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Liebeskummer | Mai 2015
Die schöne Unbekannte
von Angie Pfeiffer

Prüfend steckte Murphy, der die Nase in die Luft. Doch, auf seine Witterung konnte er sich verlassen, es roch definitiv nach Frühling.
Sein Herrchen schien der gleichen Meinung zu sein, denn es rumorte im Geräteschuppen herum. Wie in jedem Frühjahr zog es Alan, sobald die Sonne lachte und die Luft nach Frühling duftete in den Schuppen. Er kramte die nötige Gerätschaft hervor und erzeugte mit ihrer Hilfe erst Bodennebel und dann leckere Grillwürstchen.
Erwartungsvoll und wie immer hungrig leckte sich der Dackel Murphy die Lefzen und legte sich in die Sonne. Bevor er, erschöpft vom Zuschauen, einschlafen konnte, rief das Frauchen das Zauberwort: „Murphy, Emma, Zeit zum Gassi gehen!
“Während Murphy gähnend den Kopf hob, kam Emma wie eine Kanonenkugel aus dem Gebüsch geschossen. Sie hüpfte begeistert vor dem Frauchen auf und ab. Nun, Emma war noch jung, ihr fehlte es an Gelassenheit und Lebenserfahrung. Murphy seufzte, er würde ihr einiges beibringen müssen, denn der Rudelführer und sein Weibchen waren offensichtlich dazu nicht in der Lage. Zufrieden und würdevoll reckte er sich und trottete seinem Rudel hinterher.

Wie üblich ging es am Bach entlang, und während Emma sich Hals über Kopf ins Wasser stürzte, schnüffelte Murphy eifrig im Gras. Doch was war das? Plötzlich witterte er einen ganz merkwürdigen Duft. Verwirrt steckte er die Nase noch tiefer ins Gras. Auch hier war ein ganz besonderer Geruch, eindeutig von einem Weibchen! Von einem ganz besonderen Weibchen! Murphy schaute sich um, aber das einzige halbwegs interessante Weibchen in seiner Nähe war Emma, die aus dem Bach geklettert kam und sich nun kräftig schüttelte. Prüfend schnüffelte er an ihr, aber sie roch überhaupt nicht wie das Zauberwesen, das hier seine Duftnote hinterlassen hatte. Also ließ Murphy sie links liegen und versuchte eifrig die Spur der Schönen aufzunehmen, was das Frauchen allerdings verhinderte. Rücksichtslos hakte es die Leine ein und bestand darauf, nach Hause zu gehen.
Im Garten angekommen schnüffelte Murphy schnell noch an der Katze, aber auch sie roch wie immer, eben nach Katze. Der Rüde legte den Kopf auf die Pfoten, schloss die Augen und dachte an seine unbekannte Schöne. Selbst der köstliche Geruch nach Gegrilltem, der bald den Garten erfüllte, konnte ihn nicht aus seinen Träumereien locken.
Am nächsten Morgen war er früher als sonst wach und wartete ungeduldig auf Frauchen, das wieder einmal unerträglich lange mit seiner Morgentoilette herumtrödelte. Endlich ging es los. Murphy schoss wie der Blitz aus dem Haus, begierig darauf, der Schönen endlich zu begegnen. Bald witterte er das Aroma, welches von lustvoller Vorfreude und leidenschaftlicher Sinnlichkeit erzählte.
Dieses Mal folgte er zielstrebig der Spur, Frauchen und Emma ließen sich von ihm führen. An einem Gartentor angekommen war der Geruch unglaublich intensiv, hier musste sie wohnen. Erst einmal markierte Murphy zitternd vor freudiger Erwartung beide Pfosten. Gleich würde es so weit sein, er würde IHR begegnen. Wie auf Kommando öffnete sich die Terrassentür und das Zauberwesen betrat den Garten. Er schluckte, denn es war ein wenig größer als er und etwas füllig, aber dafür war das Haarkleid von einem zauberhaften braun und das Weibchen duftete einfach unwiderstehlich. Eifrig wedelte Murphy mit der Rute und versuchte am Gartentor zu entern. Das gelang ihm allerdings nicht; zum Einen, weil seine Zauberfee ihn laut und drohend anknurrte und in Kampfposition ging, zum Anderen, weil das Frauchen herbeigestürzt kam und ihn beim Wickel packte.
„Aus, bist du völlig bescheuert?“ rief es einigermaßen atemlos. „Was willst du mit dieser fetten, riesigen und hässlichen Dogge anfangen. Die verspeist dich zum Frühstück!“
Als wolle es das unterstreichen, knallte das Doggenweibchen seine 50 kg geballte Kraft gegen das Tor, kläffte wie verrückt und verteile seinen Sabber überall. Eingeschüchtert zog Murphy Kopf und Schwanz ein. Die Weiblichkeit schien ihm heute nicht gut gesonnen zu sein. So trottete er mit hängenden Ohren hinter Frauchen und Emma her.
Auch in den nächsten Tagen blieb er trübsinnig und appetitlos. Immer wieder hatte er das Bild und vor allem den Geruch der schönen Unbekannten vor Augen. Wie gerne wäre er näher mit ihr bekannt geworden, aber es fehlte die Gelegenheit dazu. Unerbittlich nahm Frauchen bei allen Spaziergängen eine Route, die ganz bestimmt nicht an dem bewussten Garten vorbei führte.

Es dauerte ein paar Tage, in denen Murphy litt wie ein Tier. Er verweigerte die Nahrungsaufnahme, schleppte sich mit letzter Kraft zu seinem Wassernapf, um einen Schluck zu trinken, starrte trübsinnig vor sich hin und dachte seufzend daran, dass die wohlduftende Schöne sicher einen Anderen erhört hatte.
Doch an einem sonnigen Morgen wachte Murphy unternehmungslustig und mit einem Mordshunger auf. Nachdem er eine Riesenportion Flappi verschlungen hatte, machte er sich zusammen mit Frauchen und Emma auf die gewohnte Runde. An dem bewussten Gartentor blieb das Frauchen stehen, ein prüfender Blick traf den Rüden: „Na, mein Lieber, geht’s denn wieder?“
Krawumm, das Gartentor erzitterte unter der Wucht des Aufpralls. Ein übergewichtiges, hässliches Doggenwibchen keifte über den Zaun hinweg los. Vorsichtshalber gingen Murphy und sein Rudel einen Schritt zurück.
„Und mit diesem Biest wolltest du…“ Frauchen konnte es nicht fassen.
Auch Murphy verstand die Welt und sich selber nicht. Kein Zauberwesen, kein betörender Duft nach Leidenschaft und lauen Nächten. Er musste sich geirrt haben.
Das soll ja mal vorkommen!

Mai 2015, Liebeskummer, Version 2

Letzte Aktualisierung: 14.05.2015 - 19.50 Uhr
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