Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » Anne Zeisig IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
Liebeskummer | Mai 2015
November
von Anne Zeisig

Saskia schloss die Tür ihres Blumengeschäftes ab.
Wie sehr hatte sie den Feierabend herbeigesehnt. Fahrig langte sie zum Toast, biss hinein und nahm im Vorbeigehen einen Schluck Tee zu sich.
Es war bereits dunkel. Sie blickte auf ihre Uhr.
Welche Wahl würde sie heute treffen?
Bunt wie gestern oder Ton-In-Ton?
Nach vierzehn Tagen fiel die Auswahl nicht mehr so leicht.
Am Montag hatte Saskia sich für Blautöne entschieden. Das war nicht einfach gewesen jetzt im November, wo die Auswahl naturgemäß geringer war als im Frühjahr. Aber als Floristin hatte sie so ihre Tricks, schließlich hatte auch die Kundschaft die ausgefallensten Wünsche.
Fragt das Leben nach Jahreszeiten?
Nein.
Und doch war sie froh, dass der Winter vor der Tür stand.
Da machte man es sich gerne am Abend gemütlich bei Kerzenschein und Rotwein. Wenn auch noch eine männliche Schulter zum Ankuscheln da war, umso romantischer.
Im Advent liebte sie Tanne mit roter Dekoration. Ganz klassisch.
Aber soweit war es ja noch nicht. Verlobung unterm Adventkranz.

Sie hetzte durch ihr blühendes Paradies und entschied sich für Weiß.
Weiß wie die Unschuld und mit viel Grünem dazwischen, wie das pure, frische Leben.
Wunderbar, dass sie aus dem Vollen schöpfen konnte. Saskia packte die Blütenarrangements in Körbe, dazu die entsprechende Menge Bindedraht, Kleber und Steckmasse.
Herrlich auch, dass es ein wenig nieselte. Nicht auszudenken, wenn Sommer wäre und die Hitze die Blütenpracht allzu schnell dahinwelken ließe.
Wie dumm die Leute doch waren, wenn sie im Mai heirateten.
Zudem wären die Tage länger hell und sie müsste täglich späte Nachtschichten einlegen.
So aber, jetzt im November, war es gerade richtig, weil die Tag kurz waren.
Und Nachtfröste waren auch noch nicht angesagt.

Das Handyklingeln riss sie aus ihrer Geschäftigkeit heraus.
Moni wollte wissen, wie es ihr gehe. “Gut. Warum soll es mir nicht gut gehen?”
“Ich bewundere dich, weil du deine Gefühle so gut unter Kontrolle hast.”
“Schließlich bin ich selbstbewusst und habe einen gesunden Menschenverstand.”
Die Freundin war natürlich anderer Meinung.
Hatte das Blumengeschäft, ihre Selbständigkeit, auch als Spleen abgetan.
Aber! Was Saskia sich in den Kopf gesetzt hatte, das zog sie auch durch!
Und hier, genau hier hatte sie ihn kennengelernt, als er im Mai rote Rosen zum Muttertag gekauft hatte. Eine davon bekam Saskia.
Es war Liebe auf den ersten Blick und sie hatten Monate auf einer rosaroten Plusterwolke verbracht.
“Man muss das Glück beim Schopf packen! Auch was dafür tun!”, warf sie ins Telefon, legte auf und fuhr mit ihrem Firmenwagen ans andere Ende der Stadt.
Eine einsame Gegend am Stadtrand, wo es sich der Mittelstand komfortabel eingerichtet hatte.
Und da sah sie ihn auch wieder.
Den roten VW, nackt und glänzend stand er unter der Laterne und wartete nur darauf, geschmackvoll hergerichtet zu werden.
Saskias Blick streifte die Fenster der Wohnblocks und sie stellte fest, dass sie mit Rollläden und Vorhängen geschützt waren vor dem Novemberwind und neugierigen Blicken, wie an den Abenden zuvor auch.
Den Fenstern in der sechsten Etage schenkte sie ihr besonderes Augenmerk.
Der Wind war natürlich eine besondere Herausforderung, denn schließlich mussten die Blütengebinde ja mindestens einen Tag überstehen.
Aber ihre Dekorationen überstanden auch Hochzeitsreisen samt Fahrtwind, da musste sie sich überhaupt nicht sorgen.
Nach zwei Stunden war Saskia fertig und wirklich zufrieden. Um ihr Herz legte sich eine wohlige Wärme und sie atmete den kühlen Nachthauch genüsslich ein.
Sie umrundete das Gefährt und fühlte sich, ja, sie fühlte sich glücklich!
An den beiden Außenspiegeln band sie jeweils zwei weiße Luftballons mit grüner Schrift, auf denen ‘Ich liebe Dich!’stand.
Hinten, an der Straßenecke bellte ein Hund, schemenhaft sah sie einen Mann.
Saskia setzte sich in ihren Lieferwagen und fuhr heim.

* * *

Der Vormittag im Laden läpperte sich so dahin. Sie war froh, wenigstens einige Aufträge für Trauerkränze und Grabgebinde erhalten zu haben.
Die liebevolle Autodeko ging ihr nicht aus dem Sinn, deshalb war es Zeit für die morgendliche Kurznachricht an ihren Liebsten.
‘Ich liebe Dich! Ich freue mich auf eine blumige Zukunft mit dir!´
Adrian würde Augen machen!
Man muss was für die Liebe tun, damit sie frisch und bunt bleibt wie duftende Blumen.

Die Türglocke kündigte einen Kunden an. Er wolle sich nur umsehen, meinte er, und hielt sich bei den fertigen Sträußen auf. Männer griffen gerne zu etwas Vorgefertigtem, weil sie beim Zusammenstellen individueller Buketts meistens hilflos waren.
Bildete sie es sich ein, oder schielte er aus den Augenwinkeln nach ihr?
Saskia lächelte und dachte: ‘Keine Chance, mein Lieber, ich gehöre Adrian.´
“Ich helfe Ihnen gerne beim Zusammenstellen eines Straußes”, sagte sie und ging zu ihm, “für wen soll der Strauß denn sein?”
“Tja”, er vergrub seine Hände in die Jackettaschen, “wie soll ich anfangen?”
Sie nickte ihm aufmunternd zu. “Besonders im trüben November sind Blumen willkommen.”
Er zeigte nach draußen. “Ihr Firmenwagen.”
“Ist mit dem was nicht in Ordnung?”
“Der ist mir aufgefallen. Sonst wüsste ich ja überhaupt nicht, wer, von wem, also”, er räusperte sich, “sowas ist mir noch nie passiert.”
Saskias Handy klingelte. “Einen Moment bitte.”
Sie las die Kurznachricht. `Zum 100sten Male! Ich liebe Dich nicht mehr und es gibt keine gemeinsame Zukunft!´
Das Telefon fiel ihr aus der Hand und landete im verwelkten Grünabfall.
“Du wirst schon noch kapieren, dass du mich immer noch liebst.”, zischte sie leise vor sich hin.
Sie erschrak, weil plötzlich dieser Kunde vor ihr stand und stammelte eine Entschuldigung.
“Also!”, begann er nun recht sonor, “ich hatte keine Ahnung, wer mein Auto jede Nacht so wunderschön schmückt, bis ich gestern Abend beim Gassigehen Ihren Firmenwagen gesehen habe, wie der so schnell, viel zu schnell, in die Kurve eingebogen ist. Und nun möchte ich gerne wissen, warum, ja, äh, warum Sie mein Auto derart schmücken seit zwei Wochen.”
Saskia griff sich mit den Fingerspitzen an ihre Schläfen. “Ihr Auto?” Sie stammelte. “Der rote VW ist Ihr Auto?”
Er nahm seine Brille ab und polierte sie mit seinem Einstecktuch. “Ich habe den Wagen vor ungefähr vierzehn Tagen von einem Nachbarn aus Block Zwei abgekauft. Sie können sich vorstellen, dass meine Frau sich auch wundert und . . . “
Saskia hörte ihm überhaupt nicht mehr zu und musste sich setzen.
“Ist Ihnen nicht gut?”
Sie winkte ab. Nun galt es, Ruhe zu bewahren. “Sie haben den Wagen Herrn Adrian Bausteiner abgekauft?”
Er nickte und setzte seine Brille wieder auf.
Saskia atmete tief ein.
Noch war nicht alles verloren. “Und was für einen Wagen hat Herr Bausteiner nun?”


©anne z. version ZWEI

Letzte Aktualisierung: 13.05.2015 - 07.19 Uhr
Dieser Text enthlt 7052 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.