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Partystimmung | Juli 2015

Opel-Manta
von Anne Zeisig

Verena zieht alle Register, um mich zur Teilnahme an das Straßenfest zu überreden. Ich könne mich ja mit den anderen Männern am Grill oder am Bierstand abwechseln. Das diene einem guten Miteinander.
“Ich habe aber keinen Bock darauf, dem alten Kauz von nebenan freundlich eine Wurst oder ein Bier in die Hand zu drücken, nur weil Straßenfete ist.”
“So unrecht hat er aber nicht gehabt, als er sich über den Lärm nach 22 Uhr aufgeregt hat, als du und deine Kegelkumpanen im Garten gegrillt haben.”
Ich winke ab. “Der hat immer was zu meckern. Steht mit der Stoppuhr in der Hand in seinem Vorgarten und wartet nur darauf, dass mein Rasenmäher eine Sekunde nach Dreizehn Uhr noch läuft, damit er mir die Ordnungshüter auf den Hals hetzen kann. Oder sein Vogelschützerwahn, weil ich unsere Hecke während der Brutzeit schneide. In unserer Einfriedung habe ich noch nie ein Nest entdeckt. In zwanzig Jahren nicht ein einziges!”
Meine Frau krault mir den Nacken. “Aber wenn wir im Urlaub sind, kümmern sich beide wunderbar um das Haus.”
“Die sind nur scharf auf unseren Schlüssel, damit sie in den Schränken und unter den Tischen Staubkrümel suchen können, um in der Nachbarschaft erzählen zu können, dass wir ‘ne dreckige Wohnung haben!”
Meine Frau bleibt hartnäckig. “Und wie wäre es mit dem Kuchenstand?”
“Ich soll Sahnetorte an die fettleibige Gattin von dem Oberaufseherkauz verteilen? Mir ihr Geflöte anhören, wie toll sich ihre antiautoritären Waldorfenkel entwickeln, weil sie feinstaubbelastetes Unkraut vom Straßenrand futtern? Vitaminreich, kalorienarm und kostenlos!”
Verenas wunderschöne jadegrüne Augen wandeln sich in Richtung giftgrün. “Ach so! Du bist also der Meinung, Frau Oberaufseherkauz sei zu dick!”
Frauen! Immer, wenn man genau auf den Punkt kommt, wird geschickt das Thema gewechselt.
Nun schnellen mir giftgrüne Pfeile aus ihrem Blick entgegen. “Sicherlich bin ich für dich auch so ein faules gefräßiges Weib, das ihre Kalorien nicht unter Kontrolle hat! Mir hätte damals klar sein müssen, dass ich für dich nur Zweite Wahl bin! Besser die, als keine. Stimmt ‘s? So hast du damals bestimmt gedacht.”
Ey! Was soll das denn? Ich habe keine Ahnung, warum sie jetzt diese Mistveranstaltung von vor zwanzig Jahren hervorkramt.

* * *

Ich erinnere mich:
Mein Kumpel Ekki hatte alle Register gezogen, mich zu dieser Veranstaltung zu überreden!

“Alter! Gib dir keine Mühe. Ich habe null Bock auf einen ganzen Saal voller fetter Weiber, die sich nach einem schlanken, muskulösen Typ wie ich einer bin, die Finger ablecken. Denen läuft der Sabber bei meinem Anblick aus den Mundwinkeln übers Doppelkinn hinunter, wenn ich auch nur ansatzweise aus meinem gelben Manta aussteige.”
“Genau!” Ekki tippt mit seinem Zeigefinger und dem daran befindlichen abgeknabberten Fingernagel auf meine Stirn. “Die lecken sich nicht nur ihre Finger, die lecken bestimmt auch gerne an deinem ... “
“Igitt!”, unterbreche ich ihn. “So viel Notstand kann ich garnicht haben, dass ich mir das ausmalen will!”
“Alter! Augen zu und durch!” Er klopft mir auf die Schulter. “Ma ehrlich. Wann hat dir das letzte Mal eine Perle so richtig einen geblasen?”
Ich werfe die Tuning-Zeitschrift genervt auf mein Sofa, grinse ihn breit an und hebe meine schlanken, gepflegten Hände hoch. “Solange ich zwei gesunde Hände habe, bin ich kein Fall für Entwicklungshelferinnen, die ausschließlich das große Fressen in der Birne haben und sonst nix.”
Ekki rückt mir näher auf die Pelle. “Aber genau das ist ja der Punkt! Diese Weiber sind so ausgehungert, die gehen im Bett ab wie Raketen. Als gäbe es kein Morgen mehr.”
Ich mache ihm klar, dass er von mir abrücken soll. Ekki hat wirklich nur seinen Schwanz und sonst nix im Kopf. Der vögelt alles durch, was nicht bei Eins auf den Bäumen ist. Sogar die Mutter seiner letzten Tusse.
“Ja und? Ich bin halt ein toller Ranter.”
“Was bist du?”
“Wortspiel! Alter! Toleranter!”
Ha ha. Ich hab auch schon besser gelacht.
“Ey! Wer denkt sich überhaupt son Scheiß aus? ‘Fete für Rubensdamen’!”
Ekki rollt sich ‘n Joint. “Solln se etwa Schwabbelweiber schreiben? Drunter steht, dass auch alle anderen willkommen sind.”
“Klar. Sonst wäre das ja Diskriminierung.”
“Ob da auch fette Kerle auftauchen?” Ekkis Blick verliert sich in die Weiten der nahen Mülldeponieberge vor meiner Studentenbude.
Er inhaliert seine Tüte und flüstert. “Du musst mal wieder dein Fenster putzen. Wie soll sich denn in dem Saustall eine Frau wohlfühlen.”

* * *

Wenigstens das Licht haben sie in dieser Discoverschnitt-Hütte besonders herunter gedreht. Da sieht man die nicht vorhandenen Konturen der Damenwelt weniger scharf. Wenn Blicke ausziehen könnten, ich wette, die Weiber um mich herum an der Bar würden mir sogar die Haut abziehen, weil nackt nicht nackt genug ist. Tun aber so, als schlürfen sie gleichgültig an ihrem Eier-Flip. Haben die überhaupt ‘ne Ahnung davon, wieviel Kalorien Eierlikör und Fanta haben?
Ekki hat sich längst auf das Kuschelsofa verkrümelt und ich sehe von ihm nur noch die abstehenden Ohren. Den Rest bedeckt eine Blonde mit ihrer Körperfülle. Ich halte Ausschau nach einer halbwegs passablen Frau, als ich von der Seite angesprochen werde. “Fühlst du dich auch irgendwie son bißken fehl am Platze?” Es folgt ein glockenhelles Gekichere. Ich schnelle herum.
Aber hallo! Sie ist blond, sie ist schlank und sie riecht gut. “Hab ‘ner Freundin einen Gefallen getan. Ich steh nich auf dicke Männer.” Sie nippt an ihrem Piccolöchen.
“Da haben wir ja was gemeinsam. Ich steh nich auf voluminöse Frauen.”
Sie mustert mich von oben bis unten. “Sportliche wie dich find ich knorke.”
Ich präsentiere ihr mit einem ausladenden Grinsen meine weißen ebenmäßigen Zähne und zwinkere ihr keck zu.
Sie nimmt ihren Kaugummi aus dem Mund, klebt es unter den Tresen, streift sich mit ihrer Zunge über die zuckersüßen vollen Lippen und haucht: “Sportliche können länger.” Ihr Augenaufschlag sagt alles. Sie wirft ihre Haare in den Nacken und neigt leicht den Kopf. Ich küsse sie zart unter ihr Ohrläppchen.
“Uiii! Ich kriege ja Gänsehaut. Du hast es aber drauf. Ich heiße Edda.”
In dem Moment rempelt mich jemand unsanft von meiner Sitzgelegenheit herunter.
“Danke, dass du mir den Barhocker neben meiner Freundin frei gehalten hast.”
Die Remplerin ist groß und brünett. Sie zeigt auf die blonde Schönheit: “Das ist meine Freundin.”
“Aha. Aber ich ... “
Sie tätschelt meine Wange. “Keine Sorge. Das ist keine billige Anmache und ich stehe überhaupt nicht auf Hungerhaken, wie du einer bist. Um es sofort klarzustellen. Ich hasse Salatfresser, die morgens mit nüchternem Magen um den See laufen, dabei schwitzen wie ein abgestochenes Schwein, und die Enten vom Gestank reihenweise tot umkippen.”
“Was für ‘n Gestank?”
“Schweißgestank!”
“Aber ich laufe nicht um den See. Ich laufe überhaupt nicht! Draußen steht nämlich mein O...”
“Alles klaro”, sie entschuldigt sich bei mir, “dann gehörst du bestimmt zu den Männern, die essen können, was sie wollen, weil sie einen gut funktionierenden Stoffwechsel haben. Das sind die Schlimmsten!” Sie bestellt sich ein Wasser und prostet mir zu. ”Das sind die, welche die Kalorien der anderen zählen.”
“Wasser hat keine Kalorien”, kläre ich sie auf.
“Siehste! Ich wusste es!”
Edda torkelt vom Barhocker herunter und lallt der Brünetten zu. “Lass bloß meinen kleinen Adonis in Ruhe.” Und stöckelt zur Toilette.
Klein? An mir ist nichts klein. NICHTS!
Hinten in der Ecke keucht Ekki unter dem Fleischberg. Ob ich mal nachschaue? Vielleicht ist er bereits wegen Sauerstoffmangels blau angelaufen.
“Wer oder was steht denn nun draußen?”, fragt mich das braune Gift nun sanft. “Ich hatte dich unterbrochen.”
“Draußen?”
Sie lacht. Ein wunderschönes, angenehmes, dunkles, samtiges Lachen. “Fängt mit ‘O’ an.”
Ach! Jau! “Draußen steht mein OPEL-Manta. Neongelb und aufgemotzt vom Feinsten. Mach ich alles selber. Tuning und so.”
Ihre Augen weiten sich. Grüne Augen. Wie reinster Jade. “Meiner ist rot!” Sie kramt ein Foto aus ihrer Handtasche hervor. “Letztens habe ich mir neue Lautsprecher eingebaut, aber irgendwie habe ich wohl die Drähte vertauscht.” Ihre Wimpern klimpern. “Ich heiße Verena. Und du?”
Ich will ‘s kurz machen. Sie hatte in der Nähe ihre Studentenbude und direkt daneben stand ihr Manta.

* * *

Ich nehme Verena in den Arm. “Es kommt immer darauf an, wie die Pfunde verteilt sind. Bei dir sitzen sie genau an den richtigen Stellen. Du und Zweite Wahl? Erste Sahne würde ich sagen!” Wir lachen.
Echt jetzt. Ohne Scheiß. Meine Frau hat ihre weiblichen Rundungen genau da, wo ich es gerne habe.
“Und was ist nun mit dem Straßenfest? Ekki und Edda kommen auch.”
Nachdem Ekki halbtot unter der Rubenslady hervorgekrochen war, ist ihm die blonde Edda begegnet. Also mir wär die ja zu dürr. Aber Ekki und ich hatten schon immer unterschiedliche Geschmäcker in Sachen Frauen.
Ich gebe mich geschlagen. “Okay, dann spüle ich mit den drei Frauen aus Nummer Eins das Geschirr ab.”
“Du meinst doch nicht etwa diese ausgehungerten Möchte-Gern-Models, mit denen der alte Lüstling Weiherich zusammen lebt?”
‘Genau die! Der Alte hat nämlich noch ‘nen gut erhaltenen Manta in der Garage stehen. Neongrün. Und will partout nicht verkaufen.’

©Anne Zeisig, ENDVersion

Letzte Aktualisierung: 21.07.2015 - 17.06 Uhr
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