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Verdorben | November 2014

Verdorbenes muss weggeworfen werden !-?
von Glädja Skriva

Hallo, Leute. Ich bin David. König David von Israel. Und trotzdem bin ich einer von Euch, ein Bürgerlicher, ein ehemaliger Schafhirte. Wie der steile Aufstieg dennoch möglich war? Nun, das ist eine Geschichte für sich. Die erzähle ich Euch ein anderes Mal.

Auf jeden Fall war ich jetzt ganz „oben“. Gott hat mir den Weg dorthin freigemacht. Es war nicht einfach, an die Spitze zu gelangen. Aber ich vertraute Gott. Ich fragte ihn in allen Dingen um Rat. Ich war ihm immer gehorsam. Ich war ein Vorbild für mein Volk bis …

ja, bis ich Bathseba im Nachbarhof entdeckte. Sie badete dort nackt. Angefangen hatte alles damit, dass ich es langsam überdrüssig war, stets der pflichtbewusste, kühl überlegende König zu sein. Wo blieben meine Emotionen, die ich in meiner Jugendzeit im wohlklingenden Harfenspiel ausdrückte? Wo blieben meine Gefühle, die sich bis zur Ekstase steigern wollten? Ich werde es nie vergessen, wie ich vor der Bundeslade Gottes in einen tranceartigen Tanzrausch verfiel. Aber als Michal, meine erste Frau, mich so sah, rügte sie mich scharf. Ich empfand es, wie plötzlich kaltgestellt geworden zu sein.

Und nun sah ich Bathseba, nackt badend. Sie hatte meine Leidenschaft wieder entzündet und ich würde sie in Brand setzen. Ungeduldig ließ ich sie rufen.

Wir vergaßen uns völlig und auch die Folgen, die daraus entstehen könnten. Bathseba wurde schwanger. Aber ich war ein großzügiger König. Ich wollte dieses „Kuckucksei“ Bathsebas Mann Urija ins Nest legen. Er und Bathseba sollten nicht beschämt werden. So erteilte ich Urija Heimaturlaub von der Front, um nach Hause zurückkehren zu können. Doch wie entschied sich dieser pflichtbewusste, übereifrige Heeresangestellte? Statt mit seiner schönen Frau zu schlafen, verblieb er im Soldatenlager. So sah ich mich gezwungen, zu anderen Mitteln zu greifen. Da dieser Urija als besonders mutiger Krieger gelten wollte, schenkte ich ihm die Gelegenheit, dies seinem König zu beweisen und schickte ihn an die vorderste Front. Und dabei kam er eben um.

Alles lief jetzt wieder in geregelten Bahnen: Ich heiratete Bathseba und sie wurde meine rechtmäßige Frau. Mit ihr freute ich mich auf unser erstes, gemeinsames Kind. Ich beruhigte mich: „Segnete mich Gott nicht offensichtlich in unserem gemeinsamen Nachwuchs? Hatte ich das nicht auch verdient, da ich mich weiterhin in allem strikt nach Gott ausrichtete?“

Doch ich hatte einen Psalmvers vergessen, den ich selbst aufgeschrieben hatte: „Gott führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.“

Eines Tages sprach der Prophet Nathan bei mir vor. Er präsentierte mir eine Fabel … die mich wie ein Speer mitten ins Herz traf. Gott wusste um den Tod Urijas und wer sein Mörder war. Nein, nicht nur der, der ihn im Kriegsgetümmel niedergestreckt hatte. Ich, ich hatte bewusst Bathsebas Mann in die Todesfalle gelockt, in der er sterben musste. Ich war … ein … Mörder!

Ich wusste genau, was mit Mördern passiert. Ich selbst hatte den Tod über den Mörder von Saul und Jonathan verhängt, ebenso wie über den Mörder von Abner und auch von Sauls Sohn, Isch-Boschet. Gott würde nun auch mich meiner gerechten Strafe zuführen und das Todesurteil über mich sprechen. Nichts mehr hatte ich zu verlieren. So konnte ich zu der Wahrheit stehen, dass ich, ein angesehener, vorbildlicher, gottesfürchtiger König ein listiger, hinterhältiger, elender Mörder war. Gott sah mein Herz an. Er sah, dass ich das erste Mal seit langer Zeit wieder ehrlich war zu mir und zu ihm und, dass ich tief bereute. Das war mein erster Schritt auf rechter Straße. Neues Leben regte sich wieder in mir. Ein Leben, das mir Gott noch einmal schenkte.

Aber dann erschrak ich zutiefst, als ich von Gott hörte, dass ein Mord nicht ungesühnt bleiben durfte. Deshalb sollte unser gemeinsames Kind, Bathsebas und mein Sohn, kurz nach seiner Geburt sterben. Man stelle sich das vor: ein kleines Kind, völlig unschuldig, musste sterben … wegen mir! Wie konnte Gott so handeln? Alles in mir bäumte sich auf.

Tausende Jahre später starb wieder ein Sohn, unschuldig und dennoch verurteilt. Wieder von Gott so entschieden. Wieder die Last eines Schuldigen auf die Schultern eines Unschuldigen gelegt und mit dem Todesurteil besiegelt. Wie grausam bist du, mein Gott.

Da schaute mich Gott an und sprach erneut den Psalmvers zu mir: „Ich führe dich auf rechter Straße um meines Namens willen.“ Ich kann nicht anders, lieber David. Ich, ein Gott der Liebe, bin der, der ich bin. Ich muss mir treu bleiben, auch wenn du zum Mörder geworden bist. Ich kann nicht anders als dich zu lieben; dich, David, in gottesfürchtigen Zeiten, aber auch an diesen Tagen, an denen du selbst über die Abgründe deines Herzens erschrickst. Und weil ich dich liebe, will ich dir das Leben schenken … obwohl du den Tod verdient hast. Ich suche verzweifelt nach Möglichkeiten, die dich am Leben erhalten und das furchtbare Todesurteil von dir fernhalten … bis … mein eigener Sohn sich unter dein Todesurteil beugt und ich unter Tränen annehme … um dir das Leben schenken zu können.



© P.S./Glädja Skriva/November 2014/Endversion

Letzte Aktualisierung: 16.11.2014 - 10.54 Uhr
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