Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
In diesem Buch präsentiert sich die erfahrene Dortmunder Autorinnengruppe Undpunkt mit kleinen gemeinen und bitterbösen Geschichten.
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Spott und Hohn | Juni 2016
Vom Sammeln und Wiegen
von Gerhard Fritsch

Fünf Jahre war es nun her, dass Erashleo und Mandsgum – wenn auch notgedrungener Maßen - ihre Schafzucht gegründet und nahezu perfektioniert hatten (der geneigte Leser mag sich vielleicht noch an die Geschichte „Erashleos Flower Power“ vom Juli 2011 erinnern). Aber weder Erashleo noch Mandsgum waren gelernte Schäfer. Sie hielten die Schafe, die ihnen zugelaufen waren, ausschließlich auf ihrer eigenen Wiese, die sich gleich hinter dem alten Bauernhaus befand, das Erashleo dank einer unerwartet erhaltenen Erbschaft erworben hatte. Die anfängliche Begeisterung aber schwand, als die barfüßig laufende Mandsgum in eine der warmweichen Hinterlassenschaften der blökenden Grasfresser trat und erst einmal entsetzlich jaunerte. Schnell wurde ihnen klar, dass die weidenden Schafe zwar schön anzusehen waren, die Wiese aber sehr darunter litt, weil das Gras nicht so schnell nachwachsen konnte, wie die Tiere es wegfraßen und das Grundstück mehr und mehr mit Schafskot übersät war. Erashleo glaubte, das Problem gelöst zu haben, als er die Weide in zwölf gleich große Parzellen einteilte und die Schafe jeden Monat in eine andere davon trieb. Doch selbst das nützte nicht viel, weil die einzelnen Parzellen dafür dann jeweils bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren und umso länger brauchten, sich zu regenerieren.
„Na gut“, meinte Mandsgum, „dann musst Du die Häuflein eben aufsammeln!“
Erashleo aber ekelte sich ebenso davor wie seine Freundin. Deshalb schlug er vor, es andere Leute machen zu lassen.
„Ja, gute Idee“, sagte Mandsgum. „Dazu musst du aber Anreize schaffen, sonst kommt niemand.“
Und wieder hatte Erashleo eine geniale Eingebung: „Wir machen einen Wettbewerb draus, jeden Monat einen. Wer am meisten aufsammelt, dem spielen wir ein Lied vor und verleihen ihm eine Ehrenkrone.“
„Und mit den eingesammelten Haufen machen wir noch Geschäft“, jauchzte Mandsgum. „Den Dreck verkaufen wir als Dünger oder als Brennstoff. Wirklich klasse Idee! Supie, supie.“
Sofort luden sie Freunde, Bekannte und Verwandte dazu ein und baten sie, es ihrerseits weiterzuerzählen. Der Erfolg war überwältigend. Isolde Biedermann, die die letzten 24 Jahre im Weltraum zugebracht hatte und noch in ihrem Raumanzug steckte, kam als erste. Sie hatte den Abschied von ihrem geliebten Mann Ernst-August immer noch nicht verwunden, der sie immer mit einem Strauß roter Rosen vom Flughafen abgeholt hatte. Ihr kam die Arbeit bei Erashleo und Mandsgum als Abwechslung gerade recht. Sie brachte gleich einige ihrer besten Freundinnen mit: ihre Cousine Gerlinde, die eigens dafür ihre Kunstgalerie in Cornwall für ein paar Tage schloss, und Dorothee, die sich für ihren Blumenladen nicht viel weiter unten am Fischerhafen von Helston eine Vertretung suchte. Hannelore, die sich in der Nähe von Malmö ein altes Landhäuschen liebevoll hergerichtet und sich auf das Schreiben von Liebesromanen spezialisiert hatte, folgte dem Hinweis Isoldes genauso schnell und freudig wie Elisabeth, die in Stockholm ein Antiquitätengeschäft als Geschäftsführerin leitete. Auch Bienzerella, die sich in der Normandie mit dem Malen von Aquarellbildern ihren Lebensunterhalt verdiente, kam angereist. Von Erashleos Verwandten kam sogar sein Onkel Roberto, der mittlerweile schon an die Achtzig sein mochte. Ihm fehlten schon einige Zähne, so dass er beim Reden lispelte und den Sprachfehler, mit dem er früher immer lustig wirken wollte, gar nicht mehr vortäuschen musste. Ja, und der Peterheiner kam und ein alter, immer und zu allen übertrieben zuvorkommender Freund aus dem Osten, dem sie einen Zettel mit seinem Spitznamen BlemBlem auf den Rücken klebten, und Krimskra, die von sich selbst glaubte, die besten Sauerkrautklöse der Welt zubereiten zu können, und Jocross, der sonst immer auf der Autobahn unterwegs war, und noch viele mehr.
Das Einsammeln des Schafskotes bereitete allen dem Anschein nach sehr viel Freude und jede und jeder von ihnen strebte danach, als Sieger daraus hervorzugehen. Tag und Nacht wurden Häufchen aufgelesen und zum Wohnhaus gebracht. Für Mandsgum und Erashleo ergab sich dadurch aber ein neues Problem. Sie waren einfach damit überfordert, alles genau zu zählen, abzuwiegen und zuzuordnen. Mitunter waren die Haufen nämlich zahlenmäßig gleich aber von unterschiedlichem Gewicht, zum Beispiel deswegen, weil frische noch feucht und deswegen schwerer waren. Das wussten natürlich auch die Sammler. Manche von ihnen versuchten sogar, das Ergebnis zu manipulieren, indem sie auf ihr Sammelgut spuckten.
Erashleo und Mandsgum beschlossen daher, das Auszählen und Bewerten den Teilnehmern ihres Wettbewerbs selbst zu überlassen. Sie ersparten sich dadurch nicht nur Arbeit, sondern waren auch vor Anschuldigungen gefeit, nicht richtig gewertet zu haben. Und tatsächlich beteiligten sich wieder alle mit voller Begeisterung, glaubten sie doch, eine überaus wichtige Aufgabe zu lösen. Das spielte sich über die Monate hinweg gut ein. Erashleo und Mandsgum konnten sich zurücklehnen, entspannt dem Treiben zusehen und sich des Anblickes ihrer weidenden Schafe erfreuen. Nur das mit dem Verkauf des angesammelten Schafkots klappte nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Sie gaben Anzeigen in Zeitungen und im Internet auf, die da lauteten wie: „Schafdünger günstig abzugeben“ oder „Getrocknete Schafscheiße exzellenter Brennstoff für ihren Kamin“. Sogar in englischer Sprache wurde geworben: „ Extra extra, read all about it: Sheepshit Best 4u And Your Garden“. Doch der Erfolg aller Werbemaßnahmen blieb recht bescheiden. Schließlich meinte Mandsgum, die über die wachsenden Berge von Schafsmist vor ihrer Haustüre mittlerweile sehr aufgebracht war, man solle die ganze Scheiße wenigstens den Teilnehmern der Sammelaktionen selbst mit einem saftigen Rabatt zum Kauf anbieten.
Und wieder einmal hatte sie damit ins Schwarze getroffen. Isolde, Krimskra, BlemBlem, Roberto und alle andern waren hellauf begeistert. So sorgten sie auch dafür, dass Erashleos Schafzucht weiterhin gut gedeihte.

Letzte Aktualisierung: 14.06.2016 - 19.00 Uhr
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