Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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Partystimmung | Juli 2015
Walburga und das Unheil in der Sofaritze
von Robert Pfeffer

„Wenn das rauskommt, haben wir ziemlich große Probleme!“
„Wir? Seit wann sprichst du von dir in der Mehrzahl?“
„Na ja, ... irgendwie ... wir alle!“
Walburga Kötterskamp schaute zu ihrer Enkelin hoch und sah einen Graben in deren Stirn, in dem das Problem gut hätte verschwinden können.
„Wenn Manuel es findet, dann ist es aus. Ich verspreche, heute nichts zu trinken.“
„Und die nächsten fünf Jahre ebenso?“
„Och Menno, Oma! Hast du in deiner Jugend nicht auch mal Scheiße gebaut? Ich war einfach besoffen.“
„Bestenfalls beschwipst Unsinn gemacht, meine Liebe, niemals hätten wir es mit diesen Worten ausgedrückt.“
„Aber du hast Unsinn gemacht, so war es doch.“
Nina hasste diese Oma-ist-eine-Heilige Situation. Graue Haare können vieles relativieren.
„Unvernunft ist das Privileg der Jugend“, gab die Heilige zurück. „Auch ich habe davon Gebrauch gemacht, ja.“
„Und bestimmt hat dir dann jemand aus der Sch... ich meine, der Patsche geholfen?“
„Ich werde darüber nachdenken. Du gehst jetzt erst mal wieder runter und mischst dich unters Volk. Je länger du hier oben bist, umso mehr fällt es auf. Tu wenigstens so, als ob du deine Geburtstagsparty genießt.“
„Ich vermute, es ist in der Ritze vom Sofa. Woanders kann es eigentlich nicht sein. Bitte, du musst es finden.“
„Fünf Jahre kein Vollrausch und ein mäßiger Umgang mit Männern, das ist der Preis.“
„Oma, das ist Erpressung!“
„Weißt du, ich könnte mir auch gleich Forsthaus Falkenau ansehen, oder das Traumschiff.“
„Doppelte Erpressung!“
„Wer möchte weiter mit Manuel zusammen sein? Wer hat sich nicht im Griff gehabt? Wer hat im Schwange des Alkohols schamlos ausgenutzt, dass die Eltern im Urlaub sind, und baut jetzt darauf, dass die Oma alles rettet?“
Betretenes Schweigen, Fingerdrehen, Lippenkauen.
„Eine gewisse Nina“, antwortete die junge Frau.
„Wer legt also die Preise fest?“
„Eine gewisse Walburga.“
„Also, geh runter. Wenn es günstig für dich läuft, komme ich in einer Viertelstunde nach.“

Die folgenden fünfzehn Minuten waren für Nina Ablenkung und Anspannung zugleich. Wann immer Manuel das Sofa ansteuerte, stieg ihr Puls, zog sich die Gesichtshaut Richtung Scheitel und stellte die Pigmentierung auf Bordeaux um.
„Was’n los mit dir, Schlampe?“
Trixi zündete eine Zigarette an und gab sie Nina.
„Hier, nimm mal einen ordentlichen Zug, das entspannt.“
Nina nahm sie dankbar entgegen und zerrte Trixi auf die Terrasse.
„Nicht hier drin, ok? Und hör auf Schlampe zu sagen, wenn meine Oma kommen sollte. Die fällt acht Stockwerke aus den Wolken, ja?“
„Aber ich sag immer Schlampe! So wie du immer Ische zu mir sagst!“
„Ja, heute dann halt mal nicht. Bitte, tu mir den Gefallen.“
„Sag mal, du hast doch irgendwas. Was verschweigst du?“
„Vielleicht gleich. Lass uns die nächste Stunde abwarten, ok?“

Langsam senkte sich die Klinke und ihre Oma trat ein. Die meisten standen einfach im Raum und hielten sich an einem Glas fest, einige Wenige saßen. Auf dem Sofa konnte sich ein Kerl mit schwammigem Blick nicht zwischen Liegen und Sitzen entscheiden. Die Oma setzte sich neben ihn, genau in die Mitte des Dreisitzers und zog sich den Rock zurecht. Der Teenager wachte auf, sah nach rechts und rieb sich die Augen.
„Alter Schwede ... Nina! Jetz übertreibst du aber in Sachen Geburtstag!“
„Ich komme weder aus Schweden, junger Mann, noch bin ich Nina. Ich bin ihre Oma. Angenehm, Kötterskamp!“
„Angenehm?“
„Das sagt man, wenn einem die Begegnung mit jemand angenehm ist.“
„Alter Schw..., das is ja mal richtig old school.“
„Wie meinen?“
„Egal. Was machen Sie denn auf Ninas Party?“
„Unter anderem einmal direkt hören, was sonst nur als Bässe auf meinem Sessel im ersten Stock zu spüren ist?“
„Hä?“
„Man sagt ‚Wie bitte’. Die Musik, junger Mann, die Musik. Wie heißt das Stück, das sie gerade spielen? Und welcher Komponist ist das?“
„Äh, das ist Efector versus D. Noyse und das ist Theories im Loudon Kleer Remix.“
„Soso. Eine gewisse Eintönigkeit ist nicht zu verkennen.“
„Ja, das groovt mal so richtig, was Oma?“
Sie zog eine Augenbraue hoch und stellte die Pupillen scharf.
„Ob etwas groovt, das können Sie vermutlich besser beurteilen, aber Oma darf nur Nina zu mir sagen, verstanden? Für Sie Frau Kötterskamp, mit viel gutem Willen Walburga. Und auch nur, weil heute Ninas Geburtstag ist.“ Dabei tätschelte sie ihm das Knie. „Das Muster Ihrer Unterhose kann ich von hier aus problemlos erkennen, was für einen Gürtel spräche, aber sagen Sie mir zunächst, wer von den Herren im Raum eigentlich Manuel ist. Nina hat bislang versäumt, ihn mir vorzustellen.“
„Der Typ da hinten am Kamin mit dem Wodka Red Bull. Sie kennen den nicht? Ist doch seit vier Monaten der Stecher von Nina.“
Walburga schnappte nach Luft und schloss für einen Moment die Augen. Nina schoss heran, als sie es von der Terrassentür sah.
„Dennis, du hast also meine Oma schon kennengelernt.“
„Jo. Is irgendwie cool, in dem Alter auf ne Techno-Party zu kommen. Hoffe, ich bin mit hundert auch noch so drauf.“
„Spinnst du, oder was? Oma ist zweiundachtzig und du solltest dich was schämen.“
„Hey, bleib easy, ja. Achtzehn Prozent Schätzfehler sind weniger als ein Fünftel, ich lieg also voll im grünen Sektor.“
„Ich geb dir gleich Sektor! Verzieh dich. Du musst doch bestimmt mal aufs Klo!“
Ein Tritt gegen das Schienbein verhalf ihrer Idee zu etwas mehr Nachdruck und tatsächlich stand Dennis auf und schlurfte hinaus. Sie setzte sich neben die Großmutter.
„Oma, ich danke dir. Hast du schon mal gucken können?“
„Nein, aber ich wollte gerade anfangen. Ist dein Außer-der-Reihe-Stecher eigentlich heute hier?“
„Ooooomaaaa!!!! Was sind das denn für Ausdrücke?“
„Oh, ich zitiere zumindest mit der Vokabel ‚Stecher’ nur einen deiner wortgewandten Gäste.“
Nina warf dem etwas entfernt stehenden Dennis einen Blick zu, der ihn eine baldige Abreibung schon mal spüren ließ.
„Nein, den hab ich in die Wüste geschickt, als ich wieder nüchtern war.“
„Und wann habt ihr es gemacht?“
„Heute früh, so gegen vier, denke ich. Als wir nach Hause gekommen sind.“
„Dann dürfte es ja noch nicht getrocknet sein. Wie wundervoll.“
„Bitte Oma, ich tu auch alles, was du willst.“
„Und alles nur, weil du alkoholbedingt deine Hormone nicht im Griff hast.“
Von der Terrassentür kam eine Stimme.
„Schla ... nge, kommst du mal gerade?“
„Wer ist das denn?“, fragte Walburga.
„Trixi, meine beste Freundin.“
„Und warum sagt sie Schlange zu dir?“
„Das erklär ich dir später, Oma“, erwiderte Nina und stand auf.

Walburga regelte rasch ihr Hörgerät etwas herunter. Efector versus D. Noyse hinterließen ihre Spuren im Nervenkostüm der alten Dame. Sie drehte sich im Sitzen Richtung Kamin und ließ so unauffällig wie möglich eine Hand in die Sofaritze hinab. Eine profunde Menge Krümel, sonst nichts. Dieselbe Drehung auf die andere Seite, der nächste Versuch. Ein Zahnstocher. Sie musste aus der Mitte an den Rand des Sofas, um weiter zu suchen. Mit einem beherzten Schwung nach vorne, nach hinten und wieder vor nahm sie Anlauf, schaffte es aber nicht von der Couch nach oben. Nina hing, wild gestikulierend, im Gespräch mit ihrer Schlangenfreundin fest, als Dennis vom Klo zurück kam.
„Na, geht’s nich aufwärts, Oma?“
Walburga überhörte die Anrede.
„Wenn Sie zu irgendwas nütze sein wollen, dann helfen Sie mir hoch. Ich brauche eine Armlehne und muss da hinüber.“
Als der Platz gewechselt war, ließ Dennis sich neben ihr in die Mitte plumpsen.
„Wir hätten auch tanzen können, Frau Kötterskamp.“
„Einstweilen werde ich noch ein wenig verschnaufen, aber Sie können gerne schon vorgehen. Sehen Sie mal, da drüben.“ Walburga hätte auch sagen können, dass eine tote Möwe vorbeifliegt. Dennis fiel nicht drauf herein und bemerkte umgehend, wie seine Sitznachbarin in der Ritze fingerte.
„Was verloren?“, fragte er mit einem lang gezogenen O.
Zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatte, ging ihre Souveränität den Bach hinunter. Hastig zog sie die Hand wieder hoch und stammelte: „Ja, äh, ein ... ein ... K... ja, einen ... äh ... Flaschenöffner.“
„Ihre Wohnung, ich nehme an voll eingerichtet, ist oben. Und Sie kommen hier runter und suchen einen Flaschenöffner? Wer’s glaubt. Na, egal, Pfadfindertat für heute, ich such dann mal mit.“
Mit allem Schwung, der einem mit Zweiundachtzig zur Verfügung steht, ließ Walburga Kötterskamp sich der Länge nach auf die Kissen fallen.
„Danke, ich such selbst. Man kann ja nie wissen, was man so findet. Ich will Ihnen eine eventuelle Zumutung ersparen.“

Als die alte Dame wenig später das Zimmer verließ, hielt sie ihre linke Hand seltsam verkrampft. Ein kurzes Lächeln in Richtung Dennis und froh, Efector und sein Gestampfe hinter sich lassen zu können, trat sie den Rückzug an. Nina folgte ihr umgehend.

„Meine geliebte Enkelin, wie schön. Ich kann dir sagen, was sich in meiner Hand befindet, ist ein gefühlsechtes Erlebnis. Und schlecht riechen tut es auch. Los, streck deine Pfote aus!“
„Bitte, Oma, muss das sein?“
„Ja, das muss. Außen an diesem Dingsda sind deine Säfte, drinnen seine. Und wenn man es schön festhält, dann hat man beide in der Hand. Du bist schuld an dieser Sache und du wirst das Gefühl jetzt abschließend genießen. Allein zur Strafe!“
Das Corpus delicti wanderte von Walburgas in Ninas Hand, die Oma schloss die der Enkelin und drückte sie tüchtig. Die junge Frau war unsicher, ob ein dezentes Schmatzgeräusch nur in ihrem Kopf, oder tatsächlich hörbar war. Sie seufzte.
„Deine Oma wäre damit fertig für heute. Meine Party steigt ab sofort im Sessel. Und morgen gucken wir gemeinsam Forsthaus Falkenau. Dir noch viel Spaß an deinem Geburtstag.“

„Wo warst du denn die ganze Zeit?“ Trixi zog Nina am Arm zur Seite. „Manuel hat nach dir gefragt. Alles ok?“
„Ja, jetzt wieder. Oma hat’s gerettet.“
„Wie?“
„Das Unheil aus der Sofaritze. Heute kein Alkohol, Ische. Klar so weit?“
„Krass abgedreht, Schlampe. Aber du bist mir ne Story schuldig!“

Letzte Aktualisierung: 27.07.2015 - 19.21 Uhr
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