Mit einem charmanten Projekt sorgen sieben Blogger rund um den Deutschen Buchpreis fĂŒr Leselust und Literaturdebatten im Netz. Seit dem 20. August lesen sich die "Buchpreisblogger" durch die Longlist und kommentieren die LektĂŒre auf ihren Blogs. Und weil die "Glorreichen Sieben" der eigentlichen Jury in nichts nachstehen wollen, haben sie heute ihre eigene Shortlist veröffentlicht.
Mit der Aktion stĂ€rkt der Deutsche Buchpreis seine PrĂ€senz im Netz und in den sozialen Medien. Ziel sei "ein reges GesprĂ€ch ĂŒber die nominierten Romane und ĂŒber den Deutschen Buchpreis im Allgemeinen, auch jenseits des Feuilletons", sagt die freie Lektorin Caterina Kirsten, die die Aktion koordiniert und redaktionell betreut. Dabei habe man darauf geachtet, Blogger mit unterschiedlichen Vorlieben, einem unterschiedlichen Zugang zur Literatur und unterschiedlichen AnsĂ€tzen beim Schreiben von Rezensionen auszuwĂ€hlen. "Gerade diese Vielfalt macht das GesprĂ€ch so lebendig", sagt Kirsten, die selbst den Blog Schöne Seiten betreibt. Dass die Zusammensetzung der Rezensenten dabei die der ebenfalls siebenköpfigen Buchpreis-Jury spiegelt - selbst das VerhĂ€ltnis von Frauen zu MĂ€nnern ist mit 4:3 identisch -, sei ein netter, wenngleich zufĂ€lliger Nebeneffekt.
Der Plan einer unabhĂ€ngigen, zum GroĂteil autodidaktischen Vorabjury, die sich im Netz bei der Arbeit zusehen lĂ€sst, geht auf. Kirsten spricht von einer "ĂŒberaus positiven" Resonanz. Das zeige sich sowohl in den Besucherzahlen als auch in den Kommentaren. Den Erfolg haben die Buchpreisblogger sich redlich verdient: Hinter dem Projekt steckt jede Menge Idealismus. Alle Rezensenten sind "nebenher" berufstĂ€tig und wenden ihre gesamte Freizeit fĂŒr die Aktion auf. "Da bleibt der Ausgleichssport schon mal auf der Strecke und auch der Rasen ist jetzt öfter mal ungemĂ€ht", sagt Tobias Nazemi vom buchrevier.
Kirsten schwĂ€rmt vom Enthusiasmus der Blogger, davon, "wie ernst sie das Projekt nehmen und wie eng sie zusammenarbeiten". In einer Facebook-Gruppe werden PlĂ€ne geschmiedet, Ideen ausgetauscht, ZeitplĂ€ne erstellt, Titel aufgeteilt. Das Logo der Buchpreisblogger wurde im Vorfeld der Aktion von Jochen Kienbaum (lustauflesen.de) entworfen; darĂŒber abgestimmt wurde, wie auch ĂŒber den Namen der Gruppe, gemeinsam. Soviel kollektives Tun schweiĂt zusammen: "Manche der anderen Buchpreisblogger sind bei mir rein virtuelle Kontakte â die inzwischen so vertraut geworden sind wie Menschen, die ich im realen Leben kenne", sagt Uwe Kalkowski alias Kaffeehaussitzer.
Jeder Blogger liest und bespricht drei bis vier Titel der Longlist komplett. Die Texte, die dabei entstehen, sind unterschiedlicher Natur. So nĂ€hert sich Kalkowski Frank Witzels 800-Seiten-Opus "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" mit einem Lesetagebuch und verschafft dem Blogleser dabei mit seiner lakonischen, authentischen Art ein ganz eigenes VergnĂŒgen ("Lesetag 5: Ăber weite Strecken herrscht Klarheit in der Handlung." Oder: "Habe mir erlaubt, ein paar Seiten zu ĂŒberspringen.") Die Besprechung der Klappentexterin zu Kai Weyands "Applaus fĂŒr Bronikowski" macht im wahrsten Sinne des Wortes Appetit auf mehr: Das "erfrischende, erheiternde und berĂŒhrende" BĂ€ndchen enthalte derart viele bedeutende Themen, dass man es "in einem Rutsch durchliest, quasi wie einen Streuselkuchen vernascht". Aber auch mit Kritik halten die Netzrezensenten nicht hinterm Berg. "Amors Pfeil traf leider nicht ins Schwarze", schreibt beispielsweise Birgit Böllinger auf SĂ€tze&SchĂ€tze ĂŒber Ralph Dutlis Titel "Die Liebenden von Mantua". ErgĂ€nzt werden die Rezensionen mit Themen rund um den Buchpreis. So findet man auf Buzzaldrins BĂŒcher ein Interview mit der ehemaligen PreistrĂ€gerin Terezia Mora, in dem Bloggerin Mara Giese nachfragt, was sich mit der Verleihung verĂ€ndert habe. Zudem gibt es "BloggergesprĂ€che", in denen zwei oder mehr Buchpreisblogger ĂŒber ein Buch diskutieren.
Wie empfinden die Literaturblogger ihre Herkulesaufgabe? "Eigentlich machen wir nichts anderes als sonst auch. Wir lesen und schreiben darĂŒber - nur diesmal eben ein wenig mehr als sonst", sagt Tobias Nazemi vom buchrevier bescheiden. Uwe Kalkowski (Kaffeehaussitzer) ist dankbar fĂŒr die Inspiration: Manche BĂŒcher von der Liste seien eine "Lesehorizonterweiterung, da ich sie sonst nicht unbedingt in meine persönliche Auswahl genommen hĂ€tte." Mara Giese (Buzzaldrins BĂŒcher) ist sich der Verantwortung bewusst, die ihre EinschĂ€tzungen mit sich bringen: "Viele Leser, die die BĂŒcher nicht gelesen haben, vertrauen auf unser Urteil. NatĂŒrlich möchten wir sie gut beraten." Deshalb lese man kritischer, genauer, differenzierender als sonst.
Die Shortlist der Netzrezensenten:
Und wÀhrend einen Tag vor der offiziellen Shortlist die Spannung auf die Wahl der Jury steigt, haben die Netzrezensenten heute ihre eigene Shortlist vorgestellt. Darauf finden sich Gertraud Klemm, Valerie Fritsch, Peter Richter, Clemens J. Setz, Heinz Helle und Kai Weyand mit ihren jeweiligen Werken.
Das Projekt ist eine offizielle Kooperation mit dem Deutschen Buchpreis 2015. Auf der Facebookseite zum Deutschen Buchpreis werden die einzelnen BeitrĂ€ge gesammelt und verlinkt. Unter dem Hashtag #dbp15 kann man die Aktion auf Twitter mitverfolgen. Auf dem Blog Kaffeehaussitzer findet man eine Ăbersicht, welcher Longlisttitel bisher von welchem Buchpreisblogger vorgestellt wurde (http://kaffeehaussitzer.de/das-buchpreislesen-dbp15/). Eine Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Buchpreis und LiteraturbloggerInnen gab es erstmals 2013. Initiiert wurde sie damals von der Bloggerin Mara Giese (Buzzaldrins BĂŒcher), die auch in diesem Jahr an der Aktion teilnimmt.
Diese sieben Blogger begleiten den Buchpreis 2015 auf ihren Seiten.
Birgit Böllinger, SÀtze&SchÀtze
Simone Finkenwirth, Klappentexterin
Mara Giese, Buzzaldrins BĂŒcher
Uwe Kalkowski, Kaffeehaussitzer
Jochen Kienbaum, lustauflesen.de
Jacqueline Masuck, masuko13
Tobias Nazemi, buchrevier
VON CORNELIA BIRR
Quelle: Börsenblatt online
Links zu dieser Meldung: www.boersenblatt.net
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