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Superhelden | Oktober 2016
Starman 815
von Peter Mack

Müde von meiner Arbeit ging ich im Dunkeln mit meinem Dackel Wotan über das Gelände des ehemaligen Tempelhofer Flughafens. Als ich eine Parkbank unter einer Laterne fand, ließ ich Wotan von der Leine und setzte mich hin.
„Schön, dass Sie da sind!“
Erschrocken drehte ich mich zur Seite. Am anderen Ende der Bank saß ein Mann in einem dunklen Anzug, ein biederer, spießiger Typ. Zu seinen Füßen saß ein kleiner Hund, eine undefinierbare Promenadenmischung. In seiner Hand hielt er ein Comicheft, was ich seltsam fand.
Ich muss zugeben, dass ich kein kontaktfreudiger Mensch bin. Ganz im Gegenteil. Vor einiger Zeit bin ich aus beruflichen Gründen nach Berlin gezogen. Ich habe da so meine Erfahrungen gemacht. Meine Nachbarn halten sich für das Ordnungsamt. In der Firma, in der ich arbeite, habe ich einen Chef, der glaubt, er wäre Gott und Kollegen, die glauben sie wären Komiker. Alle diese Erfahrungen haben dazu geführt, dass ich mich etwas zurückgezogen habe. Freunde habe ich auch keine. Von Wotan mal abgesehen.
Aber der Mann, der da neben mir saß, sah so harmlos aus, dass ich nicht sofort aufstand und weiterging.
„Ich beobachte Sie schon eine Weile“, redete der Mann weiter. Aus mir unbegreiflichen Gründen schien er mich sympathisch zu finden.
„Gestatten Sie mir, dass ich mich vorstelle“, fuhr er fort, „ich bin Starman 815“
'Nicht schon wieder!', dachte ich. Ich war wieder an einen dieser Verrückten geraten! Sicher wäre es besser gewesen, zu Hause zu bleiben und Wotan sein Geschäft auf dem Teppich verrichten zu lassen. Ich versuchte ruhig zu bleiben.
„Ach“, erwiderte ich so nonchalant wie möglich, „dann bist du sicher Superheld von Beruf, oder so?“
„Richtig“, antwortete er ungerührt. Er schien nicht überrascht von meiner Frage. Ganz im Gegenteil. Er war sichtlich froh, es nicht mit jemand Begriffsstutzigen zu tun zu haben. „Tagsüber bin ich zur Tarnung beim Finanzamt“, antwortete er, „Aber nur, wenn ich gerade mal nicht jemanden retten muss.“
„Ich verstehe!“, erwiderte ich, weil ich wusste, dass es nicht gut ist, Irre zu reizen. Ich besah mir das Comicheft in seiner Hand. 'Spiderman' stand auf dem Titel. Ich konnte mit Comics und Superhelden noch nie etwas anfangen. Ich wusste nur, dass beides aus Amerika kam und Superhelden oft ein blau–weiß-rotes Kostüm trugen. Außerdem hatten sie meist Superkräfte.
„Dann bist du der deutsche Spiderman?“
„So in etwa“, antwortete der komische Kauz. „Allerdings bin ich ein Außerirdischer, also in dieser Beziehung eher wie Superman. Meine Kraft beziehe ich einzig aus meiner überlegenen Ethik, obgleich ich zugeben muss, dass einige meiner Fähigkeiten den Menschen wie Superkräfte erscheinen mögen.“
Der Typ war völlig daneben.
Ich stellte ihn mir in einem eng anliegenden, schwarzen Latexanzug vor mit einem roten Umhang und roten Stiefeln. Dazu noch ein goldener Gürtel. Mich schauderte. Das entsprach nicht irdischen Schönheitsvorstellungen.
„Jedes Land bekommt die Superhelden, die es verdient“, brach es aus mir hervor. Der Sonderling fasste das erstaunlicherweise nicht als Beleidigung auf.
Ich hielt es für eine gute Idee, zu einem unverfänglicheren Thema zu wechseln.
„Schon klar! Und jetzt gehst du mit deinem Hund Gassi?“
„Das ist kein Hund, sondern ein hoch entwickelter Roboter. Wir sind hier, weil wir auf Nachschub von unserer Basis warten.“
Ich schaute mir die neben dem komischen Kauz sitzende Promenadenmischung an. Erstaunlich war, dass Wotan sich nicht für das Hundchen interessierte, wo er doch sonst alles beschnüffeln musste.
„Natürlich“, antwortete ich und stand auf. Ich wollte nach Hause.
„Aber bleiben Sie doch!“, sagte der Irre und hielt mich am Ärmel fest. Ich wollte mich von ihm lösen, aber er war stärker, als er aussah. Damit es nicht zu Handgreiflichkeiten kam, setzte ich mich wieder hin und hörte brav zu, was er mir zu sagen hatte.
„Ich möchte ihnen einen Vorschlag unterbreiten.“
„So, einen Vorschlag“, antwortete ich, um Zeit zu gewinnen. Ich plante zum Schein darauf einzugehen und mich, sobald sich eine Gelegenheit ergab, so schnell es ging, aus dem mit Hundeexkrementen versetzten Staub zu machen.
„Sie müssen wissen, dass ich noch nicht lange auf der Erde bin“, erklärte der Freak, „und da kann ich Hilfe von jemandem gebrauchen, der sich mit den lokalen Gepflogenheiten auskennt.“
„Klar! Aber was habe ich davon, dass ich dir helfe?“
Meine Frage brachte ihn in Verlegenheit.
„Man hat mir gesagt, dass Tauschgeschäfte in primitiven Gesellschaften üblich sind.“, sagte er und wirkte traurig, „Sie müssen wissen, dass ich Angehöriger der Interstellaren Union bin. Alle Mitglieder dieser Organisation versehen ihre Arbeit aus Idealismus. Es befriedigt uns, Gutes zu tun. Wir erwarten nie eine Gegenleistung.“
„Du bist wohl noch nicht lange im Geschäft?“
„Nein, um ehrlich zu sein. Das heißt eigentlich schon … Bisher war ich ein Wächter dritter Klasse auf dem Mars ...“
„Auf dem Mars?“
„Genau. Wächter dritter Klasse bewachen ausschließlich einzellige Lebewesen. Ich wurde gerade erst zum Wächter zweiter Klasse befördert. Wächter zweiter Klasse beschützen mehrzellige Lebewesen, wie man sie hier auf der Erde findet. Wir begleiten diese Lebewesen so lange, bis sie in der Lage sind, auf sich selbst aufzupassen.“
Das war starker Tobak. Mir fiel einiges ein, was ich diesem Irren entgegnen wollte. Aber mir kam eine bessere Idee.
Ich wusste, wie ich den komischen Kauz loswerden konnte.
„Wie wäre es, wenn wir mit deinem Schiff zum Mars fliegen. Du zeigst mir diese Einzeller und als mein Dank helfe ich dir bei deiner nächsten Mission.“
Mein Vorschlag brachte ihn ins Grübeln, wie ich erwartet hatte. Ich freute mich, dass ich es geschafft hatte, ihn in Verlegenheit zu bringen. Wo sollte er ein Raumschiff herbekommen? Ich würde ein paar Minuten warten und es würde kein Schiff auftauchen. Dann würde ich mit der Schulter zucken und mich verabschieden. Kein Flug zum Mars für mich, keine Hilfe bei seiner nächsten 'Mission' für ihn. So einfach war das.
„Fremde in unseren Schiffen mitzunehmen, ist gegen unsere Vorschriften ...“, murmelte er.
'Na also, dachte ich, 'So schnell ist es vorbei mit dem Superhelden – Theater'
„... aber zum Mars ist es ja nur ein kurzer Hüpfer. Und ich sollte dort ohnehin mal wieder vorbeischauen.“
Er wollte das Spiel also weiter spielen. Von mir aus. Ich sagte:
„Na gut. Warten wir auf das Schiff“, und mimte den Geduldigen.
Nach einer Minute schaute er auf seine Armbanduhr.
„Das Schiff hat heute aber ordentlich Verspätung!“, stellte er fest. Das war mein Stichwort. Ich stand auf und wollte mich verabschieden, aber dazu kam es nicht. Denn urplötzlich stand da genau vor uns ein UFO. Es verschlug mir die Sprache. Da stand eine fliegende Untertasse wie aus einem 50er - Jahre Science - Fiction Film. Eine flache Scheibe in der Mitte ein Zylinder mit einigen bunten Lichtern.
„Fast 47 Sekunden Verspätung und das auf einem Flug von nicht mal 1000 Lichtjahren“, nörgelte der komische Kauz.
„Aber, aber ...“, stammelte ich. Ich konnte nicht begreifen, wie er diese Filmkulisse hergezaubert hatte.
„Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht.“, entschuldigte sich der Sonderling, „Ich glaube, die Menschen erwarten bei einer Raumschifflandung ein Spektakel mit Lärm und Feuer.“
Dann fuhr aus dem Zylinder eine Rampe heraus, und aus einer Öffnung strahlte einladendes Licht. Sein Hund stolzierte die Rampe hinauf und er folgte ihm. Ich stand mit offenem Mund da.
„Wenn Sie zum Mars wollen, müssen Sie schon mitkommen!“, forderte er mich auf. Wie hypnotisiert trottete ich hinter ihm her in das UFO. Das Innere war ein einziger Raum mit einer zentralen Säule. Ein paar Koffer standen herum.
„Unser Nachschub“, erklärte der Typ und legte beide Hände an die Säule. Es erklang Musik wie im Chinarestaurant. Der Kerl schloss die Augen, als müsste er sich konzentrieren. Dann riss er die Augen auf und sagte:
„Wir sind da!“
Ich war wie betäubt. Er ging zur Wand des Raumes. Eine Art Klappe öffnete sich, und er holte zwei rosa Gummianzüge mit kugelförmigen Glashelmen hervor. Er drückte mir einen der Anzüge in die Arme, dann zog er sich den anderen über.
Allmählich konnte ich wieder klar denken. Man hatte mich reingelegt. Ob meine Kollegen dahinter steckten? Vielleicht hatten sie diesen Komiker angeheuert?
Mir fiel auch ein, dass ich Wotan vergessen hatte. Sobald wir in unseren albernen Anzügen über die Rampe nach draußen gingen, würde Wotan mich ankläffen, und meine Kollegen würden sich vor Lachen die Bäuche halten.
Dann trabte das Hundchen auf die Rampe zu.
„Roboter brauchen keinen Raumanzug“, erläuterte der Komiker.
„Logisch!“, erwiderte ich resigniert. Ich folgte den beiden.
Als ich die Rampe hinunter ging, holte ich tief Luft, um laut zu schimpfen.
Dann verschlug es mir den Atem.
Wir standen mitten in einem Krater, der Himmel über uns war rosarot, die Sonne war deutlich kleiner als von der Erde aus gesehen. Kein Zweifel: Wir waren tatsächlich auf dem Mars!
Ich brauchte einige Sekunden, um mich von dem Schock zu erholen. Dann sah ich, wie Hund und Herrchen in eine Spalte am Kraterrand spazierten. Ich lief hinterher. Wir gingen in eine Höhle, die nur von den Lichtern in unseren Helmen beleuchtet wurde. Die Höhle endete in einer rötlichen Pfütze.
„Na, Jungs, alles klar bei Euch?“, fragte mein Begleiter fröhlich und beugte sich über die Pfütze. Natürlich erwartete er keine Antwort. Er drehte sich zu mir und erklärte:
„Anfangs hatten die sich gut entwickelt“, er zeigte mit seinem Finger auf die Pfütze, in der sich offenbar die Einzeller befanden, „aber dann gab es eine Klimaänderung. Daraufhin haben sich diese Lebewesen etwas zurückgezogen. Damit war ihre Entwicklung zu Ende.“
Er sah mich durchdringend an.
„Verstehen Sie?“, hakte er nach. Ich nickte betroffen.
Eine Zeit lang schwiegen wir uns an.
„Jetzt müssen Sie ihren Teil unserer Abmachung erfüllen“, sagte er schließlich. Ich schluckte. Was dann kam, ist eine ganz andere Geschichte.
9850 Zeichen, Stand V2B, 21.10.16

Letzte Aktualisierung: 21.10.2016 - 16.08 Uhr
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