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Wen(n) wir lieben | Dezember 2014

I Put A Spell On You
von Helga Rougui

Die Frau, süß vergiftet im Wind, taumelt versteckte Pfade entlang durch das dichte Grün verwehter Blüten. Der Wald, das Dickicht. Schmetterlinge gespießt auf Dornen. Herzblut.
Sie ruft jedem Baum zu, daß der Wolf sie begehre.
Der Wolf, unbeirrbar im Herzen, unbezwingbar, erschaffen, sie durch den Veilchenhauch seines Atems zu verwandeln.
Doch die Bäume stehen schweigend, recken ihre uralten gichtigen Äste unverständig in die schweren Wolken und starren schlecht gelaunt über sie hinweg, als wäre sie krank oder als spräche sie Mandarin.
- Spot an, ruft sie, als sie merkt, daß es vergeblich ist, Wesen ohne Hirn und Herz und Hoden entzünden zu wollen, sei auch das Holz noch so willig - und ein weißer Lichtkegel enthüllt ein silbernes Schwert, das daliegt im Moos, breit und gewaltig, gleichsam lauernd.
Die Frau tritt heran, beugt sich vor und streicht behutsam mit einem Finger über die flache Seite. Sie beugt den Kopf tiefer, eine schwarze Locke berührt die Schneide, wird abgetrennt mit Leichtigkeit, schwebt zum Himmel, das Schwert zuckt, vibriert, erwacht zum Leben.
- Wirst du mich stechen? flüstert die Frau.
- Ja, ich werde dich durchbohren, erwidert die Waffe ernst. Es wird dir gefallen.

***

Nach einer Weile Wegs, während sie das Schwert aus den Augenwinkeln fixiert, das ihr geduldig, aber unerbittlich folgt, kommt sie an eine Lichtung, in der sich der Sterne Glanz ballt, um sich in und um sie silbern zu ergießen.
Solchermaßen gehärtet und imprägniert gegen alle Zweifel, schwelt sie innerlich wie eine von neuem aufgebrochene dunkelrote Frucht. Sie wehrt sich nicht, als das Schwert sich nähert und die zarte Haut an ihrer Kehle ritzt.
Sie umfaßt mit der Hand die Klinge, zieht sie zu sich heran, der Schnitt wird tiefer, errötet, verströmt.
Eine Lache bildet sich zu ihren Füßen, ihre Zehen tauchen ein in die warme Flüssigkeit.
- Es ist genug, sagt das Schwert. Warte. Du mußt warten lernen.
Die Frau läßt nicht los, die Klinge schneidet ihre Finger, Feuchte rinnt.
- Ich habe gewartet. Es ist genug.
Das Schwert nickt, versteht, verneint.
- Bald.

***

Das Blut an ihren Zehen ist getrocknet. Den Saum ihres langen weißen Kleides ziert ein rostroter Streifen. Die Frau schlummert, den Körper an die scharfe Klinge geschmiegt, die ihr wie selbstverständlich das Fleisch zerteilt noch im Schlaf.
Das Sternensilber schützt sie und verrät sie, vereint sich mit dem Silber des Schwerts.
Sie ist ebenbürtig. Sie kann erwidern.
Sie schmilzt im Feuer des nahenden Raubtiers.

***

Denn endlich erscheint er. Der, von dem sie will, daß er kommt.
Der Wolf sieht, wie die Frau sich gierig aufbäumt in ihrem Widerstand. Er schürt ihr Aufbegehren und hält sie hin, noch eine Weile, zu seinem Vergnügen.
Er wird sie reißen, wenn es Zeit ist, und Zeit spielt keine Rolle.
Nur das flüssige Silber zählt, das sich ergossen hat in sie wie in eine endlich erklingende Schale und das ihre Gestalt von Kopf bis Fuß umhüllt.
Das sie preisgibt ihrer Sehnsucht, verletzlich wie eine Waffe.

Der Wolf schickt seinen heißen Atem über die gleißenden Wellen, die augenblicklich erzittern. Seine grausamgrünen Augen ruhen auf ihr, lange, intensiv, kosen und zwingen, die Flamme erwacht.
Sie schlägt die Augen auf, begegnet seinem Blick und wird sich nie mehr aus ihm lösen.
... You're Mine You're Mine ...

Und das Schwert spricht:
- Nun werde ich dich durchbohren. Ich kann nicht mehr warten.

Und das will sie auch nicht, daß es wartet.
Blut wird fließen, unendlich.

Letzte Aktualisierung: 20.12.2014 - 11.06 Uhr
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