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Ziele | Januar 2015

Gedanken eines Langstreckenläufers
von Hajo Nitschke

Die Schritte sind schwer geworden. Bleischwer. Zentner lasten auf den Beinen. Trotzdem: den inneren Schweinehund überwinden! Das Ziel erreichen, koste es, was es wolle. Links – rechts – Atmen: ein … aus ... Links – rechts … Lauf! Schau nur nach vorne! Lauf! Keine Gnade dir selber gegenüber! Sei ein Uhrwerk! Lauf um dein Leben. Du schaffst es. Du wirst ankommen.

Ja, du wirst. Weil du ankommen musst.

Das Ziel erreichen, danach magst du sterben: egal. Gib alles! Die Lungen stehen in Flammen.
Was soll's? Hauptsache, die Füße rennen, rennen, rennen. Mechanisch, wie von allein. Wie von einem eigenen Motor getrieben, während der Herzschlag stolpert und es in der Seite sticht wie mit Messern. Ein Albtaum jede Unebenheit. Erholung bieten sanftere Abschnitte. Könnten mehr sein!

Weiter. Immer weiter.

Schon so lange gelaufen! Die Rennschuhe längst gealtert (du auch). Keine Siebenmeilenstiefel mehr. Wund die Füße. Aber sie hasten vorwärts. Reißen deine Beine mit. Die Blasen brennen wie Höllenfeuer. Du ringst nach Atem, saugst kochend heißen Stahl ein. Bist am Ende. Brauchtest längst mal wieder ein besseres Teilstück. Wie weit noch? Wie lange? Eine Ewigkeit.

Und dann – die zweite Luft!

Momentan keine Stöße mehr auf hartem Pflaster. Angenehmer Grund, federnd. Balsam für diese zwei Lebewesen, die immer noch deine Füße sind. Vergiss die Schmerzen, auch die endlos lange Strecke hinter dir, auf der schon Mancher weit vor der Zeit zusammenbrach. Dieser Lauf: eine in keinen offiziellen Wettkampfregeln verzeichnete Disziplin! Linker Fuß. Rechter Fuß. Ein … aus.

Links – rechts – links – rechts …

Verlier deinen Rhythmus nicht! Halte das Mantra ein. Links. Rechts. Jetzt nicht schlapp machen! In der Ferne siehst du schon die Tore. Ahnst den Jubel der Menge. Aber auch die Bahn hier unterwegs gesäumt von spalierbildenden Zuschauern. Viele begeistert. Feuern dich an. Andere pfeifen dich aus. Die Massen am Ziel werden dich jubelnd empfangen, deine Leistung würdigen: durchhalten!

Jetzt hol alles aus dir raus, Nummer Vierzehn. Jetzt, jetzt.

Die Schritte stampfen und trommeln. Da! Die Aschenbahn! Die letzten Kurven und Geraden. Nur nicht das Staffelholz verlieren! Nummer Fünfzehn wartet schon fieberhaft. Trippelt bereits ungeduldig an, die Hand nach hinten gestreckt. Die Menge rast, die Menge tobt. Keine Feier, sondern Explosion! Du fliegst heran. Staffelholz vor! Nur noch Sekunden. Und jetzt ...

… Geschafft!

Der Jubel schwillt an zum Orkan. Du bist am Ziel. Und bist am Ende. Brichst zusammen. Ausgelaugt. Kein Auslaufen. Macht nichts: Dort vorne geht es mit frischen Kräften los. Mit deinem Staffelholz. Du fühlst dich vergreist, wie ein fallendes Herbstblatt im Wind. Der Applaus der Zuschauer gilt jetzt dem nächsten Läufer. Du hörst noch schwach die Vorwärts-Rufe. Dann Stille.

Aus. Klappe.





Das Jahr läuft auf Asche, in alternden Schuhn
nach vorne getrieben. Kein Rasten noch Ruhn.
Es spürt seine Lungen brennen.
Die Füße aber, sie rennen.
Die Füße so müde, die Beine so schwer:
sie ziehn so viel Tage hinter sich her.
Die Zielgerade noch. Ein Feuerwerk grell!
Die Zuschauer jubeln, schon ist es zur Stell'.
Nur schnell, nur schnell!

Das neue Jahr trabt bereits vorsichtig an:
fabrikneue Spikes auf geebneter Bahn.
Das Staffelholz reicht ihm das alte,
das fest es das neue Jahr halte.
Und dieses beschleunigt, die Röcke gerafft,
fliegt leichtfüßig vorwärts, hat viel zu viel Kraft.
Den Greis kehrt hinweg ein Entsorgungstransport.
Der Jüngling jedoch, er verlässt diesen Ort.
Stürmt fort, stürmt fort!



(c) Hajo Nitschke, 01.01.2015 (V2 vom 17.01.15)

Letzte Aktualisierung: 18.01.2015 - 10.13 Uhr
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