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Unterwegs | Oktober 2015

Die Reise ans Ende der Galaxis
von David Ock

Da war ich nun unterwegs, auf dem größten Abenteuer in unserer ganzen Entstehungsgeschichte. Die Sterne flogen an uns vorbei, im Dunkel des Alls glichen einem gigantischen Meteoritenschauer und wenn man zu lange hinsah, dann wurde einem schlecht. Jemand sagte mal, dass es an einem sogenannten Massenverschleierungseffekt liegt, aber ich muss gestehen, dass ich von Technik im Allgemeinen sehr wenig Ahnung habe.

Mein Interesse galt bereits von klein auf der Geschichte, und da ich deutlich besser war als meine Kommilitonen, habe ich nebenbei noch Soziologie studiert. Ein Sozio-Historiker. Das geht nicht nur schwer über die Lippen, es gibt auch keine Handvoll von uns und das hat vermutlich seinen Grund, denn außerhalb des musealen Sektors ist damit kein Auskommen zu haben. Umso erstaunter war ich, als gestern wichtige Vertreter der Regierung in meinem Büro auftauchten und mir mitteilten, dass sie meine Dienste dringend benötigen.
Die Frage nach dem intelligentem Leben im Weltraum war nämlich mit Sicherheit geklärt worden, als man ein Objekt aus den Tiefen des Weltraums gefischt hatte. Es hatte ein Signal ausgestrahlt, auf das man durch Zufall aufmerksam geworden war. Man war noch dabei alle Informationen zu dekodieren, aber eines der ersten Dinge, die man erfolgreich ausgelesen hatte, waren die Koordinaten des Ursprungsplaneten gewesen. Der Planetare Rat hatte abgestimmt und sich glücklicherweise für eine friedliche Diplomatiemission entschieden, vorläufig noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und da die fremde Kultur technologisch so weit hinter der unseren war, hatte man „irgendeinen Soziologen oder Historiker oder so“ als begleitenden Berater vorgeschlagen. Die Wahl fiel dann entsprechend auf mich.

Da saß ich nun in einem Raumschiff, mit modernster Technik vollgestopft, die ich kein bisschen verstand, und auch nur in Teilen bedienen konnte. Zum Glück war ich nicht allein, sondern das Team bestand aus insgesamt 23 Leuten, von denen jedoch nur ich und drei weitere auf dem Planeten selbst landen sollten. Die anderen waren zumeist Techniker und Spezialisten auf ihrem Gebiet, welches auch immer das jeweils sein mochte.
Ich verstand ja nicht einmal das Prinzip der Reise mit Überlichtgeschwindigkeit und hatte auch nie damit gerechnet, jemals derart zu reisen. Aber dass ich es nicht verstand, hinderte mich nicht daran die Reise zu genießen. All die fremdartigen Eindrücke brachten in mir den Philosophen zum Vorschein und ich beschloss bei meiner Rückkehr noch ein Studium anzuschließen.
Da reisten wir nun, die voraussichtliche Reisezeit von 4 Monaten hielten wir auch ziemlich genau ein. Unterwegs versorgte uns ein vorausgeschickter Spionagesatellit mit weiteren Informationen, so dass wir die Translatoren auf die Sprache der Wesen vor Ort einstellen konnten. Viele der Informationen waren jedoch obskur, zum Teil sogar widersprüchlich oder faktisch unmöglich. Die Techniker waren sich einigermaßen sicher, dass es sich um gezielte Desinformationen handelte, aber warum und für wen, das blieb unklar.
Wir beschlossen unseren ersten Kontaktversuch bei der fortschrittlichsten Zivilisationen, gemessen am Energieverbrauch, zu unternehmen und um eine Massenpanik zu vermeiden, erst einmal eine rurale Gegend anzusteuern, bevor man sich an größere Mengen wandte. Außerdem war ich unterwegs vom Berater zum Wortführer erklärt worden, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob dies so eine gute Idee war.

Als wir den Planeten ansteuerten, bestiegen ich und der Rest des Bodentrupps die Landekapsel und hielten dann, ganz nach Plan, auf den Doppelkontinent zu, den die Einwohner Amerika nannten und landeten in dem Land Oregon. Ich war, glaube ich, nicht der Einzige, der gleichermaßen fasziniert war von den stets größer werdenden Landmassen, und zugleich vor Nervosität einem Kollaps zu erliegen drohte.
Wir landeten direkt außerhalb einer Kleinstadt auf einem Einsiedlerhof und bemühten uns möglichst wenig Schaden anzurichten, denn ein schlechter Eindruck konnte verheerende Folgen für die Zukunft unserer Rassen haben. Die Monitore zeigten, dass das Licht im Haus anging (es war Nacht, als wir ankamen) und die Tür aufging: man hatte uns offensichtlich bemerkt.

Voller Ungeduld warteten wir darauf, dass die Landeluke sich gesenkt hatte und traten in unseren Anzügen hinaus auf den Planeten Erde. Uns gegenüber standen zwei Menschen in der Tür und besahen uns mit aufgerissenen Augen. Etwas verlegen trat ich vor und begrüßte die Menschen, so wie ich es während der letzten Wochen immer wieder geprobt hatte. Aus dem Translator war folgendes zu vernehmen:
„Seid gegrüßt, Menschen vom Planeten Erde“
„Hi“ kam die lapidare Antwort, die mir fast simultan übersetzt wurde.
Nun, vermutlich war der Mann reichlich überrascht, man konnte es ihm nicht verdenken. Ich vermutete aufgrund der Gesichtsbehaarung jedenfalls, dass es sich um einen Mann handelte. Um Missverständnissen vorzubeugen und ihm Zeit zu geben, sich zu fassen, sagte ich: „Wir kommen in Frieden.“
Der Mann gab einen Laut von sich, der wenig überrascht klang und vom Translator nicht überWesetzt wurde, gefolgt von: „Wollt ihr uns jetzt Analsonden einpflanzen?“
An dieser Stelle war ich etwas überrascht, denn auf derlei Gebräuche hatten unsere Informationen nicht schließen lassen. Ich hatte eher mit einem Extremitätenschütteln gerechnet. Etwas verwirrt, aber sicher, dass ich DIESE Grenze nicht überschreiten würde, und wenn die Verständigung unserer Völker daran scheitern sollte, antwortete ich „Nein, lieber nicht.“ Ein kurzer Blick auf meine Kollegen genügte mir um sicher zu gehen, dass sie meiner Meinung waren.
„Und ihr werdet sicherlich keine Analsonden einsetzen?“
„Es tut uns schrecklich leid, aber wir sind darauf nicht vorbereitet.“ antwortete ich, immer noch sehr irritiert von der Analfixierung des Erdlings.
Es herrschte einen Moment lang Stille, bis der Mann dann bemerkte „Braucht eh keiner nicht.“
„Wieso wird so etwas benötigt?“ entfuhr es mir entsetzt, was der Translator prompt übersetzte.
„Was meinst du?“ fragte der Mensch.
„Entschuldigung?“
„Wofür?“

Irgendwie herrschte dann wieder Stille, und wir starrten einander an. Die Nervosität meiner Begleiter war offensichtlich, ich jedoch war viel zu verwirrt um nervös zu sein. Über die Comanlage gab mir ein Bordtechniker zu verstehen, dass der Translator in Ordnung sei, was ich jedoch nur schwer glauben konnte. Entweder der Translator oder der Mensch – einer von beiden funktionierte nicht ordentlich. Da der Mensch uns nur mit offenem Mund ansah, in dem er etwas weißes wiederkaute, drängte sich mir so langsam der Verdacht auf, dass der Translator vielleicht doch tadellos funktionieren könnte.
Da ich keine wirklich gute Idee hatte, wie ich diese verzwickte Situation lösen konnte, entschloss ich mich dazu nochmal von vorne anzufangen und sprach betont langsam und deutlich: „Wir kommen in Frieden“
Der Mensch verzog die Augen zu kleinen Schlitzen und musterte mich intensiv, während er sagte „Und als nächstes wollt ihr, dass ich euch zu unserem Führer bringe?“
Erleichtert, dass ich in Bälde einen qualifizierteren Ansprechpartner haben würde, antwortete ich „Ja, das wäre überaus nett von Ihnen“
„Es gibt keinen Weg nicht, dass das passiert.“
Die Freude über die umständlich formulierte Zusage, erleichterte mich dann doch sehr „Dann lassen Sie uns doch am besten gleich aufbrechen.“
Aus mir unerfindlichen Gründen jedoch war der Mann sehr erbost und fragte mich „Vögelst du mit mir?“
„Nein, lieber nicht.“ wies ich das Angebot so höflich zurück, wie es mir unter den gegebenen Umständen möglich war. Davon abgesehen, dass es eine Reihe von zwischenartlichen Problemen gab, kannten wir uns ja nicht einmal richtig; zumal die zornige Redeweise mir zeigte, dass die Kontaktaufnahme nicht wirklich gut verlief.
„Also, ich hole jetzt meine Knarre und wenn ihr immer noch da seid, wenn ich zurück komme, dann pumpe ich euch mit Blei voll.“ Der aggressive Inhalt stand im starken Kontrast zu der Sprechweise, die wieder sehr ruhig geworden war.
Auch wenn mir eine Stimme aus der Comanlage versicherte, dass die Anzüge eine ballistische Panzerung hatten, die mich vor konventionellen Erdenwaffen schützte, so wollte ich diese Behauptung doch nicht dem Praxistest unterziehen und schaute mich nach meinen Begleitern um, ob sie das genauso sahen. Da ich von meinen Gefährten nur noch einen erblickte und auch dieser just in diesem Moment durch die Landeluke im Raumschiff verschwand, wertete ich die Mission in stillem Einverständnis als gescheitert. Ich folgte den anderen Mitgliedern der Landemannschaft und als der Mann wieder in die Tür trat, erhoben wir uns bereits wieder, dem Trägerschiff entgegen.

Die Rückfahrt verlief sehr gedrückt und ich konnte die Aussicht plötzlich nicht mehr genießen. Jedes Mal, wenn ich nach draußen blickte, wurde mir umgehend speiübel. Daher verbrachte ich die Reise mit Lesen von Literatur und dem Verfassen des Abschlussberichtes. Natürlich würde der Planetare Rat auch die Audio- und Videoaufnahmen bekommen, aber da ich nun einmal Berater war, wurde eine Expertise von mir erwartet. Der mehrseitige Bericht enthielt überproportional häufig Wörter, wie irrational, aggressiv, unverständlich. Ich schlug vor den Planeten zur Sperrzone zu erklären und weitere Kontaktversuche vorerst einzustellen, ihn jedoch unbedingt sorgfältig zu beobachten. Als Fazit blieb nur die Erkenntnis, dass unsere Reise, wie die Erdlinge es ausdrückten, für den Arsch gewesen war.



Copyright David Ock 2015

Letzte Aktualisierung: 21.10.2015 - 20.10 Uhr
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