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Spott und Hohn | Juni 2016
Der Erbsenfänger im Roggen
von Katharina Strzoda

„Auf keinen Fall kann ich das machen, Leute!“
Mit zitternden Fingern drehe ich mir eine Zigarette und reiße das Streichholz am modernen Glasgeländer an.
Es zieht ganz schön hier oben im 14. Stock, aber Chris hatte beharrlich darauf bestanden auf die stylische Dachterrasse zu gehen.
Er war diese Woche an der Reihe, den Ort für unseren Stammtisch zu bestimmen, aber diese „In-Bar“ hat offensichtlich ihre Schwachstellen („Fabian Holden, ich weiß, du gibst nicht viel auf Verbote, aber vergiss das mit dem Rauchen hier drinnen. Denk daran, das ist ein Hochhaus. Wenn hier wegen der Schwaden deiner selbst zusammengemischten Kräuter die Rauchmelder losgehen, dann wird das ganz schön teuer! Dafür musst du monatelang deine selbstgestößelten und veganen Kaffeespezialitäten verkaufen.“)
Wenigstens lassen sich die anderen aus solidarischen Gründen mit mir zusammen durchpusten, obwohl keiner von uns passend gekleidet ist.
Jens hat sein Cord Sakko mit den beigen Ellbogenflicken in seinem E-Smart gelassen und trägt nur das jägergrüne karierte Hemd; Matze hat seine Trainingsjacke im Opel gelassen und trägt nur eines seiner üblichen Fußballtrikots; Chris hat sein Hugo-Boss Jackett im Benz gelassen und trägt nur sein weißes Slim Fit Hemd; und ich habe meine silberne Bomberjacke mit dem Aufnäher gegen Atomkraft in der Gepäcktasche meines Hollandrads gelassen und trage nur mein graues ausgebeultes T-Shirt mit dem Pudel und dessen übergroßen Kopfhörern. Nur David hat seine „Jacke“ nicht in Matzes Auto lassen wollen, bei dem er mitgefahren ist.
Er hat sich jetzt in seinen Hobbitumhang eingewickelt, streckt aber die eine Hand heraus und untermalt mit erhobenem Zeigefinger seine Meinung.
„Einen Versuch ist es Wert, Faby! Wer nicht kämpft, hat schon verloren! Ist zwar ein Zitat aus dem Transformers Film, aber drum nicht weniger wahr.“
Jens schüttelt pikiert den Kopf. „Mein Gott, David, das ist ein Zitat vom guten alten Berthold Brecht, sowas sollte man eigentlich wissen. Aber, und da muss ich dir zustimmen, wer kämpft kann verlieren, aber aus Versagensangst gar nicht erst aktiv zu werden, ist erst recht keine Lösung. Fabian, wenn du das machst, bist du total gesellschaftskritisch! Und das willst du doch, oder? So seid ihr Hipster doch!“
„Oh Gott“ Ich raufe mir meine unbezähmbare Mähne. „Ich hasse Hipster! Und was genau soll gesellschaftskritisch daran sein, ein Mädchen anzusprechen?“
„Das ist doch ganz klar! Du rebellierst gegen die unausgesprochenen Konventionen, sich einen Partner in derselben sozialen Gruppierung zu suchen.“
„Ach…“ Ich setze mich auf den Rand eines indirekt beleuchteten Palmenkübels und verschränke die Arme. „Und wie kommst du darauf, dass Sophie nicht in derselben sozialen Gruppierung ist, wie ich? Sie frequentiert immerhin regelmäßig meinen angeblichen Hipster-Laden!“ Die Ausdrücke ‚soziale Gruppierung‘ und ‚Hipster‘ setze ich in imaginäre ironische Anführungsstriche.
Jetzt schaltet sich auch Matze ein, der als mein bester Freund ab und zu bei mir an der Kasse aushilft. „Sie trägt zeitlos elegante Markenklamotten, hat gepflegte Haare, riecht immer frisch geduscht und dezent parfümiert und hört aktuelle Pop-Charts. Kurz gesagt: sie ist in jedem Punkt das absolute Gegenteil von dir!“
„Moment mal, Matze! Woher weißt du denn was sie für Musik hört?“
„Na gut, das mit dem Musikgeschmack war eine Annahme. Aber genauso sieht sie doch aus! Wie ein gebildetes Mädchen aus der Oberschicht, das brav BWL studiert und am Wochenende Tennis spielt. So eine Klassefrau… Sei doch mal ehrlich, die spielt in einer ganz anderen Liga.“
Die Runde nickt einstimmig zustimmend.
„Leute! So langsam fühle ich mich aber auf meinen Secondhand-Schlips getreten… Was heißt denn hier andere Liga? Ich muss schon sagen, meine sogenannten Freunde, ihr legt euch nicht gerade ins Zeug, mich zu motivieren sie anzusprechen. Was ich eigentlich mit meinem Satz ‚das kann ich auf keinen Fall machen‘ zum Ausdruck bringen wollte ist: es ist gegen meinen Berufsethos Damen in meinem eigenen Café anzubaggern…“
Matze bricht in schallendes Gelächter aus. „Wenn ich so aussehen würde wie du, dann würde ich Frauen auch nur auf neutralem Terrain anbaggern und nicht in meinem eigenen Café, von wo ich im Falles des Falles nicht schnell die Düse machen könnte.“
Chris streicht sich über sein Baby-Popo Gesicht, das mit seinem gegelten Haar und dem bügelfaltigen Hemd eine Symbiose an Aalglätte bildet.
„Tatsache ist, Faby, dass dein ganzes Erscheinungsbild wegen deinem Wikingerbart recht gammelig daherkommt.“
Ich streiche mir durch den angesprochenen prächtigen Rauschebart und spüre da etwas.
Ich pule einen angebissenen Rest Tortilla Chip mit Käsegeschmack heraus und knuspere das mit
Geschmacksverstärkern bestäubte Stück gebackenen Maisbrei genüsslich.
„Boah, Alter, ich habe gelesen, Frauen finden sowas echt abstoßend! Und überhaupt stehen Frauen nicht auf solche Ranzbärte wie deinen. Der sieht ja aus wie Frodos Schamhaar!“ David kreischt vergnügt ob seines vermeintlich gelungenen Witzes. Das Verhältnis von Jacky zu Cola scheint in diesem Luxusschuppen wohl eher zu Davids Ungunsten zu tendieren.
„Der wilde Pelz steht dir wirklich überhaupt nicht! Du siehst schlimmer aus als Dirk Nowitzki, als der sich 2013 den Vollbart wegen einer Wette hat wachsen lassen.“
„Die einschlägigen Männerzeitschriften berichten ebenfalls, dass dieser ungepflegte Holzfällerstyle total out ist.“
„Außerdem ist es wissenschaftlich nachgewiesen, dass ein Vollbart wie deiner eine unglaubliche Bakterienschleuder ist! Da sollen sogar mehr Fäkalbakterien drin sein, als auf einer Tastatur, und das will schon was heißen!“
„Bist du etwa König Drosselbart, der versucht die Prinzessin auf der Erbse für sich zu gewinnen?“
Die Euphorie der Gruppe galoppiert Richtung Klimax, während das Objekt des Spottes meine nach unten sinkenden Mundwinkel kaschiert.
Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen, was meine Freunde mir so subtil mitteilen wollen.
„Meint ihr etwa, ich soll mir den Bart… abrasieren?!“


Am nächsten Tag versammeln sich die Jungs zu einem Almond Milk Vanilla Chai Latte und meinem berühmten Kokos-Limetten Cheesecake auf feinem Kichererbsen- und Roggenmehlboden in der Sesselecke meines Cafés „Fair Trade & Vintage“, die der Theke am nächsten ist.
„Oha, sieh mal einer an. Faby hat ja ein Kinn!“
„Die Aussicht auf eine Freundin ist ihm also doch wichtiger als die wüste Anti-Mainstream Demonstration in seinem Gesicht!“
Manchen Leuten kann man es aber auch nicht recht machen: zuerst foppen sie mich aufgrund des Bartes, am nächsten Tag aufgrund dessen Abwesenheit.
„Also sprichst du sie heute an, mit deinem neugestalteten Antlitz?“
„Nein… Ähm. Nein, das kann ich auf keinen Fall machen…“
„Der Prinz ohne Erbsenfänger ist zu nervös, seine Holde anzusprechen.“ kichert David.
Das Glöckchen an der Tür randaliert und mein Herz rutscht mir fast in die Kniekehlen: da ist sie! Sophie, mit dem unvergleichlichen Lächeln auf ihren zarten rosa Lippen!
16:30 Uhr, pünktlich wie jeden Tag.
„Ha…Hallo Sophie. Dasselbe wie immer?“ Meine Stimme ist zu einem Flüstern zusammengeschrumpelt.
Als ich ihren Namen auf den Becher ihres Grande Iced Soy Latte schnörkele, fällt mir fast der Stift aus der Hand.
„Sollen wir mal was zusammen unternehmen, wenn dein Bart wieder nachgewachsen ist? Gefiel mir nämlich sehr gut an dir.“
Sie zwinkert kokett, dann ist sie samt ihrem Kaffeebecher verschwunden, nur noch das Glöckchen hat leise Nachwehen.
„Mir gefällt dein prächtiger Moustache auch sehr gut“ flüstere ich ihr mit verträumtem Blick hinterher.

Letzte Aktualisierung: 19.06.2016 - 15.34 Uhr
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