'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
'paar Schoten - Geschichten aus'm Pott
Das Ruhrgebiet ist etwas besonderes, weil zwischen Dortmund und Duisburg, zwischen Marl und Witten ganz besondere Menschen leben. Wir haben diesem Geist nachgespürt.
mehr ... ] [ Verlagsprogramm ]
 SIE SIND HIER:   HOME » MITMACH-PROJEKT » SCHREIBAUFGABE » David Ock IMPRESSUM
NEWSLETTER
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Jetzt anmelden! ]

UNSERE TOP-SEITEN
1.) Literatur-News-Ticker
2.) Leselust
3.) Forum
4.) Mitmach-Projekt
5.) Schreib-Lust-News 6.) Ausschreibungen 7.) Wettbewerbs-Tipps
Auf Schatzsuche | August 2015
Die Suche
von David Ock

Er hielt einen Moment inne, um sich in den dichten Wäldern zu orientieren. Viele Meter ragten die dunklen moosbewachsenen Bäume empor, dicht an dicht, und bildeten hoch über seinem Kopf ein grünes Dach, so dass der ganze Wald in ein düsteres Zwielicht getaucht war. Es gab kaum Büsche, so dass das Vorankommen nicht behindert wurde, aber leicht war es dennoch nicht. Unebener Grund, keine Wege und dicke Wurzeln erschwerten nicht nur den Weg, sondern man konnte auch nur allzu schnell die Orientierung verlieren, denn die Sonne war durch das meist dichte Blätterdach nur sehr selten zu sehen. Meist war er sich ihrer nur vage bewusst und es schien ihm, als ob sie sich vor ihm verstecken würde.
Aber das störte ihn nicht sonderlich, denn er mochte die Sonne nicht. Sie verbrannte ihm die Haut, blendete ihn und außerdem sah er in der vorherrschenden Düsternis einwandfrei. Er fand seinen Weg über den unebenen Waldboden mit einer solchen Sicherheit, als ob er schon sein ganzes Leben hier leben würde und jede Wurzel und jeden Hügel kannte. Gehetzt sah er sich um und eilte dann ohne zu zögern davon.

Was ihn interessierte, was jeden seiner Gedanken vereinnahmte, war der Schatz. Er wusste, dass er ihn finden musste. Der Schatz war sein ein und alles, war seine Bestimmung, seine Aufgabe, sein Lebensinhalt und -zweck. Aber den Schatz zu finden würde naturgemäß sehr schwer sein, so war es doch stets mit Schätzen, und bei diesem umso mehr. Tief in ihm jedoch, sagte ihm eine Stimme, von der er intuitiv wusste, dass sie ihn niemals anlügen würde, dass er diesen Schatz finden würde. Und diese Stimme trieb ihn an, peitschte ihn vorwärts.
Leider hatte der Schatz noch das Interesse vieler anderer geweckt. Gierige Scharlatane, die sich gerne seines Schatzes bemächtigen würden, wenn er ihnen nicht zuvorkommen würde. Die meisten dieser Schatzdiebe stellten kein Problem dar, denn sie wussten nicht, wo sie suchen sollten, ja sie hielten ihn nur allzu oft für einen Mythos. Aber ein paar von ihnen wussten es besser und waren ihm auf den Fersen.
Er hatte sie schon vor Tagen bemerkt, als er auf einem Hügel auf einen Baum geklettert war, hoch hinauf, um sich einen Überblick zu verschaffen. Es war purer Zufall gewesen, dass er sie durch eine Lücke in dem dichten Blättermeer erspäht hatte. Nur allzu gut war er sich bewusst, wer seine Verfolger waren, auch wenn er nicht wusste, wie viele sich an seine Fährte geheftet hatten. Er hatte drei von ihnen gesehen, aber vermutete, dass noch mehr seiner Spur folgten.
Er wusste, dass sie den Schatz für sich beanspruchen würden, diskutieren oder täuschen wäre sinnlos. Und selbst wenn: er wollte den Schatz für sich allein. Er wusste, dass er sie nicht unterschätzen durfte und hatte daher beschlossen seine Verfolger in die Irre zu führen, bevor er den Schatz weiter suchte. Sie durften weder ihn noch den Schatz finden. Schaudernd dachte er daran, was sie mit ihm anstellen würden, denn bei der Suche nach Informationen waren sie nicht sonderlich zimperlich, noch subtil. Dann wandten sich seine Gedanken wieder dem Schatz zu und ein Lächeln stahl sich über sein Gesicht. Nur ein kurzes, scheues Lächeln, dass schnell einer Grimasse grimmiger Entschlossenheit wich.

Er war viele Stunden gelaufen, so schnell ihn sein Füße trugen, ohne Unterlass. Sein drahtiger Körper schmerzte überall, aber dies hielt ihn nicht auf oder verlangsamte ihn auch nur. Dennoch spürte er, dass sich seine Verfolger näherten. Der dichte Wald machte ein vorankommen zu Pferde unmöglich, daher hatte er ursprünglich gehofft seine Verfolger schnell abschütteln zu können, da sie ihre Reittiere zurücklassen mussten, doch genauso, wie er auch, waren sie unermüdlich und von dem Gedanken an den Schatz besessen. Und der Weg zum Schatz führte für sie über ihn, ausschließlich ihn, dessen war er sich sicher.
So sehr er sich auch wünschte, dass es anders sein möge, er musste sich eingestehen, dass sie stetig aufgeholt hatten, und es nur eine Frage der Zeit war, bis sie ihn einholen würden. Bereits jetzt blieben ihm nur zwei oder drei Stunden, so schätzte er, bis sie ihn ergreifen würden. Eine Stimme in ihm schrie vor Wut, eine andere vor Verzweiflung. Er zwang sich unter großen Mühen zur Ruhe, oder zumindest soweit, wie es ihm möglich war. Während seine Gedanken rasten, seine Verärgerung und seine Ängste gegeneinander ankämpften, und zur selben Zeit auch der Schatz ihn lockte, drang wie aus weiter Ferne ein Geräusch an sein Ohr. Zuerst unscheinbar und unwichtig, war es nicht nur leise, sondern fiel ihm auch zuerst nicht weiter auf. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, eine Idee, verzweifelt, aber seine Lage war nicht minder hoffnungslos und ihm rann die Zeit wie Sand durch die Finger.

Er folgte dem Geräusch: dem Murmeln eines Baches. Wenige Minuten später hatte er ihn erreicht, und war enttäuscht darüber, dass er so schmal war, er hatte auf ein breiteres Gewässer gehofft. Auch wenn er schon sehr lange nicht mehr geschwommen war, er war sich sicher, dass er es nicht verlernt hatte und hätte gerne seine Verfolger auf diese Weise abgehängt. Hätte. Denn der Bach war weder sonderlich breit, noch tief und reißend war er schon gleich gar nicht.
Dennoch blieb ihm wenig anderes übrig und er beschloss bachaufwärts zu gehen, in dem Gewässer und hoffte, dass sie seine Spur, seinen Geruch verlieren würden. Sollten sie ihn doch auf der anderen Seite suchen, er würde einen großen Haken schlagen und dann wieder zurück gehen. Daher wo er, wo sie, hergekommen waren. Und dann wäre er sie los, hätte sie abgeschüttelt und würde sich der Suche nach dem Schatz, nach seinem Schatz, widmen können.
Auch wenn der Bach ihm kaum jemals tiefer, als bis zum Knie ging, so kam er doch viel langsamer vorwärts, als er gehofft hatte. Aber da er keine andere Option hatte, stapfte und hüpfte er so eilig vorwärts, wie er konnte. Er hielt inne, als er ein Geräusch vernahm, das nicht von ihm selbst kam. Er hörte ein Platschen in der Ferne. Sie waren ihm nach all dem immer noch auf den Fersen - sein Ablenkungsmanöver war fehlgeschlagen.
Die Zeit rannte ihm durch die Finger und er blickte sich hastig um. Ein umgestürzter Baum in der Nähe fiel ihm ins Auge. Der Baum war riesig und befand sich etwa drei Dutzend Schritte entfernt. Er machte sich eilig auf den Weg, darauf bedacht keine Spuren zu hinterlassen. Während das Platzschen stetig näher kam, legte er sich flach hinter den umgestürzten Baum und schlüpfte so weit zwischen Baum und Erde, dass er kaum noch zu sehen war.

Er schien in sich selbst zusammen zu sinken, wurde noch kleiner, als seine ausgemergelte Gestalt es ohnehin war. Das Blut dröhnte in seinen Ohren und sein Herz schien bersten zu wollen. Verzweifelt versuchte er sich zu beruhigen, denn er fürchtete, dass die anderen seine Angst spüren konnten.
Seine Verzweiflung nahm zu, als er das Knacken eines Astes hörte. Sie waren aus dem Bach gestiegen. Woher konnten sie wissen, wo er war? Wie... Sein Herz setzte einen Schlag aus, als das Knacken ein weiteres Mal ganz in seiner Nähe zu hören war. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken und er erstarrte. Jeder Muskel in seinem Körper war bis aufs Letzte angespannt. Jetzt konnte er hören, wie noch weitere Äste knackten, ebenfalls ganz in der Nähe, es waren noch mindestens zwei weitere Gestalten, eher drei, in der Nähe. Dann hörte er ein Schnuppern, als eine der Gestalten die Luft geräuschvoll durch die Nase einsog.
Die Gestalt, die seine Witterung aufgenommen hatte, kam näher und näher. Er hörte das Knacken der Äste und Rascheln der Zweige immer lauter und die eiskalten Schauer, die er noch vor wenigen Sekunden gefühlt hatte, wandelten sich zu Hitzewallungen. Lava schien durch seine Adern zu pulsieren und das Blut dröhnte derart in seinen Ohren, dass es drohte alle anderen Geräusche verstummen zu lassen. Es wurde dunkler, als die Gestalt den Baumstamm erreicht hatte und sich schnüffelnd über den gestürzten Stamm beugte. Dunkel und kalt.

Die Zeit schien sich plötzlich zu verdicken und floss wie zäher Sirup dahin. In Zeitlupe tauchte der Helm über ihm auf und beugte sich nach unten. Der Helm war grausam anzusehen, mit Zacken an Stellen, an denen es keine geben sollte, geschmiedet aus einem Erz, das dunkel und unheilig wirkte, die Schlitze, die Sicht für die Augen ließen, offenbarten nur Schwärze. Schwärze, in der ein rotes Licht zu glühen schien, ein Licht, das seinen Fokus auf ihn richtete. Er sprang auf und versuchte zu fliehen, aber seine Bewegungen waren ebenso unnatürlich langsam, wie das Geschehen um ihn herum.
Eine behandschuhte Hand schoss vor und packte seinen Arm mit eisernem Griff, noch bevor er fliehen konnte. Er kratzte, schlug, biss und trat. Die gerüstete Gestalt jedoch interessierte all dies kein bisschen. So leicht, als wiege er nichts, stemmte sie ihn in die Luft und während er weiterhin biss, trat und sich vergeblich bemühte sich zu befreien, stieß sie einen unmenschlichen Schrei aus. Einen Schrei, der sich keiner menschlichen Kehle je hätte entringen können. Ein helles Kreischen des Sieges.
Noch während die anderen beiden Gestalten sich ihm ebenfalls näherten, flüsterte der, der ihn festhielt, in einer alten Sprache, die seit Jahrtausenden niemand mehr auf Mittelerde sprach „Wir haben ihn gefunden, mein Meister“.

Copyright David Ock 2015

Letzte Aktualisierung: 25.08.2015 - 20.07 Uhr
Dieser Text enthält 9426 Zeichen.

Druckversion

 LINKTIPPS: Naturwaren Diese Website wird unterstützt von:

www.mswaltrop.de
Copyright © 2006 - 2024 by Schreiblust-Verlag - Alle Rechte vorbehalten.