Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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Spiekeroogyssee

Kapitel 04 – Der Junge

So, 31.05.2009, 13.10 Uhr (Pfingsten)

Lara kam aus dem Stall und sah zu, wie die ersten schweren Tropfen dunkle Flecken auf den Steinen hinterließen. Als Sven lautlos aus dem Schatten des Hauses trat, hätte sie beinahe den Eimer mit der Milch fallen lassen.
»Meine Güte, hast du mich erschreckt. Was ist denn los?«
Ohne ein Wort zog er sie in den Schuppen. Dort in der Dämmerung fühlte er sich sicher genug, um darüber zu sprechen.
»ER kommt zurück. Der Ältestenrat hat IHN holen lassen. Sie denken, ER ist der Einzige, der uns helfen kann. Hätte ich doch bloß diese dumme Flaschenpost nie gefunden.«
Stumm hörte Lara ihm zu. Dann beugte sie sich vorsichtig zu ihm herüber.
»Mach dir keine Vorwürfe, wenn du sie nicht gefunden hättest, dann bestimmt jemand anderes.«
Zaghaft legte sie ihm bei diesen Worten die Hand auf die Wange und streichelte diese. Sven spürte eine leichte Gänsehaut, dann nahm er ihre Hand in die Seine und küsste ihre Fingerspitzen.
Ein Donnerschlag ließ die Wände des Stalls erschüttern und die beiden fuhren erschrocken herum. Der Himmel war schwarz, nicht nur an vereinzelten Stellen, nein eine komplette Schicht aus Dunkelheit hatte sich über die Insel gespannt. Das Gewitter brach nun vollends aus. Der Regen fiel derart heftig, dass er eine flüssige Wand bildete. Wenn Sven nur einen einzigen Schritt hinausmachen würde, wäre er binnen weniger Sekunden klatschnass.
»Ich glaube ich werde noch etwas warten, bevor ich nach Hause gehe.«
»Du kannst gerne bleiben,« lächelte Lara, aber dann sah sie ihn ernst an.
»Was ist?«

Sie blickte über seine Schulter, er drehte sich um. Der Eimer Milch stand draußen und platschend fiel der Regen hinein. Lara würde sicher Ärger bekommen und das war dann seine Schuld. Er seufzte, dann ging er entschlossen los. Es waren nur wenige Schritte bis zu dem Eimer, aber wie er angenommen hatte, reichten die wenigen Schritte aus. Im Nu klebte seine Kleidung durchnässt an seinem Körper. Ein Donner rollte, gefolgt von einem Blitz, dann wieder ein Donner und danach Stille. Sven griff den Eimer, ein vielarmiger Blitz fächerte über den Himmel und in dessen Licht sah er ihn: Mitten auf dem Hof stand ein Junge, blass, dunkles Haar, das ihm strähnig ins Gesicht fiel, und in ganz in Grau gekleidet. Vor Schreck viel Sven der Eimer aus der Hand. Mit einer unheimlichen Geschwindigkeit, begleitet von einem weiteren Blitz am Himmel, sprang der blasse Junge zu ihm, fing den Eimer auf und sah Sven von unten herauf direkt ins Gesicht. Und gab ihm den Eimer. Sven schauderte. Die Augen des Jungen leuchteten in der Farbe des nächsten Blitzes auf, ... dann ein Donner, danach Stille und Dunkelheit. Der Junge aber war fort.

Hastig sah sich Sven um, aber von dem Kind war nichts mehr zu sehen. Verkrampft, sodass seine Finger schmerzten, hielt Sven den Eimer fest. Lara rief nach ihm. Lara ... ja genau, sie musste den Jungen gesehen haben, auch wo er hingerannt war. Dieses Kind war ihm völlig fremd. Schnell brachte er sich und den Eimer in die Trockenheit des Stalls.

»Was hast du denn da draußen so lange gemacht?«
»Ich ... ich ... Lara hast du gesehen, wo der Junge hingelaufen ist?«
»Junge? Was redest du da?«
»Da war ein Junge, na ja ein Kind halt. Der stand mitten auf dem Hof und dann war er plötzlich direkt bei mir ...«
Sie lächelte: »Ist dir heute etwas auf den Kopf gefallen?«
»Wenn ich es dir doch sage, da war ein Kind!«
»Tut mir leid, Sven. Ich habe niemanden gesehen.«
»Da war ein Junge! Vielleicht acht oder neun Jahre alt, ein wieselflinker Knirps, unheimlich, wie der die Milchkanne aufgeschnappt hat.«
» ... neun?«
»Oder acht!«
»NEUN?«
»Ja, wieso ...?«
»Der Neunerjunge ...«
Jeder Anflug von Ungläubigkeit wich aus ihrem Gesicht:
»Weißt du, es gibt da eine uralte Legende. Von einem kleinen Jungen, der beim Spielen mit neun Murmeln ...«
»WAS?!«
»... eh ... die ganze Welt gewinnt. Und der genauso aussehen soll, wie du ihn beschrieben hast. Meine Großmutter hatte mir davon ...«
»Ach, deine Großmutter ...«,
Aber seltsam, als er jetzt in ihre Augen sah, war es, als spräche Gott zu ihm. Wie im Trance erhob er seine Stimme:
»Ich habe ein Kind gesehen. Das Kind war mir völlig fremd, aber jetzt weiß ich, wer das war. Es war unser Kind.«
Sie starrte ihn fassungslos an.
»Ja, klar,« fuhr er fort, »das ist es. Der Asteroid hat das Raum-Zeit-Kontinuum verschoben. Dialektisch, verstehst du? Die Legende deiner Großmutter! Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart mischen sich durcheinander. Unser Sohn, das ist die Zukunft. Und wenn wir beide uns in die Augen schauen und ich das Gefühl habe, als spräche Gott zu mir, das ist die Gegenwart. Und wenn wir alles richtig machen, ist der Hass die Vergangenheit.«
»Du bist verrückt geworden!«
»Ja, wahrscheinlich hast du recht, wahrscheinlich war Einstein auch verrückt. Ich glaube, dass Einzige was wir noch tun können ist beten, oder ...«
Der Gedanke formte sich quälend langsam in seinem Kopf, flüchtig und unscharf wie Zigarettenrauch:
»Gott spricht zu mir und er sagt mir, dass nur ich uns hier alle rausführen kann. Du musst mir helfen, IHN zu finden.«
»Was ist mit dir los?« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Verstehst du noch immer nicht? Ich habe gerade vor der Scheune unseren gemeinsamen Sohn gesehen! Wir werden Kinder haben, und wir können den Hass hinter uns lassen. Aber das wird nur geschehen, wenn wir hier rauskommen. Und dazu müssen wir IHN finden und dann müssen wir IHN ...«

Sein nächster Gedanke ertönte wie eine Kirchenglocke in seinem Kopf. Er wusste nun, dass er IHN töten musste, aber er war erst 16 Jahre alt. Er hatte noch nie einen Menschen getötet und er durfte Lara nicht sagen, dass er töten musste. Er sah es in ihrem Gesicht, in ihren Augen und in der Art, wie ihre Schultern herabsanken. Sie war nicht überzeugt, aber sie würde ihm helfen IHN zu finden.
»Wir fragen den Bürgermeister, wo wir IHN finden, und dann reden wir mit IHM.« log er.
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