Wellensang
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Die Fantasy haben wir in dieser von Alisha Bionda und Michael Borlik herausgegebenen Anthologie beim Wort genommen. Vor allem fantasievoll sind die Geschichten.
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Auf Schatzsuche | August 2015
Lieber Paul
von Monika Heil

Lieber Paul,
schön, dass es dich gibt. Seit wir beide zusammen sind, vermittelst du mir das Gefühl, mein größter Schatz zu sein. Danke. Als ich dich kennenlernte, befand ich mich in einer tiefen seelischen Krise. Ich war damals sehr allein mit mir und meinem Leben. Ich durchlebte gerade eine Phase, in der ich niemanden sehen und mit keinem Menschen reden mochte. Und hatte doch so viel zu sagen.

War es Zufall, dass ich dich schlafend auf der Parkbank fand? Du wirktest genau so verlassen und schutzlos, wie ich mich damals fühlte. Es war spät abends. Ich ging zu jener Zeit nur im Schutz der Dunkelheit aus dem Haus. Der Park war menschenleer. Hätte ich dich in dieser kalten und finsteren Nacht allein dort liegen lassen sollen? Das brachte ich nicht fertig. Ich hob dich auf, nahm dich in die Hand und drückte dich fest an mich. Es schien mir, als schliefest du friedlich weiter, obwohl deine kleinen schwarzen Knopfaugen offenstanden.

Seitdem bist du mein wertvollster Besitz. Du teilst den Alltag mit mir. Du liegst auf der Sessellehne, wenn ich lese, träume und in Erinnerungen versunken bin. Oder du wärmst dich - wie gerade jetzt - auf dem Fuß der Schreibtischlampe, genießt deren anheimelndes Licht, während ich diese Gedanken zu formulieren versuche. Nachts kuschelst du dich neben mich in die Kissen, schläfst ebenfalls in meinem Bett.

Ich habe dir in den letzten Monaten alles erzählt, was mich beschäftigt. Du warst stets ein guter Zuhörer. Danke, Paul. Ich bin mir sicher, dass sich vom ersten Augenblick an eine Art Gegenseitigkeit der Gefühle zwischen uns entwickelt hat. Das hat mir sehr geholfen. Dank deiner Präsenz fühle mich seit kurzer Zeit wieder aufnahmefähiger und belastbarer. Du tust mir gut!

Heute Morgen ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, warum ich dich Paul genannt habe. Du fragst dich wahrscheinlich: »Warum erst jetzt?« Ich kann es dir nicht erklären. Verdrängung? Vergessen?
Schwache Erklärungsversuche, ich weiß.

Lieber Paul, zur Zeit geht es mir gut, auch, weil es dich gibt. Und nun höre mir bitte aufmerksam zu. Ich habe mir alles genau überlegt. Ich werde morgen einen ganz alten Freund anrufen. Er heißt genau so wie du. Vielleicht lernst du ihn ja eines Tages einmal kennen, wer weiß? In diesem Augenblick wünsche ich es mir so sehr. Ich lese die Frage in deinen Augen. »Und dann?«, willst du wissen. Darauf kann ich dir heute noch keine Antwort geben. Vielleicht später einmal. Vielleicht.

Und noch etwas: Ich denke, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen wird, da du den Alltag nicht mehr mit mir teilen wirst. In meinem Herzen wirst du immer bleiben. Und doch - irgendwann werde ich dich weitergeben. Irgendwohin, wo du dann dringender gebraucht wirst. Ich bin sicher, es sollte von Anfang an nur eine Begegnung auf Zeit sein. Wir werden es beide wissen, wenn dieser Tag da ist. Heute noch nicht, Paul. Aber bald. Ich habe dich lieb.

Version 2

Letzte Aktualisierung: 23.08.2015 - 10.03 Uhr
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