Jürgen Neffe treibt es zur Eile, immerhin beginnt nächste Woche die Buchmesse in Frankfurt, die üppigste Bücherschau weltweit. Rasch vorher hat er deshalb in die Berliner Volksbühne gebeten zur eigenen Präsentation. Es geht um nichts weniger als das „Buch der Zukunft“, wie es vollmundig in der Einladung heißt: „Wir haben es Libroid genannt.“
Dieses Libroid hat noch ein paar Macken, es hakt hier und da bei der Präsentation im Roten Salon, bei Dämmerlicht. „Wir führen jeden Tag Listen, was nicht geht, aber die werden immer kleiner. Sie sehen mich deswegen völlig entspannt“, sagt er vorn auf der Bühne. Letzteres stimmt nicht so ganz, die rund 50 Besucher erleben den Wissenschaftsjournalisten ziemlich nervös, immer mal wieder nach dem Techniker rufend. „Wir haben bis gestern halb elf gebastelt“, entschuldigt Neffe.
„Das Buch der Zukunft“ ist nicht mehr (aber auch nicht weniger) als eine Applikation für das iPad. Auf dem Gerät von Apple führt Neffe an einem eigenen Text, einer gekürzten Fassung seines 2008 bei Bertelsmann erschienenen Werks über Charles Darwin, vor, was die Anwendung kann: Auf dem Bildschirm steht mittig der Text, in Randspalten auf der einen Seite Fotos, auf der anderen Links ins Internet und Icons, über die sich zum Beispiel Originaltexte von Darwin aufrufen lassen. Wird eine der Spalten gescrollt, bewegen sich die anderen adäquat zu ihrer inhaltlichen Verzahnung mit.
Neffe zeigt Bilder von seiner Südamerikareise auf den Spuren Darwins und lässt Stellen der eigenen Reiseaufzeichnungen vorlesen. Autoren könnten mit dem Libroid den Werkstatt- beziehungsweise Arbeitsbericht mitliefern, schwärmt er. Sein Text ist in vier Sprachen verfügbar: neben dem Deutschen auf Englisch, Spanisch und Italienisch. Weitere Übersetzungen, etwa ins Russische und Türkische seien in Vorbereitung. Die Kosten dafür trägt er selbst. „Ich kann es auf der Welt verbreiten“ - das lohnt offenbar die Investitionen. „Es wird einmal Weltpublikationen geben, Weltbestsellerlisten.“
Von „Darwin. Das Abenteuer des Lebens“, einem veritablen Bestseller, gibt es längst eine verlagseigene E-Book-Fassung, für diese allerdings – es ist wie üblich lediglich der gedruckte Buchtext in elektronischer Form - macht Neffe wohlweislich keine Werbung. Er habe die Rechte am Text fürs Libroid, sagt er und mehr ausdrücklich nicht zu seinen Gesprächen mit Bertelsmann.
In zwei Wochen soll das Libroid im iTunes-Store verfügbar sein zum Preis von 7,99 Euro. Neffe sieht sich selbst als „komplett verrückter Verleger, der sich in Einzelhandanfertigung eine neuartige Druckmaschine bauen lässt, um darauf ein Buch zu drucken“. Seine Hoffnung ist es indes, dass es nicht bei dem einen Titel bleibt. Das Angebot soll andere Autoren dazu animieren, „ungedruckte Bücher herstellen und vertreiben zu lassen“. Doch nur einen Text an das Libroid-Team zu schicken, sei zu wenig, „ein Konzept, ein Drehbuch“ müsse mitgeliefert werden. Für Neffe steht fest: Erfolgreiche Autoren werden E-Book-Rechte nicht mehr an traditionelle Verlage vergeben, die viel zu „verhalten und hilflos“ agierten.
Ob das Libroid-Verfahren für literarische Werke im gleichen Maße reizvoll sei wie für den vorgeführten Text, wurde gefragt. Neffe ist auch da ganz der vom eigenen Glauben hingerissene Marketingmann. Er habe mit Autoren wir Thomas Lehr, und Dories Doerrie gesprochen. Leseverhalten verändere sich und somit auch Schreibweisen. „Wir fangen gerade erst an“, ruft er. Das ist das Schlusswort. Vorhang zu.
hh
Quelle: Börsenblatt online
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