Mainhattan Moments
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Susanne Ruitenberg und Julia Breitenöder haben Geschichten geschrieben, die alle etwas mit Frankfurt zu tun haben.
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Auf Schatzsuche | August 2015
Last Minute
von Barbara Hennermann

Elvira eilte durch den Discounter. Natürlich hatte sie wieder einmal das Glück gehabt, einen Einkaufswagen mit defekten Rädern zu erwischen.
Plopp ...
„Passen Sie doch auf, wo Sie hinfahren“, kreischte die Frau mit den dauergekräuselten Haaren vor ihr. „´tschuldigung“, murmelte Elvira. Naja, stimmte schon, es tat verdammt weh, wenn einem so eine Karre in die Hacken schrammte ...
Es war, wie es eben immer war. Hektisch.
Elvira warf ihre Sachen auf´s Band, dann wieder zurück in den Wagen und zahlte.
Ein kurzer Blick auf die Uhr ließ ihre Eile anwachsen. Mann, nur noch vier Stunden bis zum monatlichen Termin. Und sie hatte noch nichts! Nicht einmal ansatzweise!
Auf der Rückfahrt nach Hause ließ sie ihren Gedanken freien Lauf. Zum wievielten Mal eigentlich? Wenn sie jetzt nicht schleunigst zu Potte kam, war die Frist vorbei. Ausgerechnet diesmal, wo sie doch mit einem Feuerwerk hatte aufwarten wollen!
„Mensch, du Depp da, wo hast du eigentlich deinen Führerschein gemacht?“ Gut, dass sie alleine im Auto saß. Und gut, dass sie sich eine entsprechende Geste in Richtung Stirn verkniffen hatte. Der „Depp“ saß nämlich in einem Polizeiwagen, wie sie letzten Moment noch mitbekommen hatte. Und fuhr vorschriftsmäßig fünfzig. Elviras Blick schweifte nach rechts. Tatsächlich, sie befand sich schon auf der Hauptstraße, würde gleich zu Hause sein.
Schwungvoll nahm sie die letzte Kurve.
Na super! Nachbar Bertram räumte seinen Keller aus. Sperrmüll. Vor ihrer Einfahrt. Hatte sich denn die ganze Welt gegen sie verschworen?
Da kam er ihr auch schon entgegen, schwitzend und strahlend.
„Elvira, das glaubst du nicht, was ich eben bei den alten Sachen im Keller gefunden habe!“
Offen gestanden war ihr das vollkommen gleichgültig. Sie wollte nichts anderes als rasch in ihre Garage fahren können, den Einkauf verstauen und dann – hoffentlich, hoffentlich! – doch noch rechtzeitig bis zum nahenden Termin etwas halbwegs Vernünftiges aus sich herauswachsen lassen.
Aber Feinfühligkeit war nun mal noch nie Bertrams Sache gewesen. Er deutete ihren missmutigen Gesichtsausdruck natürlich wieder frei nach eigenem Gutdünken.
„Ganz schön voll heute in den Läden, was? Aber macht nichts. Komm mal rasch mit in den Keller. Ich muss dir unbedingt was zeigen!“
Elvira kannte ihn lange genug um zu wissen: nachzugeben kostete sie in seinem Fall weniger Zeit als eine Diskussion darüber, dass sie keine Zeit hätte.
Sie schlurfte hinter ihm die steile Kellertreppe hinab. Jetzt nur nicht noch daneben treten und hinabstürzen!
Von Bertram war nur noch das breite Hinterteil zu sehen, der Rest hing über einer riesigen Holzkiste. „Unglaublisch. Wuschte gar nischt, wasch da allesch an Schätschen schlummert.“ Seine Stimme kam hohl und verwaschen aus dem Untergrund.
Elvira trippelte von einem Fuß auf den anderen. Na klar wusste er das nicht! Seit Jahren wohnte er jetzt in dem uralten Haus seiner verstorbenen Vorfahren und hatte bis heute nicht einmal den Weg in den Keller gewagt!
Oft genug hatte sie ihn schon darauf angesprochen. Aber immer hatte er es auf „später“ verschoben. Das nun würde sie schon interessieren, weshalb er plötzlich ...
Verstrubbelt und mit einigen Schmutzflecken im Gesicht tauchte Bertram wieder aus der Kiste auf. „Also, ich dachte mir, wo ich doch sowieso mal hier aufräumen sollte und morgen Sperrmüll in unserer Straße abgeholt wird ... Naja, eigentlich, weil ich vorhin Fernsehen angemacht habe. Bares für Rares. Höhö. Du glaubst das nicht, was die Leute so anschleppen da. Und was die für den alten Krempel gezahlt kriegen. Wahnsinn! Fiel mir der alte Keller ein. Da muss doch was zu finden sein. Zumindest was Altes. Wer weiß, kriege ich vielleicht ´ne Menge Geld für!“
Sein Redefluss war kaum zu stoppen.
„Und, hast du was gefunden, Bertram?“ So langsam brannte Elvira die Zeit wirklich auf den Nägeln.
„Ja, also – ob das Zeug was wert ist, weiß ich natürlich nicht.“
Er hob ein altes Buch, zwei für Elviras Geschmack grottenhässliche Vasen, drei vergilbte Hefte und zwei völlig zerdrückte Strohhüte hoch.
„Aber das ist erstens noch lange nicht alles, was da drin ist. Und zweitens haben die da sone Experten, die die Sachen einordnen und den Wert bestimmen können.“
Elvira setzte zu einer Antwort an. Doch dann blieb ihr der Mund offen stehen. O Gott, da war sie!

Die Idee, nach der sie tage-, nein, wochenlang gesucht hatte!
Sie drückte dem verschwitzten, verstaubten und völlig verwunderten Bertram einen Kuss auf die Nase.
„Super, Bertram, mach nur weiter! Du findest bestimmt was Tolles! Und – danke dir!“
Dann sauste sie in ihre Wohnung. Die Einkäufe mussten jetzt eben noch etwas warten. Sie fuhr den Rechner hoch, öffnete das Word-Programm.
Erste Zeile, Fettdruck:

„Der Schatzsucher“

Jetzt ging es los.

„Im Keller meines Nachbarn Bertram verstaubte seit Jahren eine riesige Truhe. Eines Tages überfiel ihn plötzlich der Wunsch, ihren Inhalt zu erforschen. Bewaffnet mit einer großen Taschenlampe machte er sich auf den Weg. Muffig schlug ihm die Kellerluft entgegen. Irgendwie unheimlich kam ihm das vor. Aber nun hatte er es sich schon einmal vorgenommen, also los! Der Strahl der Taschenlampe fiel auf die Kiste. Groß war sie, gezimmert aus starken Eichenbohlen und mit Eisenbändern zusammengehalten. Ein mächtiges eisernes Schloss gab ihr den Anstrich besonderer Wertigkeit. Eingehüllt in Staubwolken und zahlreiche Spinnweben beherrschte sie zweifellos den düsteren Kellerraum. Bertram näherte sich mit Vorsicht und mit der Taschenlampe. Leuchtete genauer hin. Besonders auf das Schloss ... Da fehlte nämlich der Schlüssel. Bertram kratzte sich am Kopf und überlegte. Ließ den Strahl der Taschenlampe durch das alte Gewölbe streifen. Definitiv kein Schlüssel. Aber eine Eisenstange dort in der Ecke. Ob sie als Brechstange taugen könnte? Bertram fröstelte. Nicht nur vor der Kälte hier unten, sondern auch vor Spannung. Er befestigte die Taschenlampe so, dass ihr Strahl kontinuierlich die Kiste beleuchtete. Dann nahm er die Eisenstange, setzte sie an und ...“
Ein Schrei ließ die Stille zerbersten.

„Mist, verdammter!“
Elvira stierte auf die Zeitschaltuhr, die eben zu rasseln anfing.
NeunzehnUhrfünfundfünzig.
Noch fünf Minuten, dann war es vorbei.
Sie war nicht fertig geworden mit ihrem Text.
Obwohl ... hieß die Vorgabe nicht „Schatzsuche“? ... und nicht „Schatzfindung?“
So war sie eben in der Schatzsuche steckengeblieben.
Was soll´s?
Und überhaupt ... war es nicht auch ihr ganz persönlicher Schatz, den sie hier einbrachte? So wie alle anderen, die ebenfalls erst nach dem ihren gesucht hatten?

NeunzehnUhrachtundfünfzig.
Jetzt wurde es höchste Eisenbahn!

Elvira suchte die Adresse.
Hängte ihren Schatzsucher an.
Schrieb: „Ihr Lieben, würdet ihr bitte meinen Augustbeitrag hochladen? Herzlichen Gruß Elvira“
Drückte auf „Senden“.

Genau um ZwanzigUhrnullnull ...

V2 08/15 hb

Letzte Aktualisierung: 25.08.2015 - 20.09 Uhr
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