Am Donnerstag wurde in der Glashalle des Leipziger Messegeländes der Preis der Leipziger Buchmesse in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung verliehen. Clemens Meyer, Irina Liebmann und Fritz Vogelsang haben das Rennen gemacht. Clemes Meyer bedankte sich überschwenglich und ungewöhnlich: Er riss seinen Arm zur Triumphpose in die Luft und feierte sich selbst wenig später mit einem Schluck aus einer Bierflasche, die offensichtlich für den Fall seiner Kür zum Sieger schon bereit stand.
"Alles, was ich an Kraft hatte, ist in diese Erzählungen geflossen", sagte Meyer später in einem ersten Interview über die Arbeit an seinem prämierten Band "Die Nacht, die Lichter".
Die Jury unter Vorsitz von Ulrich Greiner (DIE ZEIT) entschied sich unter den 15 nominierten Kandidaten für folgende Autoren:
Kategorie Übersetzung: Fritz Vogelgsang für seine Übertragung und Edition von Joannot Martorells „Roman vom Weißen Ritter Tirant lo Blanc“ (S. Fischer Verlag).
Zur Begründung: Ausgezeichnet wird mit dem Preis Vogelgsangs jahrzehntelanger Einsatz für ein Werk, das in der altkatalanischen Sprache des Königreichs Valencia 1490 erschien und nun erstmals vollständig dem deutschsprachigen Leser vorliegt. Das Großepos, das auf 1.600 Seiten die abenteuerliche Reise des weißen Ritters und seinen Kampf für die Befreiung Konstantinopels schildert, bezeichnete Cervantes „als, aufgrund seines Stils, besten Roman der Welt“. Vogelgsang hat Martorells Altkatalanisch in eine elegante und mustergültig moderne deutsche Sprachform gebracht. In seinem Text kommt das Farbige, Unterhaltsame, Spannende dieses ersten realistischen Romans perfekt zur Geltung.
Kategorie Sachbuch/Essayistik: Irina Liebmann für „Wäre es schön? Es wäre schön. Mein Vater Rudolf Herrnstadt“ (Berlin Verlag)
Zur Begründung: Die Jury ehrt mit ihrer Entscheidung ein Werk, das auf unglaublich eindringliche Weise Familiengeschichte als Weltgeschichte darzustellen vermag. Irina Liebmanns Buch über ihren Vater Rudolf Herrnstadt ist der fast unglaubliche Lebensbericht eines Mannes, der die Welt neu erfinden wollte. Der, so will es beinahe scheinen, bei allen Kämpfen, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gekämpft wurden, mitgekämpft hat. Der von der Geschichte alles erhoffte und am Ende alles verlor. Der irrte und glaubte, seinen Überzeugungen folgte, auch wenn sie ihn mitunter auf Abwege führte. „Glaubst du wirklich,“ hat er seine Tochter auf einem Spaziergang kurz vor seinem Tode einmal gefragt, „ wenn man zum ersten Mal in der Weltgeschichte alles, alles neu macht, und man hat es nicht gelernt und keine Erfahrungen, glaubst du nicht, dass man erst einmal alles, alles falsch machen wird?“ Die Irrtümer und der Glaube, die Schrecken und die Hoffnungen eines ganzen Zeitalters lässt Irina Liebmann mit der Lebensgeschichte ihres Vaters vor unseren Augen auferstehen.
Kategorie Belletristik: Clemens Meyer für „Die Nacht, die Lichter“ (S. Fischer Verlag)
Ausgezeichnet wird ein Buch, das in bewundernswerter Knappheit und sprachlicher Eleganz menschliche Hoffnungen auslotet, und das vor dem Hintergrund ihrer radikalen Unerfüllbarkeit. „Die Nacht, die Lichter“ des Leipziger Schriftstellers Clemens Meyer versammelt 15 „Stories“, in denen sich der Stoff von 15 Romanen verbirgt; kreisend um Figuren nicht nur vom Rand der Gesellschaft, aber allesamt im Absturz begriffen, jeder in seiner Einsamkeit getrieben von einer unerklärten Drift zum Scheitern. Todestrieb und Menschenliebe gehen in dieser Prosa ein geheimnisvolles Bündnis ein. Da wäre der fettsüchtige Lehrer, der sich in einer verpönten Liebe zu einem elfjährigen Mädchen verzehrt; der alte Mann, der seine Tiere begräbt, bevor er sich selbst verabschiedet; oder der Ex-Geschäftsmann, der in einem surrealistischen Delirium krepiert: Die gefährliche Poesie des Fatalismus seiner traurigen Helden entschlüsselt der Autor mit wagemutiger Empathie und großer Sanftheit.
Quelle: Börsenblatt online
Links zu dieser Meldung: www.boersenblatt.net www.preis-der-leipziger-buchmesse.de/
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