Liebesgeschichten ohne Kitsch? Geht das? Ja - und wie. Lesen Sie unsere Geschichten- Sammlung "Honigfalter", das meistverkaufte Buch im Schreiblust-Verlag.
Wirklich! Ich liebe ihn sehr. Deshalb schweige ich, wo andere Frauen mit Anklagen kämen. Ich will nur sein Bestes. Sogar neulich, als ich begriff, dass er eine Freundin hat, habe ich nichts gesagt. Aus Liebe! Das geht vorbei, habe ich mich beruhigt und – ich hatte Recht. Nach sechs Wochen kam er abends wieder pünktlich nach Hause. Keine Ausreden, wenn ich fragte, wo er so lange gewesen sei. Keine angeblichen Überstunden mehr. Kein fremder Parfumgeruch an seinen Hemden.
So geht das seit Jahren. NatĂĽrlich bin ich wĂĽtend. Aber dann sage ich mir: Was willst du? In Zukunft allein leben? Nur noch mit dem Hund reden? Nein, antworte ich mir dann. Ich freue mich jeden Abend auf ihn, wenn er von der Arbeit kommt. Auch wenn er abgespannt ist und wortkarg. Ich warte geradezu auf seine erste Frage, wenn er zur TĂĽr hereinkommt:
„Was gibt´s zu essen?“
„Überraschung!“, rufe ich dann und gehe in die Küche.
Ich liebe ihn und seine LĂĽgen. Oh ja, ich merke ganz genau, was wahr ist und was nicht, wenn ich ihn frage:
„Was gibt es Neues in der Firma?“ Viel erzählt er ja nicht.
„Nichts Besonderes“, brummt er meist nur.
Ich liebe jedes seiner hundert Kilo. Ich liebe sein inzwischen schon etwas schütteres Haar. Ich liebe unsere Gespräche, auch wenn sie nach vielen Jahren nichtssagend und ohne Überraschungen sind. Aber wir sprechen noch miteinander. Das ist mir wirklich wichtig.
Wenn ich da an unsere Nachbarn denke. Aber das geht mich eigentlich gar nichts an.
Ja, ich liebe ihn. Als ich letztes Jahr nach einer Geschäftsreise seinen Koffer auspackte, musste ich doch mal schlucken. Kondome! Eine ganze Packung. Dann stellte ich fest, dass sie noch vollzählig waren. Hätte ich ihn zur Rede stellen sollen? Wozu? Offenbar hatte er ja keine Gelegenheit gehabt, sie zu benutzen, obwohl er mit dieser jungen Kollegin – wie heißt sie doch gleich? Ach ja, Britta Schneider – also, obwohl er mit dieser Britta Schneider in München war. Geschieht ihm recht. Die junge Frau war offenbar vernünftiger als er - ein Mann von zweiundfünfzig Jahren und dann ... na ja.
Ich gebe ja zu, dass ich mir zu viele Gedanken mache. Ella, meine beste Freundin sagt, das sei nicht normal. Nur weil ich kĂĽrzlich wieder einmal nicht mit in das Konzert ging, auf das wir uns beide so lange gefreut hatten. Ich wollte doch nur vermeiden, dass Heiner abends in die leere Wohnung kommt. Das war damals, als er angeblich so viele Ăśberstunden machen musste. Da hat sie gemeint, ich solle mal zum Psychiater gehen. Was weiĂź die denn schon von Liebe.
Ich liebe ihn nun mal. Und lieben heißt alles verzeihen, habe ich irgendwo gelesen. Ja, ich habe meinem Heiner auch verziehen damals, dass ich ihn spät abends aus diesem obskuren Club kommen sah. Es war ein schöner Sommerabend gewesen, und ich war spät noch mit dem Hund draußen. Ich bin da ganz zufällig vorbei gekommen. Ehrlich! Oder - vielleicht - im Unterbewusstsein, nachdem ich in seiner Hosentasche dieses Streichholzbriefchen gefunden hatte mit dieser eindeutigen Werbung. Ich habe nur eine halbe Stunde mit dem Hund hinter den Büschen gewartet, und da kam er zufällig heraus, gerade als ich endlich gehen wollte. Nein, er hat mich nicht gesehen. Obwohl, er hat mich irgendwie komisch angeschaut, als ich zehn Minuten nach ihm mit dem Hund in unsere Wohnung zurückkam.
In einem ist er ja diskret, mein Heiner. Es ruft nie eines seiner Flittchen hier an. Wahrscheinlich melden die sich nur auf seinem Handy. Das trägt er immer bei sich. War ja anders gemeint, als ich es ihm im letzten Jahr schenkte. Ich selbst bin gar kein Freund von diesen technischen Dingern. Mir ist Festnetz lieber. Aber ich hatte mir gedacht, er freut sich, wenn er zu jeder Zeit mit mir Kontakt haben kann. Bei seinen vielen Außendiensttouren erreiche ich ihn doch nie, wenn mal was ist. Wenn er Innendienst hat, ist das viel einfacher. Da kann ich ihn schon zum Frühstück im Büro anrufen und erzählen, was ich abends Schönes für uns kochen wollte. Wenn ich aber auf seinem Handy anrufe, ist immer diese mail-box dran. Gut, wenn ich dann sage, er soll mich zurückrufen, tut er es meist auch. Manchmal bilde ich mir allerdings ein, er ist dann sehr kurz angebunden. Na ja, das kostet ja auch alles Geld.
KĂĽrzlich habe ich ihm das auch mal gesagt.
„Ich finde das nicht nett von dir“, habe ich ihm vorgeworfen, „dass du dein Handy immer ausgeschaltet hast. Schließlich ist das ein Geschenk von mir.“
Da wurde er ganz schrecklich wĂĽtend.
„Ich brauche auch mal ein bisschen Privatsphäre!“,
hat er gebrüllt. Ein Wort gab das andere. Und zum Schluss hat er doch tatsächlich wieder einmal damit gedroht, sich eine eigene Wohnung nehmen zu wollen. Aber als ich dann anfing zu weinen, da hat er mich gleich in den Arm genommen und gesagt:
„Ist ja schon gut Mutter, ich bleibe ja bei dir.“
Er ist doch ein guter Junge, mein Heiner.
Letzte Aktualisierung: 24.09.2016 - 13.19 Uhr Dieser Text enthält 4888 Zeichen.