Honigfalter
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Ziele | Januar 2015
Sandaletten im Winter
von Anne Zeisig

Der alte Wagen schnaubte die Bergstraße hinauf.
Melinda klappte die Sonnenschutzblende hinunter und fuhr sich mit der Zunge ĂŒber die ZĂ€hne. “Der Spiegel ist total blind. Wie alt ist diese Kiste?”
Peters Blick ruhte konzentriert auf der Serpentinenstraße, er lĂ€chelte. “Spielt das Alter eine Rolle? Ich liebe das alte Möhrchen und ich liebe dich.”
“Du magst diese Klapperkiste?”
“Es hĂ€ngen Erinnerungen daran.”
“Deine Erinnerungen.” Ihre Stimme war belegt.
“Du hast auch deine Vergangenheit.”
Sie seufzte. “Die ist aber noch nicht so umfangreich, wie deine.”
Er nickte.
“Wir hĂ€tten auch mit meinem Wagen fahren können”, sie fuhr ihm durchs schĂŒttere Haar, “dann hĂ€tten wir spĂ€ter Erinnerungen an diese Reise in meinem Kabrio.”
“Du hast keine Winterreifen aufgezogen.”
Melinda stupste ihn leicht in die Seite. “Du hast mir ja keine Zeit gelassen. Diese Reise kam sehr ĂŒberraschend fĂŒr mich.”
Er zuckte mit den Schultern. “Die Gelegenheit hat sich halt spontan ergeben, da ist es doch einerlei, dass wir mit dem Knatterwagen fahren, ma Cherie.”
“‘ne knackige Kirsche in einem klapperigen Lieferwagen.”
“Schau lieber mal im Handschuhfach nach der Karte. Keine Ahnung, wie es weitergeht, wenn wir oben sind.”
Ihre Pupillen weiteten sich. “Willst du damit sagen, dass du weder ein I-Pod, noch ein Navi an Bord hast?”
“Sollte ich? Sicherlich hĂ€tten wir eh keinen Empfang.”
“Aber Peter” Sie blickte zum verblichenen Himmel des Autos und dann auf ihre lackierten FingernĂ€gel. “Ohne Navi finden wir diese abgelegene HĂŒtte niemals Wir werden umherirren! Irgendwann erfrieren, weil das Benzin alle ist. Ich habe mich auf dich und dein Equipment verlassen”
Er hangelte in das Handschuhfach, fischte die Karte heraus, verdrehte dabei leicht den Lenker und kam etwas ins Schlingern.
“Willst du uns umbringen?”, schrie Melinda und zupfte ihren kastanienbraunen Pony zurecht.
Nun steuerte er den Wagen wieder spurtreu und legte ihr den Plan auf den Schoß.
“Falte sie auseinander, du wirst mir den Weg ansagen. So charmant wie deine Stimme ist die des NavigationsgerĂ€tes nicht. FrĂŒher hatten wir auch keine Elektronik und sind meistens recht gut angekommen.”
“BĂ€rchen, meistens.” Sie legte ihre Hand auf seinen rechten Oberschenkel. “FrĂŒher wurde Feuer auch noch mittels Reibung erzeugt, heute benutzt man Feuerzeuge.”
Peter lachte laut. “Sooooo alt bin ich nun auch wieder nicht.” Er schob ihren Mantel hoch. “Aber WĂ€rme mit Reibung erzeugen, das ist immer noch aktuell.” Er streichelte entlang ihres Innenschenkels.
Sie gab ihm einen Klaps auf die Hand. “Behalte bloß beide HĂ€nde am Lenker. Sonst liegen wir eher im Abgrund als im Bettchen mit karierter BettwĂ€sche.”
Er brummte unwillig.
“Hoffentlich gibt es da oben warmes Wasser. Und ‘ne Dusche”
“Ich reibe dich mit Schnee ab, da wird dir schnell warm.” Er grunzte leise.
Der Schnee wurde tiefer, die Straße war nicht mehr gerĂ€umt.
“Peter, wir sind falsch”, kreischte sie abermals, “das muss der falsche Berg sein”
“Warum?”

“Hier ist nicht gestreut.”
“Je höher man auf Bergstraßen kommt, desto weniger sind sie vom Schnee befreit. Warum so sorgenvoll? Du warst von meiner spontanen Idee mit der BerghĂŒtte begeistert.”
Sie kraulte seinen Nacken. “Weil du davon geschwĂ€rmt hast und ich dich ganz fĂŒr mich alleine haben wollte.” Melinda spitzte die Lippen zu einem Schmollmund. “Sonst haben wir immer so wenig Zeit fĂŒreinander.”
“Du hast von Beginn an gewusst, dass ich verheiratet bin. Ich habe dir nichts vorgemacht.”
“Aber nun fahren wir mit diesem Ehe-Erinnerungs-Klappervehikel. Da muss ich ja eifersĂŒchtig werden.”
Er kniff seine Augenlider zusammen, denn es hatte zu schneien begonnen. “Bitte keine Eifersuchts-Szene. Wir wollen doch zwei schöne Tage haben.”
Sie lehnte sich zurĂŒck, verschrĂ€nkte die Arme vor der Brust und presste ihre Lippen aufeinander.
“Und wie geht es nun weiter?”, fragte er und schaute kurz zu ihr, bevor er seinen Blick wieder auf die Straße heftete.
“Das musst du mir sagen”, antwortete sie leise.
“Aber du hast die Karte.”
Sie zerknĂŒllte die Karte und antwortete patzig. “Guck doch selber nach.”
Peter bremste und hielt an.

Er schĂŒttelte verstĂ€ndnislos den Kopf. “Du willst mir den Weg also nicht ansagen?” Er glĂ€ttete die Karte und orientierte sich.
Sie öffnete die TĂŒr, stieg aus und zĂŒndete sich eine Zigarette an. “Brrr, ist das kalt.” Dabei trat sie von einem Fuß auf den anderen.
Er blickte auf ihre FĂŒĂŸe.
Sandalen im Winter
Melinda schlug den Kragen ihres kurzen PopelinemÀntelchens hoch.
Was hÀtte er seiner Tochter gesagt, wenn sie in diesen Sommersachen eine Winterreise angetreten hÀtte?
“Hast du wenigstens auch noch wĂ€rmere Kleidung dabei?”, rief er ihr zu. Was fĂŒr eine blöde Frage. Er war nicht ihr Vater. Er war ...
Was war er eigentlich?
Er war ihr Liebhaber.
Peter nahm einen Pfefferminz gegen den bitteren Geschmack auf seiner Zunge.
“Warmes Outfit? Ein Wochenende nackt auf dem BĂ€renfell in einer BlockhĂŒtte, wo im offenen Kamin das Feuer lodert, da benötige ich keine Klamotten” Sie warf die Kippe in den Schnee und stieg wieder ein.
Peter dachte an die an die CD’s von HĂ€ndel. Er wollte mit ihr bei Rotwein und KĂ€sebaguett die Orgelkonzerte anhören. Und er hatte sich ausgemalt, wie er morgen frĂŒh mit ihr einen Spaziergang im Schnee zur Alten Alm machen wollte. Wo sich unterwegs die Gelegenheit zu einer ausgelassenen Schneeballschlacht ergeben wĂŒrde.
Sie kĂŒsste ihn innig auf den Mund und flĂŒsterte. “Mich kannst du nicht mit Schneegestöber hinterm Ofen hervorlocken.” Sie warf ihre MĂ€hne in den Nacken und fuhr sich mit der Hand vom Kinn ihre Kehle hinunter bis zum Brustansatz. “Ich habe eine Überraschung fĂŒr dich.” Sie kicherte hĂŒstelnd und kramte aus ihrer Tasche Handschellen hervor. Sie waren mit rosa PlĂŒsch ĂŒberzogen. “Man muss der Liebe immer wieder einen neuen Reiz bieten, sonst nutzt sie sich ab.”
Ihr dampfender Atem roch nach kaltem Nikotin.

Er legte ihr den Plan auf den Schoß, stieg aus und sog die klare Luft tief ein.

Der Vollmond stand wolkenverhangen.
Der Schnee dÀmpfte die GerÀusche aus dem Tal.
Was hatten Eva und er frĂŒher in dieser Gegend fĂŒr herrliche Winterurlaube erlebt. Sie hatte stets zwei Thermoskannen heißen Tee im Rucksack fĂŒr die ausgedehnten Schneewanderungen und ein Picknick. Ihre KĂ€se-Schinken-Sandwiches schmeckten konkurrenzlos gut.
“BĂ€rchen Warum guckst du sinnlos in der Gegend herum? Fahr endlich los Mir ist kalt”

Peter setzte sich hinters Steuer und legte den RĂŒckwĂ€rtsgang ein.


© anne zeisig, version ZWEI

Letzte Aktualisierung: 20.01.2015 - 20.33 Uhr
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