Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
Lucie, bepackt mit einigen EinkaufstĂŒten, klingelte bei ihrer Freundin an.
Diese öffnete ihr im Bademantel.
âBist du krank?â
âNein, Ă€h, ichâ, Melissa ordnete mit den HĂ€nden ihr zerwĂŒhltes Haar, wendete ihren Kopf und blickte die Treppe des Reihenhauses hinauf. âIch habe Kopfweh.â
Sie wollte die Freundin abwimmeln, aber Lucie war flink an ihr vorbei gehuscht und hatte es sich im Wohnzimmer bequem gemacht.
Sie nestelte an einer TĂŒte und zog den Inhalt heraus. âNa? Was sagst du? Das macht doch bestimmt aus einem lahmen Ochsen einen Hengst.â Sie lachte gequĂ€lt und hielt ihrer Freundin ein schwarzes Spitzendessous entgegen.
âStierâ, verbesserte Melissa und massierte sich demonstrativ die SchlĂ€fen.
âIst ân Stier noch wilder als ein Hengst?â
âDu kannst ein Pferd nicht mit einem Rind vergleichen.â Auch sie setzte sich nun.
âIch will von dir wissen, ob Bernd mich mit diesem Outfit sofort auf dem KĂŒchentisch vernascht, oder nicht. Mit dem Teil mĂŒsste bei uns doch endlich wieder die Post abgehen.â
Melissa kratzte sich an der SchlĂ€fe. âIch bin derzeit nicht die richtige Ratgeberin.â
Lucie knuffte Melissa in die Seite. âNun tu nicht so, als wenn du keine Lingerie zum Aufheizen benutzen wĂŒrdest! Du! Singlefrau! Und nie âne KostverĂ€chterin!â
Ihre Freundin stand auf und blickte aus dem Fenster. âVielleicht benötigen Mann und Frau mehr im Leben als aufreizende WĂ€sche?â
âAch! Seit wann bist du philosophisch angehaucht? Oder willst du mir sagen, dass mein Bernd, ein bodenstĂ€ndiger Handwerker, nicht empfĂ€nglich ist fĂŒr eine hĂŒbsche Verpackung an seiner Ehefrau?â
âPasst da ĂŒberhaupt dein ĂŒppiger Busen hinein?â Sie setzte sich wieder, strich sich fahrig durchs Haar.
Lucies Augen fĂŒllten sich mit TrĂ€nenflĂŒssigkeit.
Die Freundin nahm sofort ihre Hand. âOh nein! Entschuldige! So habe ich das nicht gemeint!â
âIst schon gutâ, schluchzte Lucie, âdu hast es nicht böse gemeint. Du musst ja auch nicht jeden Tag in den Spiegel schauen und . . . â Sie schniefte in ihr Taschentuch, atmete tief durch und nahm ihre linke Brust in eine Hand. âEs wird Zeit, dass mein Gatte zumindest der verbliebenen mehr Aufmerksamkeit schenkt als seiner Bohrmaschine im Keller.â
Sie blickte an Melissa hinunter, die nie ĂŒber A-Cups nie hinausgekommen war.
âIch mĂŒsste fĂŒr Silikon âne Menge Geld hinblĂ€tternâ, antwortete die Freundin, als habe sie Lucies Blick entsprechend gedeutet.
âAber du hast zwei gesunde BrĂŒste. Sei dankbar dafĂŒr.â
âBin ich auch, aber wenn deine Brust wieder aufgebaut worden ist, wirst du dich viel besser fĂŒhlen.â Melissa stand auf. Sie wollte endlich, dass die Freundin geht. âLucie, ich sagte ja bereits, dass . . . â
Aber die Freundin unterbrach sie. âWir hatten immer eine gewisse Leichtigkeit im Bett, wenn du verstehst, was ich meine. Mit Humor konnten wir stets einige sexuelle MissverstĂ€ndnisse bereinigen. Mit Humor kann man eher sagen, was man will, oder nicht, ohne den Partner unter Druck zu setzen. Seit dieserâ, sie stockte kurz, âAmputation lastet unser gesamtes Leben zentnerschwer auf uns.â Sie weinte laut auf.
Melissa stand auf. âTut mir leid, sei mir nicht böse, aber mein Kopfâ, sie zeigte hinauf. âWĂŒrde mich gerne wieder hinlegen. Du kommst hier einfach so unangemeldet vorbei und ĂŒberrumpelst mich.â
âOkay, tut mir leid, aber vorher will ich das Teil anziehen und dir vorfĂŒhren. Es dauert nicht lange, versprochen.â Sie sprang auf. âDeine Meinung ist mir so wichtig!â
Melissa hielt sie am Arm zurĂŒck. âBitte! Nicht heute.â
Nun weinte Lucie abermals. âUnd wenn er âne Andere hat?â Sie sank wieder in den Sessel.
âLieĂe er sich denn von dem Teil auf Dauer beeindrucken? Willst du ihm tĂ€glich den Vamp vorspielen? Bist du das wirklich? Du warst das vor der OP nicht und wirst es auch jetzt nicht sein.â
âAber ich sehe doch, dass er anderen Ărschen hinterherguckt.â, kreischte Lucie, âund in andere Ausschnitte stiert!â
Melissa ging nervös im Zimmer auf und ab. âEr guckt sich andere Hinterteile und BrĂŒste an?â
Lucie nickte und putzte sich wieder die Nase. âHabe mich sogar letztes Wochenende einen Abend mit einem Pornofilm arrangiert, weil ich dachte, das mache ihn womöglich an.â
âWie hat er denn darauf reagiert?â Nun benötigte Melissa einen Schnaps. Sie stellte auch der Freundin ein Glas hin und trank selbst sofort ein zweites.
âĂrgerlich ist er geworden. Meinte, ich sei bescheuert und hat das Haus verlassen. Keine Ahnung, wo er war. Eine Fahne hatte er jedenfalls nicht, als er heimgekommen ist.â
Sie schluchzte immer noch. âFĂŒr die Pornos, die Dessous und die Schuhe habe ich fast fĂŒnfhundert Euro bezahlt! Wenn Bernd das erfĂ€hrt, killt er mich! Dann ist auch Schluss mit Kuscheln.â
âEr kuschelt mit dir?â Melissas Stimme vibrierte.
Lucie schnĂ€uzte sich wiederholt. âWarum nicht? Nach diesem Vorfall hat er mich sogar mit der Hand befriedigt. Aber reicht das? Alle Jubeljahre einmal? Neeee! Mir nicht!â
âEr hat dichâ, Melissa rang nach Luft, âmit der Hand zum Höhepunkt gebracht?â
âIch hĂ€tte lieber mit ihm geschlafenâ, flĂŒsterte Lucie, âaber er wollte nicht.â
âHat Bernd denn wirklich echte GefĂŒhle fĂŒr dich?â, fragte Melissa leise.
âWenn er mit nahe ist, meint er das bestimmt ehrlich mit mir. Nur, nurâ, stotterte sie, âer will keinen Sex und mag nicht ĂŒber den Grund reden.â
Von oben war ein Rauschen zu vernehmen.
âWas ist das? Deine ToilettenspĂŒlung?â
âDas? Das? Das sind hier die hellhörigen WĂ€nde. Wenn die Nachbarn duschen, dann hört man das.â
Lucie blickte zur Zimmerdecke. âKomisch. Das ist mir noch nie aufgefallen.â
Melissa umarmte ihre Freundin. âEs tut mir leid, aber nun musst du wirklich gehen.â
Lucie nahm die HĂ€nde der Freundin. âAber du bist doch auch der Meinung, dass mein Bernd ein pflichtbewusster, solider Ehemann ist? Bernd und ich mĂŒssen einfach wieder mehr miteinander reden ĂŒber unsere WĂŒnsche und Vorstellungen. Meinst du das nicht auch? Vielleicht hilft eine Paartherapie. Der Krebs hat sich zwischen uns eingefressen.â
Melissas Mundwinkel zuckten, als sie die HaustĂŒre hinter ihrer Freundin schloss. Sie wischte ihre schweiĂnassen HĂ€nde am Bademantel trocken und atmete tief durch. Ihr Blick fiel fĂŒr einen kurzen Moment auf Lucies EinkaufstĂŒte, die zerknittert im Sessel lag.
âDas war knappâ, meinte Bernd, als er die Treppe hinunter trat.
âSie ist erst misstrauisch geworden, als sie das Wasserrauschen von der KlospĂŒlung gehört hat.â
Er wollte sie umarmen, aber Melissa zierte sich. âDu kuschelst mit ihr und befriedigst âLucieâ, keifte sie. âAber mir erzĂ€hlen, dass bei euch nichts mehr lĂ€uft und du nichts mehr fĂŒr sie empfindest!â
âAber was soll ich denn tun! Sie komplett abweisen? Lucie hat genug durchgemacht! Seit der Krankheit ist das alles nicht so einfach.â
âUnd anderen Ărschen und BrĂŒsten gierst du auch hinterher!â
Bernd lachte. âHat Lucie dir das erzĂ€hlt? Du glaubst ihr diese Einbildungen? Warum war sie so lange hier? Hast du es etwa darauf angelegt, dass sie mich oben entdecken soll?â
âHabe ich dir gesagt, dass du dich bemerkbar machen sollst? AuĂerdem hĂ€tte das ganze Versteckspiel dann endlich ein Ende. Wir mĂŒssen es Lucie endlich sagen.â
Bernd zĂŒndete sich eine Zigarette an. âIch weiĂ, dass ich Lucie Zuneigung vorgaukele. Aber wenn sie jetzt von uns erfĂ€hrt, das bringt sie um.â
Melissa zerrte ihn an seinem Ărmel und drĂ€ngte ihn zur HaustĂŒr hinaus. âDu spielst ihr was vor und mir auchâ, sagte sie wĂŒtend. âMelde dich, wenn du eine Entscheidung getroffen hast.â
Sie sank zu Boden, als sie die TĂŒr geschlossen hatte und weinte bitterlich.
Bernd polterte gegen die HaustĂŒr und rief: âAber das ist der falsche Zeitpunkt fĂŒr eine Entscheidung!â
âBernd ? Entscheidung?â
Bernd drehte sich erschrocken herum und blickte in Lucies blasses Gesicht. Er zuckte mit den Schultern und brachte kein Wort heraus.
âIch habe nur meine EinkaufstĂŒte vergessenâ, flĂŒstere sie kaum hörbar und starrte ihn an.