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Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt | September 2015

Schläft ein Bordellbesitzer ...
von Helga Rougui

... mit der eigenen Ware?

Ein Obstverkäufer beißt auch nicht die Äpfel an, die er verkaufen will. Ware wird gepflegt, poliert, hergerichtet, aber nicht vertilgt.

Es sei denn, es ist die eigene Frau.

***

"Laß mal aufm Rückweg in A... vorbeifahren, da kenn ich ne Kneipe, gutes Essen, vernünftiges Bier ...", hatte Karl zu seinem Kumpel gesagt, mit dem er auf Montage war.
Stahlbau, ständig wechselnde Baustellen, bei Wind und Wetter draußen, und schwindelfrei sollte man schon sein.
Der Kumpel war einverstanden, auf ihn wartete zu Hause niemand.
Karl hatte so seine Idee, die er aber für sich behielt.

Die beiden schlugen gegen neun Uhr abends im "Frankenhof" in A... auf, bekamen noch was zu essen, zogen an die Theke um und genehmigten sich ein paar Bier.
Karl kam mit dem Wirt ins Gespräch. Auf einmal, angelegentlich:
- Ach, übrigens, ist Hilde da?
- Hilde? ... Kenn ich nich.
Der Wirt polierte weiter ein Glas.
- So ne große, schlanke, lange schwarze Haare, blaß, roter Mund ...

Karl kam es vor, als beschriebe er Schneewittchen, nur weniger unschuldig.

Der andere hatte inzwischen überlegt und sagte:
- Ach doch ja - so eine ham wir hier, aber die arbeitet hinten. Wußte nicht, daß die Hilde heißt.
- Hinten?
- Ja, da durch die Tür, den Flur entlang bis ans Ende und dann rechts. "Butterfly Bar". Steht dran.

Karl stand im Flur. Er dachte nach.

Zwanzig war er gewesen, als er sie kennenlernte, seine Frau. Und verlobt war er auch gewesen. Nicht mit ihr. Kein Kind von Traurigkeit, der Karl, der mit 13 seine erste Frau gehabt hatte und dann so einige Freundinnen in loser Folge. Seine Verlobte, ein braves Mädchen aus der Nachbarschaft, himmelte ihn an, und ihre Mutter haßte ihn, weil er das Kind auf Abwege führte, wie sie ihm bei jeder Gelegenheit hinterherzeterte. Aber was wollte sie machen, die Zeiten hatten sich geändert, es waren die Siebziger.

Hilde, das war ein anderes Kaliber.
Er hatte sie in dem Imbiß kennengelernt, in dem er Stammkunde war und sie an diesem Abend aushalf. Blaue Augen, lange Wimpern, schwarze Haare, sie kam ihm vor wie eine Lichtgestalt, nur eher aus der Hölle, eine Märchenprinzessin, sie war aber beileibe kein niedliches Lämmchen, sehr schlagfertig und im Bett die Leidenschaft pur.

Er löste seine Verlobung, nach kurzer Zeit wurde geheiratet. Karl, der abgebrühte Casanova, fühlte sich im siebten Himmel. Es gab genug Arbeit für ihn, so daß sie sich ein schönes Leben machen konnten, wie er fand, es fehlte ihnen an fast nichts. Irgendwann hatte Hilde gemeint, sie könne wieder arbeiten gehen, sie habe einen ziemlich gut bezahlten Job als Thekenkraft in Aussicht in einer Kneipe in A..., er sei sowieso fast immer unterwegs, zu Hause rumsitzen sei nichts für sie und ein bißchen Extrageld für diesen oder jenen Luxus sei nicht zu verachten, nicht wahr.
Was sollte er sagen?

Karl ging den Flur entlang und schaute auf das Schild an der Tür – Butterfly Bar.
Darunter aus billigem rotem Glas eine Lampe in Herzform, in ihrem Inneren ein pulsierendes Licht.
Herzschlag. Schlägt. Setzt aus. Schlägt. Setzt aus. Schlägt. Setzt aus. Schlägt

Zurück im Gastraum.
- Kann ich maln Handtuch haben?
Karl wickelte es um seine zerschnittene Rechte, weckte seinen Kumpel, der schief über seinem halbleeren Bierglas hing, und während er dem Wirt 50 Mark rüberwarf, sagte er:
- Ach, übrigens, der Lampe im Flur ist was passiert.

***

- Den Karl? Den kennt doch jeder hier. "Prinz Carlo" nennen die den. Der hat mit seiner Alten zusammen ein Imperium aufgebaut - die besten Puffs der Gegend. Sie? Ein Prachtweib ist die. Mußt du dir mal ansehen - die Frau lohnt sich ... und die zieht alle Register, so was haste noch nicht erlebt. Ja klar weiß ich das genau ...
Er? Eiskalt ist der, nimmt jede mit, die er kriegen kann, na ja, sitzt ja auch an der Quelle ...
He, kann ich nochn Bier haben?

Letzte Aktualisierung: 22.09.2015 - 19.23 Uhr
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