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Mord und Totschlag | April 2015

Bis dass der Tod uns scheidet ...
von Barbara Hennermann

Abergläubisch bin ich nicht, Gott bewahre!
Aber ich glaube an das Schicksal. Ich meine, Zufälle gibt es nicht im Leben. Es ist das Schicksal, das unser Leben lenkt.

Vor längerer Zeit hörte ich zufällig aus einem offenen Fenster eine Liedpassage: „die Liebe, die Liebe ist eine Himmelsmacht“. Nichts könnte mein erstes Zusammentreffen mit Hans besser beschreiben!
Es war ein Tag im Frühling. Die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel. Kleine weiße Wölkchen hoben sich wie Wattebäusche vom Azurblau ab. Hin und wieder fuhr eine Windbö hinein und trieb sie durcheinander, wie Frühlingswinde das so an sich haben.
Eine solche Windbö erfasste auch mich, als ich rasch um die Ecke biegen wollte. Donnerwetter, sie hatte ja ordentlich Kraft! Ich kam ins Straucheln und wäre fast zu Boden gestürzt, wäre nicht im gleichen Augenblick von der anderen Seite ebenfalls eine Gestalt sozusagen um die Ecke geweht worden. Instinktiv krallten wir uns aneinander fest. Kurz nur. Doch der Himmel hatte schon gesprochen ...
Mein Gott, was für ein fescher Bursche! Ganz in Schwarz-Weiß ähnelte er nicht etwa so einem Grufti oder wie sich diese Hexenlehrlinge heutzutage nennen. Im Gegenteil! Jedes Hochglanzmagazin hätte ihn in seiner unnachahmlichen Eleganz auf das Titelblatt setzen können. „Hans ist mein Name“, stellte er sich mit sonorer Stimme vor. „Ich bitte meine Ungeschicklichkeit vielmals zu entschuldigen.“
So begann das also mit uns beiden.
Hans traf blitzartig und zielsicher meinen Nerv für Romantik. Seine weltmännische Art, seine Bildung, seine nie ermüdende Eloquenz – er musste nicht lange um mich werben! Unsere Bindung erfolgte rasch und endgültig.

Leider dauerte es nicht lange, bis mich die Ernüchterung einholte.
Weltmännische Art? Künstlich aufgesetzt.
Bildung? Alles nur angelesen.
Eloquenz? Eitles, hohles Geschwätz.
Sehr bald zeigte sich sein wahrer Charakter:
Ein rechthaberischer, pedantischer Sesselfurzer war er, jawohl! Kleinkariert und immer darauf bedacht, „was die anderen dazu wohl sagen?“.
„Greta, du kannst unmöglich dies ....“ „ Greta, lass bitte unbedingt jenes ...“
Es hing mir echt zum Hals raus!
Man will doch auch mal Spaß haben, sich was gönnen, das Leben genießen! Das ist doch legitim, oder?
Gewiss, Hans hatte auch seine guten Seiten, natürlich. Die hat ja jeder ... Bei der Aufzucht der Kinder hatte er gewissenhaft mitgeholfen, wahrscheinlich, weil er meinen Erziehungsmethoden nicht traute, hehe. Doch die Kinder waren längst erwachsen und ausgeflogen, jetzt konnte man es sich doch wirklich selbst wieder gut gehen lassen, nicht wahr?
Doch Hans entwickelte sich diesbezüglich zum Klotz an meinem Bein.
Nicht, dass ich ihm wirklich etwas Schlechtes gewünscht hätte ... Also, so bewusst und absichtlich, meine ich ...
Aber, offen gestanden, malte ich mir schon aus, wie mein Leben ohne ihn doch schon sehr viel netter verlaufen könnte ... Und Unfälle ereigneten sich ja tatsächlich immer wieder, schicksalshaft gewissermaßen. Ich verbot mir, darüber tiefergehend nachzudenken ...

Zum Glück bietet das Leben ja auch Annehmlichkeiten, die man nicht unbedingt teilen muss. Habe ich schon erwähnt, dass ich eine Vorliebe für Swarovski habe? Das sind diese glitzernden Schmucksteine, die Diamanten zum Verwechseln ähnlich sind. Ich sterbe für die Dinger, ehrlich! Leider sind sie nicht billig, obwohl sie nicht echt sind. Allerdings mag es gerade daran liegen, dass manche Besitzerinnen mit ihren Pretiosen geradezu sträflich leichtsinnig umgehen. Sie liegenlassen. Unbeaufsichtigt. Draußen!
Ist es da nicht nur recht und billig, wenn ich ab und an, unbeabsichtigt, im Vorbeigehen quasi, rasch so ein Teil mitgehen lasse?
Hans, diese korrekte Krämerseele, sieht das völlig anders. „Greta, das ist Diebstahl! Verstehst du? Diebstahl!!“
Mag ja sein, dass das so ist.
„Greta, und außerdem ist Stehlen extrem gefährlich! Wenn die dich erwischen, bist du dran!“
Naja, mag ja auch sein. Aber der Reiz liegt doch gerade auch darin, sich nicht erwischen zu lassen, oder?
Was übrigens bei Hans gar nicht leicht ist – ich meine, er erwischt mich eigentlich immer, wenn ich was Nettes mit heimbringe ...

Gestern war es mal wieder so weit.
Die Gegend kannte ich schon von früher gut.
Es handelte sich um einen Ring. Nichts Besonderes eigentlich. Super schön funkelnd aber. Ich konnte einfach nicht widerstehen. Irgendeine doofe Tusse hatte ihn auf ihrem Verandatisch liegengelassen. Zum wievielten Mal eigentlich? Zur Straßenseite hin, ich bitte Sie! Also, äh, fast ... Dazwischen war noch eine Wiese und eine Mauer ... Und ein Mann stand dort und glotzte mich direkt an. Hehe. Schnell muss man sein!
Aber egal. Hans führte sich natürlich auf, als hätte ich ein Staatsverbrechen begangen. „Greta, du bringst das sofort wieder zurück! Unrecht Gut gedeiht nicht!“
Sie sehen – die Überreste seiner Eloquenz ...
Selbstverständlich weigerte ich mich. Besitz ist Besitz.
„Gut, Greta, ganz wie du willst. Dann mache ich das eben!“
Schon hatte er mir den Ring entrissen und entfernte sich eilig.
Abartig, wenn Sie mich fragen.
„Äh, Hans, das war Nelkenweg 20, gleich hier um die Ecke!“, schrie ich ihm nach.
Wenn schon, dann bitte an die richtige Adresse ...
Weil er aber auch immer so überhastet sein musste!
Eigentlich wollte ich ihm auch noch sagen, dass da dieser Mann stand. Und dass neben dem Ring noch so ein komisches Teil gelegen hatte – Luftgewehr oder so, glaube ich.

Sehen Sie, das meinte ich mit den „schicksalshaften Zufällen“. Letztendlich kann man natürlich nie sagen, was kommen wird. Aber so ein bisschen was dazu beitragen, in aller Unschuld, versteht sich, kann man vielleicht schon.

Nun, viel gibt es nicht mehr zu berichten.
Hans in seinem Starrsinn brachte also den Ring zurück .
Der Knall zerbarst an der Mauer.
Etwas klatschte auf den Boden.
Ein paar schwarz – weiße Federn wirbelten über die Mauer durch die Luft.
Und der frische Frühlingswind trug mir die rauen Worte zu: „Scheiß Elstern, jetzt langt´s mir aber!“


04/15 hb V2

Letzte Aktualisierung: 25.04.2015 - 18.19 Uhr
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