Futter für die Bestie
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Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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Liebeskummer | Mai 2015
Liebesgrummeln
von Christian Rautmann

„So, Julia. Da hast du deinen Kaffee. Möchtest du auch eine Tasse, Amelie? Ja, gut. Hier. Bitteschön. Und ein Stück Kuchen bekommt ihr auch. Den hab´ ich selbst geba-cken!“
Pauline tat so, als würde sie auf jeden Teller ein Stück Kuchen legen. Dann betrachtete sie zufrieden ihre beiden Lieblingspuppen.
Sie merkte kaum, dass die Türe ihres Zimmers sich öffnete und ihre Mutter den Raum betrat.
„Na, mein Schatz? Spielst du schön?“
„Ja. Mama. Schau mal. Julia und Amelie trinken Kaffee. Und es gibt leckeren Scho-kokuchen. Hab‘ ich gebacken.“
„Na, das ist ja toll. Die beiden haben sicher viel Spaß. - Hör mal, Klara müsste jetzt bald aus der Schule kommen. Dann gibt es Mittagessen. Ich rufe dich dann.“

Obwohl ihr Bauch schon ein paar Mal geknurrt hatte, hörte Pauline nicht, dass ihre Mutter zum Essen rief. Erst als erneut die Zimmertüre aufging und ihre große Schwes-ter Bescheid sagte, sprang sie auf und rannte nach unten in die Küche.
Klara folgte ihr langsam, setzte sich wortlos an ihren Platz und sah auf das Essen, das vor ihr stand.
„Ich hab‘ keinen Hunger, Mama.“, sagte sie und schob den Teller von sich weg.
Mutter schüttelte den Kopf. „Nein, mein Kind. Kommt nicht in Frage. Du musst etwas essen.“
Pauline sah ihre große Schwester neugierig an.
„Was hast du denn? Tut dir dein Bauch weh?“
Klara schüttelte stumm den Kopf.
Pauline sah zu ihrer Mutter, die am Herd stand und ihnen den Rücken zudrehte. Dann beugte sie sich zu ihrer großen Schwester und flüsterte: „Hast du in der Schule Ärger gekriegt? Das ist nicht schlimm. Ist mir auch schon passiert. Als ich im Kindergarten die Buntstifte in den Sandkasten mitgenommen hab‘. Papa hat fast gar nicht geschimpft“
„Nein, das ist es nicht.“, seufzte Klara und drehte den Kopf weg.
„Hast du dir vielleicht wehgetan? Bist du etwa beim Rennen hingefallen?“, bohrte Pauline weiter und betrachtete ihre Schwester von oben bis unten auf der Suche nach einer Verletzung.
Klara wandte sich ihr wieder zu. Ihre Augen waren voller Tränen.
„Ach Pauli. Lass mich einfach in Ruhe. Das verstehst du noch nicht.“
Pauline beobachtet ein Weile ihre Schwester, die sich immer wieder Tränen aus den Augen wischte und lange auf jedem Bissen herumkaute.
„Schmeckt es dir nicht, Klara? Hast du vielleicht doch Bauchweh?«, fragte sie schließ-lich erneut.
Klara stand stöhnend auf und nahm ihren Teller. „Mutter, ich esse den Rest auf meinem Zimmer. Das halte ich jetzt echt nicht aus.“ Sie nickte in Paulines Richtung und verließ die Küche.
Pauline sah ihrer Schwester nach. „Mama, was hat Klara denn? Ist sie krank?“
Mutter schüttelte den Kopf und lächelte Pauline an. „Nein, krank ist deine Schwester nicht. Aber es ist so ähnlich. Sie hat Liebeskummer, weißt du.“
Pauline verzog das Gesicht. „Liebesgrummeln? Was ist denn das? Ist das so wie Bauchgrummeln?“
Mutter strich Pauline über das Haar. „Nein, nicht Grummeln. Kummer. So wie Sorgen oder Schmerzen.“
„Also tut ihr doch was weh. Ich hab’s doch gewusst.“, sagte Pauline und verschränkte energisch die Arme.
„Nein, mein Schatz. Ihr tut nichts weh. Sie ist nur sehr traurig. - Ach, das ist schwer zu erklären. Eigentlich musst du das auch noch gar nicht verstehen.“
„Ich will aber!“, rief Pauline und schlug mit der Hand so fest auf den Küchentisch, dass das Geschirr klapperte. Erschrocken sah sie ihre Mutter an, die eine Augenbraue hochzog.
„Na ja“, sagte Pauline leise. „Sie ist doch meine Schwester. Da will ich doch wissen, warum sie traurig ist.“
„Ja, das verstehe ich gut.“, sagte Mutter. „Ich versuche einfach mal, es dir zu erklären. - Weißt du noch, wie du dich damals gefühlt hast, als Karlchen gestorben ist?“
Pauline nickte langsam. „Ja. Karlchen lag einfach so im Käfig. Auf dem Rücken. Das war schlimm. Da hab‘ ich ganz doll geweint.“
„Ja, das hast du. Weil du so traurig warst. Und Klara geht es nun auch so.“
„Wegen Karlchen? Aber das ist doch schon lange weg.“, sagte Pauline erstaunt.
„Nein, nicht wegen Karlchen. Wegen Max, ihrem Freund.“, erklärte Mutter.
Pauline sah sie entsetzt an. Dann fragte sie langsam: „Ist der etwa TOT?“
„Nein, natürlich nicht. Dem geht es gut. Aber Klara hat mir erzählt, dass er jetzt eine andere Freundin hat und nicht mehr mit ihr zusammen sein will. Jetzt vermisst sie ihn sehr. So wie du Karlchen. Und das macht sie eben sehr traurig.“
Pauline nickte wissend. „Ja, ich vermisse Karlchen immer noch ganz doll. Der doofe Max! Der darf unsere Klara nicht traurig machen. Na, mit dem schimpfe ich, wenn er wieder mal herkommt. Das kannst du aber glauben!“

Den ganzen Nachmittag kam Klara nicht mehr aus ihrem Zimmer und wollte auch nie-manden sehen. Trotzdem versuchte Pauline es immer wieder. Aber jedesmal, wenn sie an die Türe klopfte, sagte Klara, dass sie alleine sein wolle. Beim vierten Mal rief sie sogar ein paar schlimme Worte, die die Eltern eigentlich verboten hatten.

Pauline hatte das Puppenhaus herausgeholt und spielte mit ihren Barbies. Aber heute machte es nicht so viel Spaß wie sonst. Denn ständig gab es Streit. Ken und Barbie vertrugen sich gar nicht. Und dauernd machte Rachel Ärger. Auch Skipper war nicht gut gelaunt und schimpfte, weil Barbie und Ken Streit hatten.
So war Pauline froh, als das Telefon klingelte. Schnell lief sie in den Flur. Doch Klara stand bereits da, nahm aber nicht ab. Als sie Pauline kommen sah, machte sie eine abwehrende Handbewegung.
„Geh bloß nicht dran. Das ist Max. Ich weiß gar nicht, was der noch von mir will.“
„Aber, dann geh doch ran. Er sagt es dir bestimmt, wenn du ihn fragst.“
Klara schüttelte den Kopf und betrachtete weiter das Telefon, das noch immer klingelte.
Pauline machte einen schnellen Schritt nach vorne und schnappte sich den Hörer. Klara sah sie entsetzt an und versuchte, ihr den Hörer wegzunehmen. „Lass das. Bist du verrückt?“
Doch Pauline war zu schnell gewesen und hatte schon die grüne Taste gedrückt. Klara fluchte leise und machte Pauline mit Handbewegungen deutlich, was sie von ihr hielt.
Doch die ließ sich davon nicht beirren.

„Ja, Hallo? Pauline Löber.“
„---“
„Du willst Klara sprechen?“
Sie sah ihre Schwester an, die abwehrend die Arme hob, aber stehenblieb.
„Nein, du, Max. Die will nicht mit dir sprechen. Die ist ganz doll traurig. Sie hat böses Liebesgrummeln. Und du bist schuld. Das will ich dir nur mal sagen!“
„---“
„Das glaube ich dir aber nicht. Du hast sie gar nicht mehr lieb. Du hast nämlich eine neue Freundin. Ja, jetzt schaust du, was ich alles weiß!“
Klara schlug die Hände vor die Augen und schüttelte den Kopf.
„---“
„Du hast keine neue Freundin? Lüg nicht! Das darf man nämlich nicht. Sagt Papa im-mer.“
„---“
„Deine Kuh Siene ist zu Besuch? Und wegen der hattest du keine Zeit für Klara? We-gen einer Kuh? Nein, das stimmt ...“
Klara riss Pauline den Hörer aus der Hand und ging in ihr Zimmer. Pauline hörte sie nur noch sagen: „Deine Kuh Siene? Warum hast du das denn nicht erzählt? -- Ja, klar will ich sie kennenlernen...“
Pauline stand noch einen Augenblick vor der Türe von Klaras Zimmer. Dann lief sie schnell nach unten und rief schon auf der Treppe: „Mama, Mama! Klara ist nicht mehr traurig. Max hat gar keine neue Freundin. Aber er hat jetzt eine Kuh. Können wir die mal besuchen gehen?“

Version 2

Letzte Aktualisierung: 22.05.2015 - 19.43 Uhr
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