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Spott und Hohn | Juni 2016
Die Perle
von Monika Heil

Gut, so richtig adelig war Heidelore von Schöneck geborene Sander nicht. Das war nur ihr Mann. Edwin-Pascal von Schöneck gehörte einem alten mecklenburgischem Geschlecht an. Er bezeichnete sich gern als Gutsherr, obwohl er keines bewirtschaftete. Dafür nannte sich Heidelore Schauspielerin, obwohl sie keine Rollen bekam. Sie hatte vor mehr als zehn Jahren zwei-, dreimal kleine Angebote bei noch kleineren Provinzbühnen ergattert. Zuletzt wirkte sie bei den Mecklenburger Freilichtspielen mit. Auf die große Bühne reichte es nie. Unter Fachleuten galt sie als nahezu talentlos. Sie war sehr hübsch. Glücklicherweise war ihr, kurz bevor sie dreißig wurde, Edwin-Pascal von Schöneck begegnet. Und mit ihm ihre große Liebe. Zumindest eine Zeitlang.

Seine Vorfahren hatten ihren Grundbesitz im 19. Jahrhundert erworben. Sie hatten ein selbst für damalige Verhältnisse riesiges Landhaus gebaut und sich über viele Generationen als Gutsbesitzer einen Namen gemacht. Nach dem Krieg war der damalige Gutsherr Lorenz von Schöneck in den Westen geflohen. Das Gutshaus wurde enteignet und durchlebte in der sozialistischen Folgezeit diverse Phasen der Nutzung. Zuletzt war es als staatliches Kinderheim missbraucht worden. Nach der Wende kaufte Edwin-Pascal von Schöneck, der als Immobilienmakler mal mehr, mal weniger Geld verdiente, den Besitz seiner Väter zurück. Und kurz darauf in Teilen weiter. Dank der Zuschüsse der Europäischen Union war es inzwischen erneut zu einem ansehnlichen Ensemble mit Park und allem Pipapo erblüht. Eine Hotelkette hatte den größten Teil des Anwesens käuflich erworben und zu einem komfortablen Landhotel mit Wellness-Oase umgestaltet.

Edwin-Pascal und seine Heidelore lebten in dem ehemaligen Kutscherhaus, das sie von ihrem eigenen Geld restauriert, saniert und zu einer ansehnlichen Villa ausgebaut hatten. Sein Einkommen reichte - zumindest meistens - um seiner Frau fast alle Wünsche zu erfüllen und ihr diverse Extravaganzen zu gestatten. Als sie unbedingt Personal wollte, engagierte er eine Haushälterin.

Marie Rundhals hieß die Perle. Sie war jung, hübsch und entpuppte sich als eine überaus selbstbewusste Person. Während Heidelore sich mit ihren Freundinnen zum Golfen traf, die Wellnessabteilung des Hotels nebenan genoss oder einfach nur mit ihrem Cabrio durch die Gegend gondelte, erledigte Marie alle anfallenden Arbeiten im Haushalt. Wie gesagt, sie war fleißig und rührig. In jeder Hinsicht.

Eines Morgens - Edwin-Pascal kümmerte sich gerade um eine vielversprechende Immobilie in Hamburg - servierte Marie das Frühstück. Die Laune der gnädigen Frau - eine Anrede, auf der Heidelore bestand - schien gut zu sein. Also sprach Marie:
»Gnädige Frau, ich hätte da gern etwas mit Ihnen zu besprechen.«
»Nur zu, Marie, was haben Sie auf dem Herzen?«
»Ich denk´,gnädige Frau, nach fast zwei Jahren ist es Zeit für eine Gehaltsaufbesserung.«
»Aber Marie. Mein Mann bezahlt mehr als den sogenannten und völlig schwachsinnigen Mindestlohn. Warum sollte er Ihnen noch mehr zahlen?«
»Weil ich es mir verdient habe, gnädige Frau und weil Sie es ihm empfehlen werden.«
»Nennen Sie mir einen Grund, Marie, nur einen.« Heidelore lächelte ihre Kaffeetasse an, während sie aufmerksam Zucker einrührte.
»Ich könnte Ihnen leicht mehrere nennen, gnädige Frau.« Maries Augen blitzten vor Vergnügen. Flüchtig bedauerte sie, dass ihre beiden Freundinnen Anna und Sabine, die als Zimmermädchen im Hotel arbeiteten, das Gespräch nicht mithören konnten. Madame Wichtig, wie sie bei dem Trio nur genannt wurde, plusterte sich auf.
»Na, da bin ich aber sehr gespannt, Marie. Nur zu. Ich höre.« Heidelores Blick glitt über die Auswahl im Brötchenkorb, während ihre Hand langsam darüber hinweg schwebte, als wolle sie das Angebot segnen.
»Ich kann besser kochen als Sie.«
Jetzt hatte die junge Frau ihre Aufmerksamkeit.
»Wer sagt das, Marie?«
»Der gnädige Herr, gnädige Frau.«
Heidelore schüttelte missbilligend den Kopf. Ihre makellos unordentlichen Locken folgten jeder Bewegung.
»Wie kann er so etwas behaupten? Ich koche doch nie.«
»Eben, gnädige Frau.« Marie mischte eine Prise Ironie in ihre Stimme. »Das aber ist ja auch nicht der einzige Grund.«
Hinter Heidelores Stirn sammelten sich Fragezeichen.
»Sondern?«
»Ich bügele besser als Sie.«
Maries Wangen überzog ein zartes Rosa während sie an die Situation dachte, als der gnädige Herr das gesagt hatte. Da lag sein weißes, frisch gestärktes und gebügeltes Hemd sichtbar und in aller Eile hingeworfen auf dem Flokati vor dem Bett in ihrem kleinen Appartement, das sich im Souterrain der Villa befand. Madame Wichtig wussten beide zu jenem Zeitpunkt in guten Händen bei ihrem Personal-Trainer im dreißig Kilometer entfernten Sportzentrum.

Heidelores Augen nahmen für den Bruchteil einer Sekunde einen gehetzten Blick an, bevor sie bemüht gelassen murmelte:
»Hat das auch mein Mann behauptet?«
Heidelore versuchte, ihr Lachen ironisch klingen zu lassen. Es klang, als rollten Metallkugeln über ein verrostetes Blech. Dieser seltsame Ton trieb Maries Gedanken sofort in die Gegenwart zurück.
»Jawohl, gnädige Frau.«
Heidelore wurde so blass wie die Serviette in ihrer Hand, die sie genau so wenig gebügelt hatte, wie die Hemden ihres Gatten. Ihre Mimik zerbröselte und ihre Stimme schrillte in die Höhe.
»Haben Sie noch mehr überzeugende Gründe, Marie?«, zischte sie.
»Ja, gnädige Frau. Ich bin besser im Bett als Sie.«
Marie, die ihren Kopf gesenkt hatte, damit Madame nicht den Schalk in ihren Augen bemerkte, riskierte nun doch einen Blick auf Heidelore, die hörbar nach Luft schnappte.
»Sagen Sie mir jetzt bitte nicht, dass das auch mein Mann behauptet hat«, japste sie wenig damenhaft.
»Nein, gnädige Frau, das sagt der Portier vom Hotel nebenan.«

Totale Stille. Die Damen schienen sogar das Atmen eingestellt zu haben. Es dauerte nur ein paar Sekunden. Dann säuselte Heidelore:
»Okay, Marie. An welchen Betrag haben Sie gedacht?«

Version 1

Letzte Aktualisierung: 08.06.2016 - 19.17 Uhr
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