Honigfalter
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Spott und Hohn | Juni 2016
Le corbeau et le corbeau
von Eva Fischer

„Halt den Schnabel, Kasimir!“
„Ich habe Hunger!“
„Du hast doch reichlich zu Mittag gehabt. Kannst du dich nicht bis zum Abendessen beherrschen?“
„Mein Magen knurrt wie ein wütender Hund.“
„Dann lass ihn knurren! Das macht weniger Lärm als dein Gezeter. Du lockst damit nur unsere Feinde an.“
„Wir sind doch hier oben gut geschützt.“
„Oh Mann, Kasimir! Streng doch mal dein Spatzenhirn an! Unsere Feinde leben nicht nur auf dem Boden, sondern kommen auch aus der Luft. Andere haben genauso Hunger wie du.“
„Pauli, du machst immer einen auf schlau, aber sag mir, ist es nicht besser, wir geben unseren Eltern einen Tipp, wo sie uns finden.“
„ Für wie bescheuert hältst du eigentlich unsere Erzeuger? Die finden uns jederzeit, sogar im Dunklen. Dazu brauchst du deinen Schnabel nicht so aufzureißen.“
„Ich finde, sie sind spät dran heute. Sie suchen uns bestimmt.“
„Halt endlich die Klappe und träume von mir aus von Würmerspaghetti mit Löwenzahnsalat.“

„Pauli!“
„Ja?“
„Der Traum macht mich noch hungriger.“
„Dann träume von etwas anderem.“
„Mir fällt aber nichts ein.“
„Wie wäre es mit ,Wer hat Angst vor der schwarzen Katze?’“
„Und wenn sie aber kommt?“
„Dann fliegen wir davon!“
„Ich kann aber noch gar nicht fliegen, Pauli, du?“
„Wir sind Nesthocker und haben noch etwas Zeit.“
„Was ist, wenn wir es nicht lernen?“
„Das hat bisher jeder gelernt, selbst so ein Kleinhirn wie du.“
„Stell dir vor, wir könnten schon fliegen, dann könnte ich mir jetzt selbst ein paar fette Regenwürmer holen.“
„Ja. Ich stelle es mir vor. Und nun sei endlich still!“

„Pauli!“
„Hmm. Was ist jetzt schon wieder?“
„Ich glaube, ich probiere es.“
„Was?“
„Das mit dem Fliegen. Du hast gesagt, das lernt jeder, also auch ich.“
„Man kann Entwicklungsphasen nicht überspringen. Du schon gar nicht!“
„Ich will ja auch nicht springen, sondern fliegen.“
„Nerv mich nicht, Bruderherz! Mach, was du willst!“
„Also, lässt du mich fliegen?“
„Klar, dann kriege ich nämlich deine Portion Würmer.“
„Ich hätte aber noch vor dir Futter.“
„The early bird catches the worm.“
“Was?”
“Ach, vergiss es! Flieg einfach, wenn dir danach ist! Aber jammere mir nichts vor, wenn du eine Bruchlandung hinlegst.“
„Was ist eine Bruchlandung?“
„Flieg endlich, du Dummkopf!“

„Pauli, ich bin unten.“
„Das sehe ich.
Auch die schwarze Katze, die um die Ecke biegt. Es geht eben nichts über die Vogelperspektive. Die Evolution sorgt dafür, dass die Starken überleben und dazu gehörst du definitiv nicht. Adieu, Brüderlein! Es war nett mit dir.“

„Pauli, wo ist dein jüngerer Bruder? Habe ich dir nicht gesagt, dass du auf ihn aufpassen solltst.“
„Er war nur um zehn Minuten jünger, Mama.“
„Versuche nicht wieder mit mir zu diskutieren! Wieso WAR?“
„Er wollte fliegen. Wie konnte ich ihn daran hindern? Bin ich der Hüter meines Bruders?“
„Genau das bist du, hättest du zumindest sein sollen. Aber jetzt such nach Kasimir, fliege ihm hinterher!“
„Könnte ich mich vorher mit ein paar fetten Würmern stärken? Ich sehe doch, dass du welche mitgebracht hast.“
„Plenus venter non studet libenter, mein Sohn.“
„Ich will weder studieren, noch fliegen, Mama. Mir gefällt es recht gut in diesem Nest.“
„Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Jetzt ist es zu spät!“
„Die Katze hat Kasimir verspeist. Willst du, dass ich das gleiche Schicksal erleide, Mama?
Ich bin jetzt dein einziger Sohn.“
„Bin ich eine Rabenmutter oder nicht? Also, flieg endlich los!“
„Wie kann ich von einer Rabenmutter Bruderliebe lernen?“
„Deine dämlichen Argumente ziehen bei mir nicht mehr. Ich füttere jedenfalls keinen Sozialschmarotzer durch. Entweder du fliegst oder du verhungerst.“
„Ok. Kannst du mir wenigstens noch ein paar Flugstunden geben?“
„Mache es wie ich! Spanne die Flügel auf und lasse dich durch die Luft gleiten!“
„So einfach?“
„So einfach!!“

„Uahh!“
„Halte den Schnabel, Pauli!“
„Ich habe Angst, Mama!“
„Das gehört beim ersten Mal dazu.“
„Mir wird schlecht.“
„Spanne die Flügel auf!“
„Die wollen nicht, wie ich will.“
„Du schlingerst wie eine besoffene Ente! Du trudelst wie ein blinder Maulwurf, der sich auf einen Ast verirrt hat!“
„Lachst du mich etwa aus?“
„Ich bin nicht allein. Die ganze Buchenallee amüsiert sich über das Spektakel.“
„Das ist unfaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaiiiiiiiiiiiiiiiiiiiir!“

Letzte Aktualisierung: 21.06.2016 - 07.23 Uhr
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