Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
Der alte Wagen schnaubte die BergstraĂe hinauf.
Melinda klappte die Sonnenschutzblende hinunter und fuhr sich mit der Zunge ĂŒber die ZĂ€hne. âDer Spiegel ist total blind. Wie alt ist diese Kiste?â
Peters Blick ruhte konzentriert auf der SerpentinenstraĂe, er lĂ€chelte. âSpielt das Alter eine Rolle? Ich liebe das alte Möhrchen und ich liebe dich.â
âDu magst diese Klapperkiste?â
âEs hĂ€ngen Erinnerungen daran.â
âDeine Erinnerungen.â Ihre Stimme war belegt.
âDu hast auch deine Vergangenheit.â
Sie seufzte. âDie ist aber noch nicht so umfangreich, wie deine.â
Er nickte.
âWir hĂ€tten auch mit meinem Wagen fahren könnenâ, sie fuhr ihm durchs schĂŒttere Haar, âdann hĂ€tten wir spĂ€ter Erinnerungen an diese Reise in meinem Kabrio.â
âDu hast keine Winterreifen aufgezogen.â
Melinda stupste ihn leicht in die Seite. âDu hast mir ja keine Zeit gelassen. Diese Reise kam sehr ĂŒberraschend fĂŒr mich.â
Er zuckte mit den Schultern. âDie Gelegenheit hat sich halt spontan ergeben, da ist es doch einerlei, dass wir mit dem Knatterwagen fahren, ma Cherie.â
ââne knackige Kirsche in einem klapperigen Lieferwagen.â
âSchau lieber mal im Handschuhfach nach der Karte. Keine Ahnung, wie es weitergeht, wenn wir oben sind.â
Ihre Pupillen weiteten sich. âWillst du damit sagen, dass du weder ein I-Pod, noch ein Navi an Bord hast?â
âSollte ich? Sicherlich hĂ€tten wir eh keinen Empfang.â
âAber Peterâ Sie blickte zum verblichenen Himmel des Autos und dann auf ihre lackierten FingernĂ€gel. âOhne Navi finden wir diese abgelegene HĂŒtte niemals Wir werden umherirren! Irgendwann erfrieren, weil das Benzin alle ist. Ich habe mich auf dich und dein Equipment verlassenâ
Er hangelte in das Handschuhfach, fischte die Karte heraus, verdrehte dabei leicht den Lenker und kam etwas ins Schlingern.
âWillst du uns umbringen?â, schrie Melinda und zupfte ihren kastanienbraunen Pony zurecht.
Nun steuerte er den Wagen wieder spurtreu und legte ihr den Plan auf den SchoĂ.
âFalte sie auseinander, du wirst mir den Weg ansagen. So charmant wie deine Stimme ist die des NavigationsgerĂ€tes nicht. FrĂŒher hatten wir auch keine Elektronik und sind meistens recht gut angekommen.â
âBĂ€rchen, meistens.â Sie legte ihre Hand auf seinen rechten Oberschenkel. âFrĂŒher wurde Feuer auch noch mittels Reibung erzeugt, heute benutzt man Feuerzeuge.â
Peter lachte laut. âSooooo alt bin ich nun auch wieder nicht.â Er schob ihren Mantel hoch. âAber WĂ€rme mit Reibung erzeugen, das ist immer noch aktuell.â Er streichelte entlang ihres Innenschenkels.
Sie gab ihm einen Klaps auf die Hand. âBehalte bloĂ beide HĂ€nde am Lenker. Sonst liegen wir eher im Abgrund als im Bettchen mit karierter BettwĂ€sche.â
Er brummte unwillig.
âHoffentlich gibt es da oben warmes Wasser. Und âne Duscheâ
âIch reibe dich mit Schnee ab, da wird dir schnell warm.â Er grunzte leise.
Der Schnee wurde tiefer, die StraĂe war nicht mehr gerĂ€umt.
âPeter, wir sind falschâ, kreischte sie abermals, âdas muss der falsche Berg seinâ
âWarum?â
âHier ist nicht gestreut.â
âJe höher man auf BergstraĂen kommt, desto weniger sind sie vom Schnee befreit. Warum so sorgenvoll? Du warst von meiner spontanen Idee mit der BerghĂŒtte begeistert.â
Sie kraulte seinen Nacken. âWeil du davon geschwĂ€rmt hast und ich dich ganz fĂŒr mich alleine haben wollte.â Melinda spitzte die Lippen zu einem Schmollmund. âSonst haben wir immer so wenig Zeit fĂŒreinander.â
âDu hast von Beginn an gewusst, dass ich verheiratet bin. Ich habe dir nichts vorgemacht.â
âAber nun fahren wir mit diesem Ehe-Erinnerungs-Klappervehikel. Da muss ich ja eifersĂŒchtig werden.â
Er kniff seine Augenlider zusammen, denn es hatte zu schneien begonnen. âBitte keine Eifersuchts-Szene. Wir wollen doch zwei schöne Tage haben.â
Sie lehnte sich zurĂŒck, verschrĂ€nkte die Arme vor der Brust und presste ihre Lippen aufeinander.
âUnd wie geht es nun weiter?â, fragte er und schaute kurz zu ihr, bevor er seinen Blick wieder auf die StraĂe heftete.
âDas musst du mir sagenâ, antwortete sie leise.
âAber du hast die Karte.â
Sie zerknĂŒllte die Karte und antwortete patzig. âGuck doch selber nach.â
Peter bremste und hielt an.
Er schĂŒttelte verstĂ€ndnislos den Kopf. âDu willst mir den Weg also nicht ansagen?â Er glĂ€ttete die Karte und orientierte sich.
Sie öffnete die TĂŒr, stieg aus und zĂŒndete sich eine Zigarette an. âBrrr, ist das kalt.â Dabei trat sie von einem FuĂ auf den anderen.
Er blickte auf ihre FĂŒĂe.
Sandalen im Winter
Melinda schlug den Kragen ihres kurzen PopelinemÀntelchens hoch.
Was hÀtte er seiner Tochter gesagt, wenn sie in diesen Sommersachen eine Winterreise angetreten hÀtte?
âHast du wenigstens auch noch wĂ€rmere Kleidung dabei?â, rief er ihr zu. Was fĂŒr eine blöde Frage. Er war nicht ihr Vater. Er war ...
Was war er eigentlich?
Er war ihr Liebhaber.
Peter nahm einen Pfefferminz gegen den bitteren Geschmack auf seiner Zunge.
âWarmes Outfit? Ein Wochenende nackt auf dem BĂ€renfell in einer BlockhĂŒtte, wo im offenen Kamin das Feuer lodert, da benötige ich keine Klamottenâ Sie warf die Kippe in den Schnee und stieg wieder ein.
Peter dachte an die an die CDâs von HĂ€ndel. Er wollte mit ihr bei Rotwein und KĂ€sebaguett die Orgelkonzerte anhören. Und er hatte sich ausgemalt, wie er morgen frĂŒh mit ihr einen Spaziergang im Schnee zur Alten Alm machen wollte. Wo sich unterwegs die Gelegenheit zu einer ausgelassenen Schneeballschlacht ergeben wĂŒrde.
Sie kĂŒsste ihn innig auf den Mund und flĂŒsterte. âMich kannst du nicht mit Schneegestöber hinterm Ofen hervorlocken.â Sie warf ihre MĂ€hne in den Nacken und fuhr sich mit der Hand vom Kinn ihre Kehle hinunter bis zum Brustansatz. âIch habe eine Ăberraschung fĂŒr dich.â Sie kicherte hĂŒstelnd und kramte aus ihrer Tasche Handschellen hervor. Sie waren mit rosa PlĂŒsch ĂŒberzogen. âMan muss der Liebe immer wieder einen neuen Reiz bieten, sonst nutzt sie sich ab.â
Ihr dampfender Atem roch nach kaltem Nikotin.
Er legte ihr den Plan auf den SchoĂ, stieg aus und sog die klare Luft tief ein.
Der Vollmond stand wolkenverhangen.
Der Schnee dÀmpfte die GerÀusche aus dem Tal.
Was hatten Eva und er frĂŒher in dieser Gegend fĂŒr herrliche Winterurlaube erlebt. Sie hatte stets zwei Thermoskannen heiĂen Tee im Rucksack fĂŒr die ausgedehnten Schneewanderungen und ein Picknick. Ihre KĂ€se-Schinken-Sandwiches schmeckten konkurrenzlos gut.
âBĂ€rchen Warum guckst du sinnlos in der Gegend herum? Fahr endlich los Mir ist kaltâ
Peter setzte sich hinters Steuer und legte den RĂŒckwĂ€rtsgang ein.