd Peavis verfasst, die, wie ich mit einem gewissen Stolz bemerken darf, internationales Ansehen erlangte.“

Der Doktor:
„Floyd Peavis Defizite im Sozialverhalten und die Reaktion der Umwelt auf sein physisches Erscheinungsbild führten immer wieder zu gewalttätigen Ausbrüchen. Ich denke dies dürfte auch sein … nun, nennen wir es ruhig autistisches Verhalten erklären. Bevor ich Mittel wie z.B. Haldol zur Anwendung bringen konnte … nun ja, da hatte er uns bereits …äh, verlassen. Also schön, wenn Sie es so nennen wollen … er ist, ähem dann geflohen.“

Die Polizisten:
„Scheiße Mann, ich kann Ihnen sagen, das war vielleicht eine Nacht. Als wir den Kerl geschnappt haben, war gerade diese schreckliche Sache mit den beiden Kindern passiert. Jules und Joyce, die man an der Bahnstrecke nach Jersey gefunden hatte. Die von der Anstalt in Hoboken hatte gesagt dieser Peavis sei son Perverser, der bei ihnen ausgebrochen war. Na, wir haben ihn dann in einem verlassenen Eisenbahntunnel aufgegriffen. Natürlich hat er sich gewehrt und wir konnten ja auch so schnell keine Verstärkung bekommen. Tja, da haben wir ihn uns natürlich ordentlich zur Brust genommen. Erst viel später haben wir gehört, dass die beiden Kinder von nem vorbeifahrendem Zug erfasst wurden. War dann schon frustrierend, zu erfahren, dass wir den Falschen vermöbelt hatten. Aber zum Glück konnte unser Captain den Einsatz irgendwie runter spielen.“

Der Direktor:
„Tja, Floyd Peavis meinen Sie? Ja, der hat hier in unserer Anstalt eine recht bemerkenswerte Karriere hingelegt. Er war damals aus der Besserungsanstalt in Hoboken, New Jersey geflohen. Mann, ich kann Ihnen sagen, das war nicht leicht. Er schlug fast jeden Mitgefangenen eine aufs Maul, bloß weil der ihn zu lange angestarrt hatte. Irgendwie hatte ich schon befürchtet, ich müsste Floyd isolieren, aber da hat dann unser Anstaltspfarrer Pater Meeks mal ein ernstes Wörtchen mit ihm geredet. Floyd wollte nichts mit den anderen Häftlingen zu tun haben. Also, allgemein nicht mit Menschen, wenn Sie verstehen, was ich meine? Na, jedenfalls steckte der Pater Floyd dann in die Gefängnisbücherei. Da hatte er, und wir natürlich auch, dann seine Ruhe. Ich meine, welcher Gefangene geht schon in die Bücherei? Wie auch immer, er fing dann an zu lesen. Irgendwann kam Pater Meeks und bat um mehr Bücher. Floyd hatte nach sechs Monaten alles mit Buchstaben drauf durchgelesen.
Tja, und dann fing er irgendwann an, selbst zu schreiben.
Ach, ja, die Sache mit der Behandlung. Ja, das war so. Also, der Sohn von unserem Anstaltsarzt Dr. Hefflin studierte gerade an der Columbia. Er wollte Chirurg werden, kein einfacher Anstaltsarzt, wie sein Vater. Na, jedenfalls war er dann mit dem Studieren fertig. Er kam dann ein paar Wochen zu seinem Vater hierher. Irgendwann sah er dann Floyd und peng. Na, also wie soll ich sagen, er hat dann Floyd für irgend so ein Sonderprogramm vorgeschlagen. Er glaubte wohl, Menschen mit einem normalen Gesicht könnten auch schneller wieder in die Gesellschaft integriert werden oder so. Nach der Operation soll Floyd sogar geheult haben, ich meine, es war schon ein kleines Wunder, was die aus seinem entstellten Gesicht gemacht haben.“




Nachrichtensprecherin:
„Heute starb im Alter von achtundachtzig Jahren der berühmte Kinderbuchautor Floyd Peavis. Peavis gewann unter anderem für seinen Roman „Das große Abenteuer“ diverse Buchpreise. Der zurückgezogen lebende Schriftsteller erlag einem Herzanfall in seinem Haus auf Coney Island. Seine Bücher wurden in vierzehn Sprachen übersetzt und weltweit über vierzig Millionen Mal verkauft.“

Letzte Aktualisierung: 15.08.2014 - 18.41 Uhr
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