Am 20. Dezember wurde mit einem kurzen Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft an das Oberlandesgericht die Revision im Elfenmond-Prozess gegen Random House-Justitiar Rainer Dresen ohne weitere Begründung – und ohne öffentliche Verhandlung – zurückgenommen. Damit wurde der Freispruch des Amtsgerichts rechtskräftig.
Rainer Dresen musste sich seit 2008 gegen den mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedrohten Vorwurf der gewerbsmäßigen vorsätzlichen Kennzeichenverletzung verteidigen. Hintergrund war eine Buchveröffentlichung im Random House-eigenen cbj-Verlag unter dem Titel „Im Schatten des Elfenmondes“. Angeblich war dieser mit dem Titel „Elfenmond“ des PoD-Verlegers und Autors Guido Krain verwechselbar. Am 1. April 2010 wurde Dresen vom Amtsgericht München von diesem Vorwurf freigesprochen. Der Freispruch wurde jedoch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft München gegen den Freispruch Rechtsmittel einlegte.
Rainer Dresen fasst seinen Fall für die Branchenpresse wie folgt zusammen:
"Sie hatte dabei die Wahl, das Rechtsmittel als Berufung zum übergeordneten Landgericht zu bringen, wo dann der gesamte Fall nochmals aufgerollt worden wäre, oder als Revision zum Oberlandesgericht, wo nur noch Rechtsverstöße bei der Urteilsfindung gerügt werden können. Aus nicht bekannten Gründen entschied sich die Staatsanwaltschaft nach einer gewissen Überlegungsfrist für das Rechtsmittel der Sprungrevision zum Oberlandesgericht München. Aufgrund des bis dahin nicht eben zurückhaltenden Vorgehens der Staatsanwaltschaft wäre Dresen nicht überrascht, wenn die Staatsanwaltschaft nur deshalb auf die umfassendere Überprüfung im Wege der Berufung verzichtet hätte, weil sie vom Landgericht informell bedeutet bekam, dass auch dort wie schon beim Amtsgericht ein Freispruch nach öffentlicher Verhandlung zu erwarten wäre.
Revisionsgrund der Generalstaatsanwalt vor dem nunmehr befassten Oberlandesgericht war, dass eine rechtliche Stellungnahme zugunsten Dresens aus der Feder des Börsenverein-Justitiars Christian Sprang angeblich nicht ordnungsgemäß vom Amtsgericht verlesen worden war. Dieser angebliche Revisionsgrund erstaunte den Angeklagten und seinen Verteidiger Dr. Wegner, da seinerzeit der Amtsrichter, durch das Sitzungsprotokoll nachgewiesen, das sog. Selbstleseverfahren angeordnet hatte. Hierdurch wird zu Zwecken der Zeitersparnis vom Amtsrichter bestimmt, dass ein bestimmtes Schriftstück, statt von ihm laut vorgelesen zu werden, simultan von allen Prozessteilnehmern leise selbst gelesen wird. Genau das war am 1. April 2010 nachweisbar erfolgt. Ebenso wie Vorsitzender, Angeklagter und Verteidiger hatte auch die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft allem Anschein nach leise vor sich hin gelesen, sich später aber, als die Generalstaatsanwaltschaft einen Revisionsgrund benötigte, daran offenbar nicht mehr recht erinnern können.
Das Erinnerungsvermögen der Staatsanwaltschaft hatte trotz zwischenzeitlicher Hinweise der Verteidigung Dresens auf das Amtsgerichtsprotokoll auch am 30.11.2010 nicht wieder eingesetzt. Die Staatsanwaltschaft beantragte noch an jenem Tag schriftlich beim Oberlandesgericht München, den Freispruch des Amtsgerichts München aufzuheben und das Strafverfahren gegen Dresen „zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Strafrichter des Amtsgerichts zurückzuverweisen“.
Dann wurde die Generalstaatsanwaltschaft offenbar ganz plötzlich von höherer Einsicht oder aufziehendem Weihnachtsfrieden übermannt, oder aber der Senatsvorsitzende des Oberlandesgerichts gab dem Kollegen von der Generalstaatsanwaltschaft in deutlichen Worten zu verstehen, wie wenig er von den Erfolgsaussichten der Anklage hielt. Die genauen Gründe wird man trotz des Grundsatzes der Öffentlichkeit des Strafverfahrens wohl nie erfahren, aber am 20.12.2010 ging ein kurzes Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht ein, durch das die Revision ohne weitere Begründung (und ohne öffentliche Verhandlung) zurückgenommen wurde. Daraufhin beschloss das Oberlandesgericht München einen Tag vor Heiligabend, dass die Staatskasse „die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels und die Kosten des dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen“ zu tragen hat. Damit wurde der Freispruch des Amtsgerichts rechtskräftig."
Quelle: Börsenblatt online
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