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Partystimmung | Juli 2015

Maskenball
von Marcel Porta

Als ich den Saal betrat, fiel sie mir sofort auf. Eine Königin unter Marktweibern! Nicht nur ihr unglaublich gewagtes und schrilles Kostüm wirkte wie ein Magnet für meine Augen - die Figur, das Gesicht, die Haare, jedes Detail an ihr war perfekt. Ich musste sie ansprechen!
„Wenn es hier eine Kostümprämierung gäbe, würden Sie garantiert den ersten Preis gewinnen“, eröffnete ich das Gespräch, als ich mich neben sie an die Bar stellte.
„Gefällt dir mein Outfit wirklich?“, flötete sie, und dass sie mich duzte, erschien mir vielversprechend. Ich musste dran bleiben!
„Es ist unglaublich originell und vor allem ungeheuer sexy“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Oh, vielen Dank, es hat mich viel Zeit gekostet. Ich habe es selbst entworfen und genäht.“
„Fantastisch! Darf ich dir einen Drink spendieren? Quasi als Dankeschön für den wundervollen Anblick?“
„Du bist ja vielleicht ein Charmeur! Aber du darfst mir einen Champagner spendieren. Du gefällst mir.“ Ihr bezauberndes Lächeln ließ mich schweben. Ich musste ihren Namen wissen.
„Wie heißt du?“
„Meine Freunde nennen mich Mandy. So darfst du mich auch rufen, wenn du willst.“
„Weil ich jetzt auch dein Freund bin?“
„Sagen wir mal, du bist ein heißer Aspirant.“ Wieder lächelte sie mich schräg von unten her an und klimperte vielsagend mit den Wimpern. Mann, war ich ein Glückspilz.

Wir unterhielten uns prächtig, lachten zusammen, und aus dem spendierten Glas Champagner wurde eine ganze Flasche. Wir standen dicht beieinander und ich konnte meine Blicke über ihren Körper und ihr Kostüm spazieren lassen. Glitzernde Strasssteine verzierten ihre Riemchensandaletten, die sich bis zur halben Wade hinaufzogen. Ein abstehendes, einem Tutu ähnliches Röckchen, darunter ein Rüschenhöschen in einem zarten Blauton. Der nicht allzu üppige Busen wurde von einem paillettenverzierten Bustier in Schwarz dem Betrachter entgegen gehoben. Wenn Mandy sich etwas vorbeugte, konnte ich fast die Nippel sehen und es fiel mir schwer, woanders hinzugucken.
Wir tanzten zur hämmernden Musik und waren etwas außer Atem und verschwitzt, als wir uns wieder zu einem der Stehtische durchgekämpft hatten.

„Findest du nicht, dass ich ein wenig wie Madonna aussehe?“, fragte sie.
„Doch, dein Kleid würde ihr sicher ebenfalls stehen. Wenn auch garantiert nicht halb so gut wie dir.“
„Ja, das finde ich auch“, lachte sie mit heller Stimme und rückte noch ein Stück näher. „Du verstehst es, einer Dame Komplimente zu machen. Aber weißt du was? Langsam werde ich ein wenig beschwipst.“
„Das macht nichts, mir geht es ähnlich.“
„Oh, dann habe ich an dir also gar keine Stütze, wenn ich umkippen sollte?“
„Oh doch, ich bin auch mit einem Schwips standhaft“, gab ich etwas doppeldeutig zur Antwort.
„Dann lehne ich mich schon mal vorsorglich bei dir an, mein starker Held.“
So nah waren wir uns noch nicht gekommen und ihr dezentes Parfüm umschmeichelte meine Nase. Opium, tippte ich.
Ihr Kopf befand sich an meiner Schulter und ich drückte einen sanften Kuss auf ihr glattes, schwarzes Haar.

Um uns herum tobte der Wahnsinn des Kölner Karnevals, die Musik dröhnte, die schrillsten und unmöglichsten Kostüme drängten sich durch die Gänge, doch ich hatte nur Augen für Mandy. Auch wenn es eine Menge weiterer offenherziger Kostüme und hübsche Weiblichkeit zu sehen gab, mit Mandy konnte es sowieso keine aufnehmen. Wir bildeten eine Oase der Stille und Beschaulichkeit in der Wüste von Lärm und Oberflächlichkeit, die uns rings umgab.

„Wie heißt du eigentlich“, fragte mich Mandy.
„Manuel, und ich finde es toll, dass unsere beiden Namen dieselben Anfangsbuchstaben haben.“
„Küss mich, Manuelito“, forderte sie mich auf. Diese Koseform meines Namens mochte ich besonders und sie bezauberte mich einmal mehr. Obwohl ich sie wegen des Lärms ringsumher nur undeutlich gehört hatte, vertraute ich auf meinen Instinkt.
Erst zart, dann voller Leidenschaft, presste ich meinen Mund auf ihren und unsere Zungen spielten miteinander das uralte Spiel der Liebe.
„Lass uns woanders hingehen, hier ist es zu laut und es gibt so viele Leute“, schlug Mandy vor, als wir unseren intensiven und erregenden Zungenkuss beendet hatten. Wie sehr sie damit meinen Wünschen entgegenkam!
„Ja, du hast recht, gehen wir woanders hin. Was schlägst du vor?“
„Hm, meine Wohnung ist nur fünf Minuten von hier. Wenn du Lust hast ...?“
„Oh ja, gehen wir zu dir.“ Wunder geschahen also doch!

Wir tranken aus, ich half ihr an der Garderobe in den Mantel und wir begaben uns zum Ausgang. Als wir aus der Tür traten, sah ich vor mir ein Schild mit einem Pfeil nach rechts und der Aufschrift: ‚Zum Maskenball der raderdollen Weiber’. Seltsam, von dort kam ich doch gerade. Als ich mich umdrehte und zurückschaute, sah ich das Schild über dem Eingang: ‚Lesben- und Schwulenball’.
Einen kurzen Moment überlegte ich, dann folgte ich Mandy und legte meinen Arm um seine Hüfte.

©Marcel Porta, 2015
Version 2

Letzte Aktualisierung: 23.07.2015 - 20.30 Uhr
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