Von CHRISTIANE PETERSEN und TAMARA WEISE
Das Rennen um den Deutschen Buchhandlungspreis 2016 ist eröffnet. Warum es sich lohnt, dabei zu sein.
Dass Buchhändlern der rote Teppich ausgerollt wird, ist nicht gerade alltäglich. Doch die Kulturstaatsministerin meint es ernst: In diesem Jahr vergibt sie den mit einer Million Euro dotierten Deutschen Buchhandlungspreis zum zweiten Mal – und hat offenbar auch schon die ersten Bewerbungen auf dem Tisch. Anfang April, eine Woche nach dem Start des Bewerbungsverfahrens, hätten sich bereits mehr als 100 Buchhandlungen registriert, sagt Alexander Oechsner, der als Referent im Ministerium für den Preis zuständig ist. "Und ja, ganz fleißige Buchhändler gab es auch schon, die uns ihre fertige Bewerbung übermittelt haben."
Anders als bei der Premiere im vergangenen Jahr gliedert sich das Bewerbungsverfahren diesmal in zwei Stufen – auch deshalb, weil es das Formular selbst erstmals ausschließlich online gibt; lediglich Unterlagen zu Aktionen und Veranstaltungen müssen noch per Post eingereicht werden.
Bevor Bewerber jedoch Zugriff auf das Formular bekommen, mĂĽssen sie sich mit ihrer E-Mail-Adresse und dem Namen der Buchhandlung auf der zentralen Plattform www.deutscher-Âbuchhandlungspreis.de registrieren. Oechsner schätzt, dass sich die Fragen in etwa einer Stunde beantworten lassen, allerdings dĂĽrfte das nur gelingen, wenn Buchhändler alle Daten auch zur Hand haben, um die es geht: etwa die Zahl der Veranstaltungen zur Lese- und/oder Literaturförderung in den zurĂĽckliegenden drei Jahren – und der Besucher. Mit zwei, drei Klicks ist das nicht getan, zumal auch noch tiefer gehende Informationen zum Konzept erwartet werden, darunter ein Selbstporträt, ĂĽber das manche wahrscheinlich erst einmal nachdenken wollen. Die Aufgabe der Juroren: "Bitte schildern Sie das Geschäftsmodell auf einem separaten Blatt unter Nennung der GrĂĽnde, der konkret ergriffenen MaĂźnahmen, der Erfolgsfaktoren, der Ziele." Hier die richtigen Worte zu finden, dafĂĽr braucht man eine Weile – aber bis zum Einsendeschluss am 31. Mai ist ja auch noch Zeit.
Eine Million Euro, 108 Gewinner
Die Jury will von den Bewerbern viel wissen, und das bis ins Detail. Aber ohne geht es nicht, um aus der Menge eine Auswahl zu treffen: 614 Buchhandlungen reichten im vergangenen Jahr ihre Unterlagen ein, 108 bekamen am Ende den Preis. Diesmal dĂĽrften es aller ÂVoraussicht nach sogar noch ein paar mehr werden: Monika GrĂĽtters hat, wie bei der Preisverleihung 2015 bereits zugeÂsichert, die Zielgruppe des Preises noch einmal erweitert. Diesmal können auch inhabergefĂĽhrte Unternehmen, die jährlich mehr als eine Million Euro umsetzen, am Rennen teilnehmen. Die Gewinner dieser Gruppe erhalten zwar kein finanzielles Lob – ihr GĂĽtesiegel ist undotiert. Dennoch werden sie im September, wenn der Preis im Rahmen einer Gala wieder feierlich verliehen wird, genauso im Rampenlicht stehen wie alle anderen.
Auf die sieben Mitglieder der Jury kommen also arbeitsreiche Monate zu. Neu in dem Gremium ist nur die Schriftstellerin ÂJenny Erpenbeck, die fĂĽr Julia Franck nachrĂĽckt. Alle anderen Jurymitglieder haben bereits Ăśbung darin, das Engagement von Buchhandlungen zu beurteilen, Grenzen zu ziehen und Sieger zu ermitteln. Der Aufwand wird dadurch allerdings nicht sinken, denn Oechsner zufolge teilen sie sich die Arbeit nicht etwa auf, sondern schauen sich reihum jede Bewerbung en dĂ©tail an: "Alle sehen alles", so laute die Regel. "Im Sommer organisieren wir fĂĽr die Jury dann eine mehrtägige Sitzung, bei der die Gewinner gewählt werden", so Oechsner.
Das Ziel ist dabei klar. "Mit dem Preis erkennen wir das Engagement der Buchhändlerinnen und Buchhändler an – gerade in Zeiten, in denen die Konkurrenz durch Onlinebuchhandlungen viele von ihnen in Existenznot bringt", erklärt Initiatorin Monika Grütters in ihrem Grußwort. Und betont: Sie freue sich, den Deutschen Buchhandlungspreis auch 2016 wieder zu vergeben, an Literaturliebhaber, die in Büchern viel mehr sehen würden als Konsum- und Handelsprodukte. Mehr denn je brauche es daher belesene Buchhändler, die Orientierung geben könnten und Jung wie Alt Lust aufs Lesen machten. Grütters: "Es sind vor allem die kleinen, inhabergeführten Buchhandlungen vor Ort, die uns Werke abseits der Bestsellerlisten nahebringen. Für den Erhalt des Kulturguts Buch sind inhabergeführte Buchhandlungen als geistige Tankstellen unserer Nation unverzichtbar."
Gleich und gleich
Entscheidend für Grütters ist aber noch ein weiteres Argument: Von Anfang an war es ihr Anliegen, mit dem Deutschen Buchhandlungspreis zugleich auch etwas für die unabhängigen Verlage zu tun – für die also, die den Kraftstoff für die Tankstellen liefern. Der Preis solle, so heißt es in den Fördergrundsätzen des Kulturstaatsministeriums wörtlich, die Existenzgrundlage unabhängiger Verlage stärken. Die Independents seien "auf einen vielfältigen und unabhängigen stationären Buchhandel als wichtigen Absatzmarkt angewiesen".
Nachgefragt bei Britta JĂĽrgs, Aviva-Verlegerin, seit gut einem Jahr Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung und in dieser FunkÂtion auch Partnerin des Preises, scheint das auch zu klappen. "Der schon vorher vorhandene Kontakt zwischen unabhängigen Verlagen und unabhängigen Buchhandlungen wurde durch den Deutschen Buchhandlungspreis weiter intensiviert", berichtet sie. Er habe dazu gefĂĽhrt, dass die Aufmerksamkeit fĂĽr Independent-Verlage und deren Programme wachse. Was JĂĽrgs im RĂĽckblick auf den ersten Durchgang jedoch besonders freut: Insbesondere fĂĽr die 108 ausgezeichneten Buchhandlungen hätten sich Freiräume eröffnet, um sich auch programmatisch stärker zu profilieren: "Das wird uns unabhängigen Verlagen zugutekommen." Summa summarum zeige sich: "Unabhängige Buchhandlungen sind unsere natĂĽrlichen VerbĂĽndeten."
FĂĽr die Gewinner des Jahres 2015 stehen zunächst jedoch vor allem ihre Kunden im Mittelpunkt. Dabei blieb das mediale Echo, das der Preis 2015 auslöste, nicht ohne Wirkung. AlexanÂder Oechsner erinnert sich noch daran, wie der Berg an Presseveröffentlichungen auf seinem Schreibtisch von Tag zu Tag immer höher wurde. "Am Ende war die Mappe ungefähr drei Zentimenter dick", erzählt er, "wir waren beeindruckt davon, wie viele Journalisten, auch lokale, den Preis wahrgenommen und berichtet haben." Der Preis im monetären Sinn sei ja nur das eine. "FĂĽr uns ist es wichtig, in der Ă–ffentlichkeit ein Bewusstsein fĂĽr die Buchbranche zu schaffen."
Die Bilanz, die der Börsenverein – neben der Kurt Wolff Stiftung ebenfalls Partner der Auszeichnung – nach dem ersten Durchgang zieht, ist ähnlich positiv. "Der Deutsche Buchhandlungspreis hat in seinem ersten Jahr groĂźe Resonanz im Buchhandel gefunden und viel öffentliche Aufmerksamkeit erreicht", betont Kyra Dreher, GeschäftsfĂĽhrerin im Sortimenter-Ausschuss. Im Verband schätze man es sehr, dass KulturstaatsminisÂterin Monika GrĂĽtters mit dem Preis das Engagement des unabhängigen Buchhandels fĂĽr die kulturelle Qualität und Vielfalt honoriere. "Es freut uns besonders, dass nun auch größere unabhängige Buchhandlungen teilnehmen und sich fĂĽr ein undotiertes GĂĽtesiegel bewerben können."
Ein Schub fĂĽr den Umsatz
Wie lebendig es in der Praxis zugeht und wie gut die Auszeichnung ankommt, berichten Gewinner des Vorjahres. Der Bonus an Aufmerksamkeit fĂĽr diejenigen, die das Rad der Branche so schwungvoll in Gang halten, hat dem unabhängigen Sortiment ausÂgesprochen gutgetan, zum Beispiel der Friedrich-Wagner-Buchhandlung in ÂUeckermĂĽnde: "Der Deutsche Buchhandlungspreis hat eine groĂźe, anhaltende Wirkung", erklärt Inhaber Holger Brandstädt.
Seine Buchhandlung wurde 2015 in der Kategeorie "hervorÂragende Buchhandlung" ausgezeichnet. "Mit den 7?000 Euro Preisgeld haben wir unter anderem unsere Lichtanlage auf LED umgestellt und die RĂĽckwände unserer Schaufenster erneuert", freut er sich. Mindestens so wichtig wie das Preisgeld sei aber die durch die Auszeichnung entstandene Ă–ffentlichkeit gewesen, ein werbewirksamer Schub, den man aktiv nutzen sollte, rät Brandstädt: Er habe seine Pressearbeit verstärkt und damit auch Erfolg gehabt. "Die Zahlen fĂĽr 2015 sehen sehr gut aus – und unsere Motivation hat durch die Wertschätzung weiteren Auftrieb bekommen."
Auch in diesem Jahr bewirbt er sich für den Deutschen Buchhandlungspreis, in erster Linie drückt der Buchhändler aber den Kollegen die Daumen. "Es gibt einige mit ganz tollen Konzepten, die eine Nominierung verdient hätten." In seine Bewerbung habe er nicht viel Zeit investiert. "Ich wollte keine Antragslyrik schreiben." Kollegen, die sich erstmals um die Ehrung bewerben, empfiehlt er: "Überlegt euch gut, was euch einzigartig macht."
Die mit der höchsten Dotierung ausgezeichneten "besten Buchhandlungen" Rote Zora (Merzig) und Literatur Moths (MĂĽnchen) haben eines gemeinsam: In ihre Bewerbung haben die Buchhändlerinnen viel Zeit und Esprit gesteckt. "Ich habe eine Woche an der Bewerbung gesessen, das war meine Urlaubswoche. Und ich bin mir ziemlich sicher: Die, die weniger Zeit investiert haben, kamen nicht so weit wie wir", meint Ingrid Röder von der ÂBuchhandlung Rote Zora in Merzig. Die Anerkennung und das Preisgeld von 25?000 Euro haben die MĂĽhe aufgewogen. "Der Preis wird sehr gut vermarktet – und auch wir werben damit. Wir werden jetzt noch darauf angesprochen, es kommen neue Kunden zu uns, sogar aus der entfernteren Umgebung, aus SaarbrĂĽcken oder Trier."
Das Preisgeld investierte sie unter anderem in das Programm, in literarische Nachtcafés und Aktionen, aber auch in die Innendekoration. Nur einen Wermutstropfen habe es im Zusammenhang mit der Auszeichnung zur "besten Buchhandlung" gegeben, sagt Röder. "Es gab schon Knatsch untereinander, Kollegen, die nicht gratuliert haben, auch wenn viele Buchhandlungen sich mit uns gefreut und gefeiert haben." Noch einmal bewirbt sie sich in diesem Jahr allerdings nicht – "jetzt sollen mal andere ran".
Die Kunden sind stolz
Das handhabt Regina Moths, Inhaberin der MĂĽnchner Buchhandlung Literatur Moths, genauso. Neben der Freude ĂĽber die Anerkennung und das Preisgeld habe sie rĂĽckblickend insbesondere der Stolz ihrer Kunden gerĂĽhrt. "Sie kommen noch immer, gratulieren uns und sagen: Wir wussten schon immer, wie gut Sie sind." Durch die Auszeichnung fĂĽhle sie sich fĂĽr die Zukunft in die Pflicht genommen. "Wir werden Âweiterhin sehr aktiv sein." Das Preisgeld hat ÂMoths noch nicht ausgegeben, erst mĂĽsse sie abschlieĂźend klären, ob und wie es versteuert werden muss. Dann aber gibt es jede Menge Ideen zur Verwendung, von Veranstaltungen bis zum ÂInternetauftritt. Der Börsenverein geht derzeit ĂĽbrigens davon aus, dass das Preisgeld zu versteuern ist – empfiehlt den prämierten Buchhandlungen aber unbedingt, diese Frage individuell mit dem jeweiligen Finanzamt vor Ort zu klären.
Sarah Reul vom Buchladen am Freiheitsplatz in Hanau Â(Kategorie: herausragende Buchhandlung; Preisgeld: 15?000 Euro) erinnert sich besonders gern an die Preisverleihung in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt. "Die Spannung war groĂź, die Laudationes waren sehr schön. AuĂźerdem empfand ich es als groĂźe Freude, so viele nette Kollegen persönlich kennenzulernen", sagt Reul. Der Preis sei als wichtiges politisches Signal zur UnterstĂĽtzung und Wertschätzung der geleisteten Kulturarbeit sehr willkommen. Last but not least noch eine Bilanz aus Potsdam: Felix Palent, Mitarbeiter von Wist – Der Literaturladen, freut sich ĂĽber anhaltendes Feedback seiner Kunden. "Wir sind ĂĽberrascht, wie viele Menschen bis heute kommen, um uns zu gratulieren", berichtet er. Mit den 15?000 Euro Preisgeld seien ÂLöcher gestopft und beherzt ein tolles FrĂĽhjahrs-Veranstaltungsprogramm zusammengestellt worden. 2016 werde man sich Âwieder bewerben. Palent: "Man verbietet ja auch dem FC Bayern nicht, jedes Jahr wieder Meister zu werden."
Deutscher Buchhandlungspreis 2016: Eckdaten zum Wettbewerb
Mit dem Preis zeichnet die Kulturstaatsministerin Monika GrĂĽtters besondere Leistungen in vier Bereichen aus:
kulturelles Veranstaltungsprogramm,
Engagement bei der Lese- und/oder
Literaturförderung,
literarisches Sortiment,
innovatives Geschäftsmodell
Zielgruppe und Partner
Der Preis richtet sich an Buchhandlungen, deren Jahresumsatz unter einer Million Euro liegt. Oberhalb dieser Umsatzmarke können sich Unternehmen um ein undotiertes Gütesiegel bewerben. Partner des Preises sind die Kurt Wolff Stiftung und der Börsenverein
Die Jury
Die Jury wird von Kulturstaatsministerin
Monika GrĂĽtters berufen. Diesmal sind dabei:
Iris Radisch (Ressortleiterin Feuilleton "Die Zeit", Vorsitzende)
Kyra Dreher (Börsenverein),
Jenny Erpenbeck (Schriftstellerin),
Hans Frieden (Verlagsvertreter),
Tim Hofmann (Student der Literaturwissenschaft),
Jochen Mende (Prolit),
Manfred Metzner (Verlag Das Wunderhorn).
Die Kategorien
Gütesiegel gibt es in drei Kategorien, verbunden mit einer Prämie in Höhe von
je 7?000 Euro fĂĽr bis zu 100 Sortimente;
je 15?000 Euro fĂĽr bis zu fĂĽnf Buchhandlungen, die aus dem Kreis der ÂNominierten besonders herausragen;
je 25?000 Euro fĂĽr die drei besten unter den Nominierten.
Erstmals wird 2016 zudem ein undotiertes Gütesiegel an bis zu zehn Buchhandlungen vergeben, die jährlich mehr als eine Million Euro umsetzen.
Die Bewerbung
Deadline fĂĽr die Bewerbung: 31. Mai 2016. Wer gewinnt, soll im August festÂstehen; die Verleihung ist fĂĽr September geplant.
Quelle: Börsenblatt online
Links zu dieser Meldung: www.boersenblatt.net
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