Honigfalter
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Spiekeroogyssee

Kapitel 10 - Sohn zeugen

Mo, 01.06.2009, 14.10 Uhr

Die Träume der Beiden währten nicht lange. Ihr Schlaf wurde leichter, und schon bald erahnten sie ein Rufen, das schnell lauter wurde: »Hol‘ mich!«
Sven und Lara schreckten auf und starrten sich an.
»Was ist das, wer ruft da?«, flüsterte Lara. Sven legte seinen Kopf schief und lauschte.
Da war es wieder: »HOL‘ MICH, ENGELSGESICHT!«
Sven legte seine Stirn in Falten.
»Das ist das Buch!«, sagte er verwundert. Er zog sich an einem Ast hoch und begann den Baum hinabzuklettern. Lara griff in seine Haare.
»Bleib‘ bitte!«, sagte sie, »Ich habe Angst hier oben. Und ich habe Angst um dich!«
»ENGELSGESICHT! HOL‘ MICH!«
Es war jetzt kein Rufen mehr, eher ein Schreien, schon fast ein Kreischen; ein womöglich ängstliches Kreischen.
»Es ist doch nur ein Buch«, sagte Sven. Ein Buch, das mich vor meiner Freundin »Engelsgesicht« nennt, dachte er.

Vorsichtig löste er Laras verkrampfte Finger aus seinen Haaren und stieg hinab. Lara sagte nichts mehr, aber Sven konnte ihr Schluchzen hören. Dann war er unten. Er blickte in die Richtung, aus der das Rufen kam. Eine plötzliche Böe wehte ihm Sand in die Augen. Sven drehte sein Gesicht weg und schloss die Lider. Die Böe erstarb. Vorsichtig öffnete er die Augen wieder und lief, zuerst zögerlich, dann immer schneller, zurück in die Richtung des seltsamen Rufers. Weitere Böen wollten ihn stoppen, aber schließlich war er an der Stelle, an der er das Buch hatte fallen lassen. Sven suchte den Boden ab, dann sah er es: Das Buch war fast vollständig mit Sand bedeckt. Er bückte sich, da sprang es schon in seine Hände. Geschickt fing er es auf und klemmte es sich unter den Arm. Sofort lief er zurück zu dem Baum; und zurück zu Lara.

»Lara!«, rief er und kletterte flink zu ihr hinauf. Sie hatte sein Rufen gehört und reichte ihm den Arm.
»Seite 2012!«, sagte das Buch mit leiser, hölzerner Stimme. Sven und Lara sahen sich an. Dann mussten sie lachen.
»Oh, das ist aber ein redseliges Buch!«, sagte Lara. Sven schlug die angegebene Seite auf und ließ Lara über seine Schulter blicken. Nur ein Wort prangte in großen, goldenen Lettern quer über der ganzen Seite: »ZUKUNFT«
»Was hat das für einen Sinn?«, fragte Lara. Dann entdeckte Sven, dass das »Z« sich gelöst hatte. Er zog den goldenen Buchstaben von der Seite ab. Darunter stand in kleiner, roter Schrift: »Mikaelus zeugen!«

»Was, zum Teufel, soll das?«, fragte Lara.
Wie zur Antwort flatterte das Gold der Lettern »U« und »T« mit einer Windböe davon.
»Sohn zeugen! Jetzt!« stand dort, und »Er ist die Rettung!«
Plötzlich sprang das Buch Sven aus der Hand, die Seiten schwangen auf und ab wie Flügel, und einem Raben gleich flog das Buch in einem großen Halbkreis in Richtung Dorf.
»Sven! TUE ES! JETZT!«, hörten sie es zum Abschied krächzen. Dann verschwand das Buch der Sieben Schlüssel aus ihrem Blickfeld.
Sven sah Lara an, Lara erwiderte unsicher seinen Blick.
»Sieht aus, als hätte ich jetzt etwas zu erledigen«, grinste Sven.

Dann legte er seine rechte Hand unter Laras Kinn und zog sie sanft aber fordernd zu sich. Lara schloss die Augen und öffnete ihren Mund. Sie küssten sich, indem sie ihre Lippen aufeinander pressten. Als Kind hatte Lara das in einem Film gesehen. Sie verharrten, aber es passierte nichts weiter. Enttäuscht trennten sich ihre Münder wieder.
»So funktioniert das nicht«, meinte Lara nüchtern.
»Stimmt«, fiel Sven ein, »wir müssen auch die Zunge benutzen.«
Der Gedanke erschreckte Lara. »Nein, es funktioniert vor allem nicht, wenn wir auf einem Baum sitzen und jederzeit herunterfallen könnten.«
Mit wenigen Sätzen war sie auf dem sandigen Boden.
»Gib mir deine Jacke«, forderte sie Sven auf.

Lara breitete die Jacke wie eine Decke aus, vergrößerte die Fläche noch mit ihrer eigenen. Gott sei Dank war es angenehm warm. Sand war sicherlich viel besser als kalte Erde. Sie probierte das provisorische Bett aus, beulte hier und den Sand ein wenig zurecht. Als sie damit fertig war, legte sie sich auf die eine Seite der Decke und ließ die andere frei. Mit einer einladenden Geste flüsterte sie ihm ein »Komm« hinauf.

Sven zögerte ein wenig, ließ seinen Blick über die Dünen und die See schweifen, als fürchtete er, dass sie überrascht werden könnten. Vielleicht wollte er aber auch nur ein wenig Zeit gewinnen. Laras Haar leuchtete ihm entgegen, ihre Augen waren wie verhangen. Ihm wurde die Kehle trocken. Mit einem Ruck schwang er sich endlich von seinem sicheren Ast und landete direkt neben der Decke.
»Komm!«, rief sie erneut. Dabei streckte sie ihm eine Hand entgegen. Mit der anderen stützte sie ihren Kopf vom Boden ab.

Gern hätte er jetzt etwas zu trinken gehabt. Aber weit und breit gab es nur Sand, untrinkbares Meerwasser, zwei Jacken als Decke und sie und ihn. Sven ließ sich neben Lara nieder und stützte wie sie den Kopf auf einen Arm.
Auf die kurze Distanz konnte er ihr Gesicht genau betrachten. Tiefgrüne Augen lenkten von ihrer Stupsnase ab, umgeben von Sommersprossen. Am Mund blieb sein Blick hängen. Sanfte, rosige Lippen öffneten sich ganz leicht und kündeten von Verheißung. Automatisch neigten sie sich einander zu. Automatisch schlossen sie ihre Augen, und ganz automatisch umspielten sich ihre Lippen, bevor sie noch näher rückten.

Überrascht spürte er ihre Zunge, doch er verweigerte sich nicht, ließ es zu, dass sie sich mit seiner traf. Seine Kehle war nicht mehr trocken. Alles befeuchtete sich wieder. Er wollte mehr.
Auf den linken Arm gestützt beugte Sven sich noch mehr zu Lara hinüber, die ihre Position ebenfalls aufgab und sich auf den Rücken sinken ließ. Seine freie Hand legte er auf ihre Hüfte, und sogleich schoss Hitze in seinen Körper. Das Gefühl berauschte ihn so sehr, dass er seinen Mund von ihr löste und nach Luft rang.

Lara öffnete ihre Augen und sah ihn beschwörend an. »Nicht aufhören!«
Das hatte Sven ganz und gar nicht vor, und so vertieften sie sich in ihren zweiten Kuss, der sich richtig anfühlte, der nicht nur das Aufeinanderpressen von Lippen war, sondern ihren ganzen Körper mitschwingen ließ und Instinkte wachrief, die tief in ihren Körpern geschlafen hatten.
Svens Hand folgte langsam der Rundung von Laras Hüften zu ihrer Taille und schob sich unter ihren Pullover. Lara hielt im Kuss inne.
»Huh, die ist kalt«, protestierte sie lachend.
»Und du bist schön warm«, flüsterte Sven zurück und drängte seinen Mund wieder auf ihren. »Und weich.«
Während er Lara weiter küsste, wanderten seine tastenden Finger höher, bis sie den Ansatz ihrer Brust erreichten.
»Und aufregend.«
Er umfing ihren Busen zögernd ganz mit der Hand. Seine Erektion drückte gegen Laras Oberschenkel und er fragte sich, ob Lara sie ebenfalls fühlen könnte.

Sohn zeugen. Jetzt., hörte er die Stimme des Buches wieder in seinem Innern. War das nicht alles absurd? War das real, was er gerade erlebte? Aber sein ganzes Leben seit der Sturmflut war absonderlich. Irre. Verrückt. Aberwitzig.
Laras Atem ging schneller, während er durch den Stoff des BHs mit dem Daumen die Spitze ihrer Brust streichelte. Doch plötzlich hielt sie seine Hand fest und sah ihn verwirrt an: »Hörst du die Möwen?«
Wie konnte sie jetzt auf die Möwen achten?
»Ja, natürlich.« Er hob den Kopf und betrachtete den Schwarm, der an der Küste entlang seine Bahnen zog und dabei immer wieder auch über Lara und ihn hinweg glitt. Ab und zu stieß einer der Vögel nach unten, um einen Fisch zu fangen oder etwas Meerwasser zu trinken. Nichts Ungewöhnliches oder gar Bedrohliches ging von den krächzenden Vögeln aus.
»Wir sind am Meer, Lara.« Er strich über ihr Haar. »Hier kreisen immer Möwen. Ich finde es sehr romantisch: der Baum, die Brandung und über uns die Vögel.«

Laras dunkelgrüne Augen sahen im Schatten noch dunkler, fast schwarz aus.
»Ich bin aufgeregt, Sven. Das ist alles so ... viel auf einmal heute. Und wenn das Buch Unrecht hatte mit seiner Aufforderung?! Meine Eltern werden nicht gerade begeistert sein, wenn ich jetzt schon ...« Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
»Hier gibt es nur dich und mich«, redete Sven auf sie ein. »Vergiss das Buch, vergiss die Rettung der Insel, vergiss deine Eltern! Schließ einfach die Augen und küss mich. Wir haben viel Zeit.«

Während ihre Lippen und Zungen miteinander spielten, spürte Sven, dass Lara allmählich wieder entspannte. Sie schob sogar seine Hand zurück unter ihren Pullover und löste nach einer Weile den Verschluss ihres BHs. Der Pullover rutschte dabei hoch, sodass Sven Bauchnabel und Taille sehen konnte. Laras Haut war dort viel heller als im Gesicht und an den Armen. Gierig rieb er sein Gesicht an ihrem Bauch und musste sich zurückhalten, nicht sofort ihre Jeans zu öffnen. Laras Geruch und ihre fast unmerklichen Bewegungen erregten ihn. Er hatte sich mit Küssen fast bis zu ihrem Busen hochgearbeitet, als ein spitzer Schrei ihn unterbrach.

»Was ist los?« Erschrocken sah er Lara an. Und wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
»Iiihh«, kreischte Lara noch immer, während sie hektisch versuchte, sich den Möwenschiss mit einem Jackenärmel aus dem Gesicht zu wischen.
»Romantisch, ja?«, schimpfte sie. »Mein erstes Mal hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Und Hunger und Durst habe ich auch.«
Sie sprang auf und rannte ans Meer, um sich zu waschen.

Sven ließ sich auf den Rücken sinken, schloss die Augen. Dieser an Absurditäten ohnehin nicht arme Tag war noch lange nicht zu Ende. Wie konnte er seine Entscheidungen auch von einem »Drehbuch« bestimmen lassen. Würde als Nächstes ein Studioscheinwerfer vom Himmel stürzen und ihn erschlagen? Oder ein manngroßes Kaninchen ihm seine Bestimmung zuraunen? Wut kam in ihm auf, Wut über ein Eingeklemmtsein zwischen einer undurchsichtigen Vergangenheit, die weitgehend von Katastrophen geprägt zu sein schien, und einer Zukunft, die sich als bereits geschrieben behauptete. Er spürte Kälte in seinem Bauch, die alle Kraft aus seinem Körper ziehen wollte, ihn machtlos in einem Strom vorhergesagter Ereignisse zurückließ wie einen Tischtennisball auf dem Nordmeer. Angestrengt atmete er tief ein.
Das wollen wir doch erst mal sehen ...

Er konzentrierte sich auf seine Beine, seine Füße, okay, alles noch da.
Das wollen wir doch erst mal sehen!
Scheiß auf den Bürgermeister, auf IHN, auf DIE, scheiß auf die Alten in der Verona, alle ersoffen, haha, auf Mike, den Idioten, fick dich doch selber, scheiß auf Traumaufzeichner und Drehbücher und die Zukunft mit goldenem »Z«!
»DAS WOLLEN WIR DOCH ERST MAL SEHEN!«
Er öffnete die Augen und sah in einen wolkenlosen Himmel. Eine Möwe kreiste weit über ihm. Er streckte den Arm nach ihr aus, ballte die Hand zur Faust. Als er den Arm wieder senkte, war die Möwe verschwunden.
Schon besser.

Er richtete sich auf und zog sich aus. Sein Körper war jetzt von einer fiebrigen Hitze erfüllt. Er spürte weder Sonne noch Wind auf seiner Haut. Mit nackten Füßen ging er zum Meer, die Erde schien unter seinen Schritten zu erzittern. Wach auf, Engelsgesicht.
Lara stand am Strand. Als er näherkam, drehte sie sich zu ihm um. »Sven! Was machst Du?«
»Gib mir deine Hand, Lara«
»Sven, ich weiß nicht ... Dieses Buch - meinst du nicht ...«
»Gib mir deine Hand.« Er stand jetzt direkt vor ihr.
»Oh mein Gott ...«
Als sich ihre Fingerspitzen berührten, spürte sie seine überwältigende Hitze, spürte den Blick seiner Augen, traute sich nicht, ihn zu erwidern. Es zog ihren Körper zu ihm, aber sie blieb stehen, ließ ihn ihre Hose öffnen, während sie sich an seinen Schultern festhielt. Ihre Hände glitten über seine Arme, seine warme Haut, über seinen Bauch, nach unten ...
»Lara, warte ...«
Sven fuhr zusammen, seine Knie wurden weich. Über seine flache Brust blickt er herab, auf einen blassen Kinderpimmel, der mit hochroter Spitze zuckend seinen Samen in den Sand spritzte. Wortlos beugte Lara sich herab und hielt die Hand auf, rieb sie dann über ihre Scheide. Unsicher schaute sie zu ihm hoch. »Ob das reicht?«

Sven erwiderte nichts. Der Wind zerzauste sein Haar. Lara zog ihre Hose an.
»Lass uns nach Hause gehen.« Ohne sich nach ihm umzusehen, machte sie sich auf den Weg.
Und sie ging forschen Schrittes, um ihre Unsicherheit und auch ihre Wut zu verbergen. Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte kurz auf, während sie gleichzeitig eigentlich eher hätte heulen wollen.
Denn es war grotesk. Lara taumelte in ihrer Gefühlswelt durch ein Insel-Hopping zwischen einer mehr oder weniger künstlichen Befruchtung, einem versehentlichen Coitus interruptus und einer unbefleckten Empfängnis. Das Hauptproblem, ihre ausweglose Situation, war dabei in den Hintergrund getreten. Und darüber war sie sogar froh - obwohl die Angelegenheit etwas von der Wahl zwischen Pest und Cholera hatte.
Was hatte sie vorhin zu Sven gesagt? »Lass uns nach Hause gehen.«
Wo, bitte, war denn ihr Zuhause? Etwa auf dieser von der Außenwelt abgeschnittenen Insel? Und falls nicht, gab es ihr echtes Zuhause auf dem Festland überhaupt noch?
Sven war indes unschlüssig am Strand zurückgeblieben und hatte seinen Blick dem Meer zugewandt. Auch in seinem Kopf herrschte Chaos, nur spielte es sich auf einer geringfügig anderen Ebene ab.
»Ob das reicht?«, hatte Lara ihn mit zweifelnder Miene gefragt, nachdem sie sich seinen Samen in ihre Schamspalte gerieben hatte.

Wie der Prototyp eines Blödmannes, wie ein Bilderbuch-Versager hatte er vor ihr gestanden. Und gut daran getan, am besten gar nichts auf diese Frage zu erwidern. Und hatte er Lara vorhin nicht lachen hören ...? Warum wohl, denn momentan gab es ja nun wirklich nichts, aber auch rein gar nichts, worüber man hätte lachen können. Sven fühlte sich so elend wie nie zuvor in seinem Leben.
Für einen Augenblick hasste er Lara, nur um im nächsten Moment den Hass auf sich selbst zu projizieren. Er hoffte inständig, es möge nicht gereicht haben, denn das Zeugen seines Sohnes stellte er sich schon ein bisschen anders vor. Wenn schon versagen, dann aber auch auf ganzer Linie! Plötzlich kam ihm die Funktion des Jungfernhäutchens in den Sinn. Wenn Lara vor ihm noch nie mit einem Jungen Sex gehabt haben sollte - wovon er ausging -, kann es unmöglich gereicht haben!

Als Sven sich jedoch vergegenwärtigte, welche folgenschwere Bedeutung in diesem verunglückten Zeugungsakt lag, kehrte sich seine Hoffnung ins Gegenteil. Er musste grinsen. Wer sagte denn überhaupt, dass es bei diesem einen Versuch bleiben müsse? Fürs nächste Mal sollte man sich halt ein Ambiente aussuchen, in dem alle Störfaktoren weitestgehend ausgeschlossen waren.

Sven drehte sich um, sammelte wie sie seine Kleidung und folgte Laras noch gut sichtbaren Spuren. Dass es so einfach wäre, ein Mädchen rumzukriegen, hätte er sich vor gar nicht so langer Zeit auch nicht träumen lassen. Jetzt lachte er kurz auf. Aber, Moment, schoss es ihm in den Kopf. Wie war das noch mit der Raum-Zeit- ... Dialektik? Nein, ... Raum-Zeit-Kontinuum? Konnte er das, was er mal in einem Perry-Rhodan-Roman aufgeschnappt hatte, bedenkenlos hier und jetzt anwenden?!
War er gestern wirklich von Gott angesprochen worden oder lediglich einem religiösen Wahn verfallen?
»Ich als Joseph, Lara als Maria und dieser Mike als Jesus?«, fragte er sich und schüttelte den Kopf. Sollte Gott nicht langsam die Schnauze voll haben? War Gott nicht eine Nummer zu groß für Lara und ihn - oder lag der tiefere Sinngerade darin, Svens Glauben zu prüfen? War Spiekeroog gar der Neubeginn der menschlichen Spezies?!
»Okay«, fasste er den Entschluss, »dann soll es halt so sein!«

Er fügte sich gewissermaßen dem Schicksal und dieser Mission und schloss zu Lara auf, die ihren Schritt inzwischen verlangsamt hatte, als spürte sie, dass es zu einer Entscheidung kommen musste.
Die beiden setzten sich in eine Düne, hielten einander in den Armen und sprachen eine ganze Weile kein Wort.

Eine leichte Vertiefung, in der sie saßen, schützte sie von allen Seiten. Käme jemand von weit her, könnte er sie erst im letzten Moment sehen. Nur zum Meer hin flachte der Rand ihrer Düne ab, sodass sie die kommende Flut beobachten konnten. Der vor Kurzem noch heftige Wind hatte sich gelegt, trotz des sacht anbrandenden Wassers war es sehr still. Verdächtig kam es den beiden nicht vor, es entsprach ihrer gegenwärtigen Stimmung. Sie lehnten sich, ohne die Umarmung zu lösen, zurück. Sand schmiegte sich um die Füße. Der am Strand schnell als lästig und eng empfundenen Schuhe und Strümpfe hatten sie sich längst wieder entledigt. Warmer Sand schmiegte sich um ihre Gesäße, schien an den Fersen zu steigen, kitzelte kurz im Hosenbein. Lara hatte die Augen geschlossen, nicht zusammengepresst, locker lagen die Lider den Augäpfeln auf. Der helle Tag schimmerte rosafarben in sie hinein. Als der Sand Lara an der linken Lende berührte, lief ihr ein angenehmer Schauder über den Rücken. Sie dachte, Sven führe mit der Kuppe des Zeigefingers über ihre Haut, erreichte jetzt den Rand des Slips, löste den Saum, schlüpfte zwischen Gummi und Haut. Sie seufzte.

»Was ist!« flüsterte Sven ihr ins Ohr. Sein Atemhauch traf auf die winzigen Härchen, die sich hin und wider wandten. Bis ins Innerste ihrer Organe pflanzten sich diese Bewegungen fort, Wellen gleich, die lauwarm schwappend über das Ufer liefen, sich tiefer in den Morast gruben, die Grenze zwischen Festem und Flüssigem beharrlich erhitzend lösten. Ihr Bauch wölbte sich nach vorn, ihr Unterleib drängte gegen die einengende Bekleidung. Hörbar atmete sie aus, hielt jetzt den Atem an, wagte kaum, sich zu bewegen. Die in ihr hin und her laufenden Wellen, die sie mehr und mehr erregten, erschreckten auch. Sie hatte Angst sich aufzulösen, wünschte sich nichts mehr, als hier, in dieser sanften Talsohle, ineinanderzufließen mit ihm, wollte, dass jetzt ihre Körper, ihre Gliedmaßen einen Leib bilden, gleichmäßig bewegt. Für einen Moment des Zögerns, als wolle sie noch einmal die Zeit anhalten, bevor sie sich völlig einem gemeinsamen Fluss hingab, öffnet Lara die Augen, sah, hörte, fast überempfindlich, was um sie herum geschah. Die am Morgen stürmisch gegen das Ufer peitschenden Wellen hatten Schaum aufgebauscht, der im Wind waberte und quoll; wilden, urwüchsigen Tieren ähnlich, die im Schutz der Nacht das Wasser verließen, an Land krochen und nun in sich zusammensackten. Sie hörte Sand rieseln, vom Rand der Düne auf sie beide herunter. Hörte, wie ein fast zu Boden gebogener Halm des Strandhafers von einer plötzlich heftigeren Bö bewegt wurde, im Sand seichte Striche hinterließ, nicht leicht zu lesen. Sie sah, dass Sven sie anschaute, nicht mehr fragend, sondern ruhig ihren Blick erwidert. Der Schlagrhythmus ihrer Herzen erhöhte sich. Nicht, dass sie im Sand zu versinken drohten. Von selbst wühlten sie sich weiter hinein, drängten näher aneinander, drückten sich, sich gleichzeitig an allen Stellen streichelnd, spürten die Spitzen der Brustwarzen wachsen. Kuss und Gegenkuss ergänzten sich in der weichen, feuchten Höhle beider Münder. Mal lagen die Zungen ruhig, dann züngelten sie, drehten, umspielten sich, zuckten vor und zurück, suchten den Speichel des andern zu schmecken, zu spüren, als übertrügen sie eine Krankheit, ein Fieber.
»Sag mir bitte nicht, dass du mich liebst.«
»Lieb mich.«
Sie rutschen weiter ineinander, länger werdender Schatten im Sand, heftiger wegrieselnd.


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